Felix Räuber: Der Klang des Freistaats

Foto: © Siegfried Michael Wagner
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Es ist ein echtes Mammutprojekt. Der Dresdner Musiker, Komponist und Produzent Felix Räuber hat sich mit „Wie klingt Heimat, wie klingt Sachsen?“ auf eine musikalische Entdeckungsreise durch sein Heimatbundesland begeben.

Heraus gekommen ist ein beeindruckendes Portrait eines vielfältigen Bundeslands, in dem der Sänger der inzwischen aufgelösten Dresdner Pop-Sensation Polarkreis 18 akustische Traditionen aus der Region in neue Musikstücke übersetzt. Begleitet wurde er dabei auf Schritt und Tritt von einem Kamerateam, so dass auch die Zuschauer an der Entdeckungsreise teilhaben können.

Nachdem das Projekt 2022 als „Symphonie der Kulturen“ mit vielen Protagonisten im Dresdner Kulturpalast als epochales Livekonzert uraufgeführt wurde, gibt es 2023 gleich mehrere Adaptionen. Geplant sind neben dem Album-Release und der Veröffentlichung der zehnteiligen Kurzfilme auch eine kleine interaktive Tour mit Workshops und Konzerten, die die Protagonisten gerade in die kleineren Städte Sachsens führen soll. Also genau dort, wo das Projekt seine Inhalte sammelte. Im Museum für Sächsische Volkskunst werden die Bild-, Ton- und Filmmaterialien der Spurensuche zudem in der Ausstellung „Wie klingt Heimat? Eine dokumentarische Installation“ (25.03.–22.10.2023) präsentiert. Wir haben uns mit Felix Räuber über die vielen Facetten des Projekts unterhalten.

Foto: © Siegfried Michael Wagner

Wie ist das Projekt entstanden?
Mein bester Freund, der Autor Marc Oliver Rühle, und ich haben uns das Konzept 2018 überlegt, als wir im Rück­flug aus Nordkorea saßen, wo wir uns zuvor eine Woche lang aufgehalten haben. Wir schauten uns im Flugzeug an und fragten uns, warum wir einmal um die ganze Welt fliegen, wenn wir gar nicht wissen, wie es bei uns vor Ort aussieht. Und so begann eine musikalische Spurensuche durch mein Heimatland, die bis heute andauert. Wir haben zehn Kulturkreise mit Mikro­fonen und einigen wenigen Instrumenten besucht, wobei wir mit vielen Menschen geredet und ihre Geschichten und Lieder erforscht haben.

Wie habt Ihr die Orte ausgewählt, die Ihr für das Projekt besuchen wolltet? Inwieweit war das Projekt Teamarbeit?
Ich bin ja das Gesicht des Projekts, aber natürlich steckt ein ganzes Team dahinter. Neben Marc Oliver Rühle ist das die Dresdner Produktionsfima ravir film und der Regisseur Markus Weinberg. So haben wir uns die Bälle gewissermaßen zugespielt, wobei ein Großteil der inhaltlichen Recherche von Marc Oliver Rühle kam. Über diese lange Recherche ist dann ein sehr buntes musikalisches Mosaik entstanden, angefangen von Klängen aus dem Musikwinkel im Vogtland, wo bis auf die Pauke alle Orchesterinstrumente gebaut werden, über die Silbermannorgel im Erzgebirge oder Baggergeräusche aus der Lausitz bis hin zur sorbischen Tradition des Ostersingens.

Foto: © Siegfried Michael Wagner

Wie wurden die Klangspuren künstlerisch verarbeitet?
Bei den Begegnungen habe ich versucht Dinge zu entdecken, an die ich musikalisch andocken kann. Das konnte ein Liederbuch oder ein fast schon vergessenes Volkslied sein. Besonders in Erinnerung bleibt mir das Treffen mit dem Archi­var von Gerhard Gundermann, der uns sogar ein noch unveröffentlichtes Lied von dem Musiker und Baggerfahrer gegeben hat. Das war super, schließlich ist Gundermann ja so etwas wie die Stimme der Lausitz. Aus den vielen Aufnahmen und Quel­len habe ich jeweils einen eigenen Song entwickelt, was für mich als Produzenten sehr anspruchsvoll, aber auch sehr reizvoll war. Herausgekommen ist eine äußerst bunte Musik mit vielen Einflüssen, die als Gesamtkompositionen im vergangenen Juni unter dem Namen „Symphonie der Kulturen“ und im Rahmen der Musikfestspiele uraufgeführt wurde. Im Kultur­palast standen 42 Musiker auf der Bühne, denen ich auf dieser Reise begegnet bin. Da stand dann der Osterreiter neben dem DJ und neben dem Sächsischen Bergsteigerchor. Ein Sinnbild für ein vielfältiges Bundesland.

Wie bist Du auf die Menschen zugegangen? Inwieweit hat sich Dein Heimatbegriff mit dem Projekt gewandelt?
Natürlich stand am Anfang die Frage, was Hei­mat für einen persönlich bedeutet, zumal der Begriff in Sachsen ja oft instrumentalisiert und politisiert wird. Stattdessen wollten wir uns dem Begriff künstlerisch nähern. Nach dem Ende von Polarkreis 18, der Solo-Karriere und meinem Umzug nach Berlin war die Rückkehr nach Sachsen – in meine Heimat – auch für mich persönlich eine bereichernde Erfahrung. Gerade am Anfang hatte ich noch sehr viel Respekt vor den Begeg­nungen mit den Menschen. Zumal man im ländlichen Umfeld ja völlig anders geprägt ist. Aber die Quintessenz nach zwei Projektjahren ist, dass wir eigentlich überall sehr offen empfangen wurden. Es war eine große Dankbarkeit zu spüren, weil wir den Menschen eben nicht mit Ideologie, sondern mit großer Neugier entgegengetreten sind.

Auch wenn die „Symphonie der Kulturen“ sicher mit ei­nem hohen Aufwand verbunden ist. Kann man mit einer Fort­setzung rechnen?
Das war ja am Ende strenggenommen keine Sym­phonie, aber schon ein symphonisches Werk, weil es wirklich sehr episch angelegt ist. Wahrscheinlich ist es nicht so leicht möglich, 42 Musiker auf die Bühne zu bekommen, aber wir arbei­ten gerade an einer Tour durch den sächsischen Raum. Wir gehen also dorthin zurück, wo die Musik inspiriert wurde. Das wird dann eine Kombination aus Kino und Livemusik zusammen mit einzelnen Protagonisten aus dem Projekt.

Welche Rolle spielt Sprache im Projekt?
Seit dem Beginn von „Wie klingt Heimat?“ stelle ich den Menschen, die ich treffe, genau diese Frage. Die Ant­worten sind sehr vielfältig, aber Sprache und der Klang von Sprache kam immer wieder vor. Deshalb war uns schnell klar, dass wir uns auch mit Sprache auseinandersetzen wollen. Und nicht nur Sächsisch, sondern auch Sorbisch oder Sprachen von Menschen mit Migrationshintergrund.
www.heimatlieder.net

Interview: Philipp Demankowski

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