Filmkritik „Hereditary – Das Vermächtnis“: Lehrstück in Sachen Horror

Annie (Toni Collette) weiß nicht, was sie tun soll. © Splendid Film
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Debütregisseur Ari Aster legt mit „Hereditary – Das Vermächtnis“ gleich mal einen Horrorfilm vor, der zum Klassiker reifen könnte.

Jedes Jahr gibt es einen Horrorfilm, der aus dem gut gefüllten Einheitsbrei heraussticht. 2018 schickt sich „Hereditary – Das Vermächtnis“ an, diese Rolle zu übernehmen. Nachdem der Film bei den einschlägigen amerikanischen Filmfestivals lief und mit Vorschusslorbeeren vielleicht nicht völlig überhäuft, diese zumindest aber in jede Hand bekommen hat, läuft er Mitte Juni nun auch in Deutschland an. Doch eigentlich führt das Label „Horrorfilm“ zunächst auf die falsche Fährte, gleicht die Atmosphäre von „Hereditary – Das Vermächtnis“ doch eher einem schick gefilmten Indiemelodram. Tatsächlich entfaltet sich das Geschehen auf der Leinwand zunächst eher als Drama. Erst später beruft sich Regisseur Ari Aster auf die Mittel des fantastischen Films und knüpft an Genretraditionen der sechziger und siebziger Jahre an. Im Zentrum steht Familie Graham, die beiden Eltern Annie (Toni Collette) und Steve (Gabriel Byrne) sowie die Kinder Peter (Alex Wolff) und Charlie (Milly Shapiro). Als Annies Mutter Ellen am Anfang des Films stirbt, kommen immer mehr Geheimnisse aus der Vorgeschichte der Familie zum Vorschein. Rituale spielen dabei keine kleine Rolle.


Annie (Toni Collette) erlebt ihren persönlichen Albtraum. © Splendid Film

Debüt nach Maß

Erst in der zweiten Hälfte wird der Film dann wirklich als Horrorfilm sichtbar. Die dramatische Grundierung sowie die Fokussierung auf die Familie hat zur Folge, dass die Auflösung im finalen Chaos nur noch einschneidender wirkt. Dazu trägt natürlich auch das fast schon manische Spiel von Toni Collette bei, aber auch der ewig schöne Gabriel Byrne ist mit seiner eleganten und zurückhaltenden Rolleninterpretation eine Bereicherung. Natürlich muss man sich als unbedarfter Zuschauer auf einige drastische Szenen einstellen, wobei die dramatischen Momente mitunter viel stärker in Erinnerung bleiben als die klassischeren, aber doch effektvoll arrangierten Horrormotive. Was den Film zudem bemerkenswert macht, ist, dass es sich bei „Hereditary – Das Vermächtnis“ um ein Debüt handelt. Regisseur Ari Aster, der seinen Abschluss am renommierten American Film Institute mit Sitz in Hollywood machte, inszenierte zuvor ausschließlich Kurzfilme, darunter den kontroversen „The Strange Thing About the Johnsons“. Mit seinem ersten Langfilm macht er nicht den Fehler, die Lösung der Mysterien auf dem Silbertablett zu servieren, obwohl genug Material dafür angeboten wird. Er geht auch Risiken ein. Ein harter Einschnitt in die Figurenkonstellation relativ am Anfang macht für den Film Sinn, wird aber so manchen Zuschauer vergrätzen. Die Chancen stehen dennoch gut, dass nicht nur Genrefans auch über das Jahr 2018 hinaus noch von „Hereditary – Das Vermächtnis“ reden werden.

Hereditary – Das Vermächtnis

Erscheinungsdatum Deutschland: 14 Juni 2018
Regisseur: Ari Aster

Text: Philipp Demankowski

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