Eltern, Kinder und der Umgang mit sozialen Medien

Rechtsanwalt David Oertel, Fachanwalt für Familienrecht und Partner der auf Familien- und Erbsachen spezialisierten Kanzlei Meyer-Götz, Oertel & Kollegen. Foto: Andor Schlegel
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Die Kommunikation in unserer Gesellschaft befindet sich im Wandel. Soziale Medien wie Facebook oder WhatsApp bestimmen in vielen Bereichen die Kontakte untereinander. Immer mehr werden davon auch Kinder beeinflusst.

Die Generation Smartphone beginnt heutzutage in vielen Fällen bereits im Grundschulalter. Zu den Gefahren und Risiken für Kinder und deren Eltern sprach das Top Magazin mit Rechtsanwalt David Oertel, Fachanwalt für Familienrecht und Partner der auf Familien- und Erbsachen spezialisierten Kanzlei Meyer-Götz, Oertel & Kollegen.

Auf Basis welcher rechtlicher Grundlagen werden Kinder vor dem Kontakt mit gewaltverherrlichenden, unsittlichen oder sonstigen unpassenden Medien geschützt?

Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen sind im Jugendschutzgesetz und im Jugendmedienschutzstaats­vertrag, kurz JMSTV, geregelt. Während das Jugendschutz­gesetz vor allem die Verbreitung von Trägermedien wie CDs oder Kinofilmen regelt, wird in den Paragrafen 4 bis 6 des JMSTV aufgeführt, welche Inhalte im Internet nicht oder nur eingeschränkt verbreitet werden dürfen. Absolut unzulässige Inhalte sind dabei z.B. Ab­bil­dungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern, Volksverhetzung oder verherrlichende Dar­stel­lungen von Gewalt. Dergleichen Inhalte sind in der Regel auch strafrechtlich relevant. Jugend­gefährdende Inhalte wie Porno­gra­fie oder indizierte Angebote dürfen nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Hier sieht die gesetzliche Bestim­mung vor, dass Anbieter ihren Angeboten ein geeignetes System zur Alters­veri­fizierung vorschalten müssen, um den Zugang für Kinder unmöglich zu machen.

Gilt der Spruch „Eltern haften für ihre Kinder!“ auch für Handlungen der Kinder im Internet?

Der von Ihnen genannte Spruch stimmt generell nur bedingt. Nach § 828 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) können Kinder durchaus auch selbst haften. Hier gibt es aber zwei relevante Altersgruppen. Vor Vollendung des 7. Le­bens­­jahres haften Kinder grundsätzlich nicht. Schwieriger wird es in der Alters­spanne zwischen 7 und 18 Jahren. In dieser Gruppe haftet ein Kind oder ein Jugendlicher dann selbst für Schäden, wenn er „die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht aufweist“. Dies gilt auch für den Kontakt der Kinder mit dem Internet. Eltern haften in der Regel nur dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Wie streng die Eltern dabei beaufsichtigen müssen, hängt wiederum von der Entwicklung und dem Alter des Kindes ab. Kleinere Kinder müssen naturgemäß strenger überwacht werden, während bei Jugendlichen in der Regel auch nach der gängigen Recht­sprechung häufig schon eine Belehrung über die Gefahren und die Probleme im Netz ausreicht, um die Haftung der Eltern zu vermeiden.

Ab welchem Alter sind die Kinder im Internet geschäftsfähig?

Nach dem BGB hängt die Geschäftsfähigkeit vom Alter der Kinder ab. Dies gilt für Handlungen und Geschäfte im Internet genauso wie im normalen Leben. Kinder die jünger als 7 Jahre sind, dürfen auf keinen Fall selbstständige Rechts­ge­schäfte tätigen, also z.B. Verträge schließen. Sie benötigen hierfür immer die Vertretung durch ihre Eltern; ansonsten sind die geschlossenen Verträge unwirksam. Zwischen dem 7. und dem vollendeten 18. Lebensjahr spricht man von der sogenannten „beschränkten Geschäftsfähigkeit“. Verträge, die hier von Kindern geschlossen werden, sind zunächst schwebend unwirksam und werden erst dann wirksam, wenn die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorgelegt wird. Eine Ausnahme stellt § 110 BGB, der sogenannte Taschengeldparagraf, dar. Mit kleinen Summen, die Kinder in der Regel wöchentlich oder monatlich als Taschengeld zur freien Verfügung gestellt bekommen, dürfen Sie wirksam kaufen.

Müssen beim unrechtmäßigem Herunterladen, Verbreiten oder Posten von Songs, Videos oder Bildern durch Kinder die Eltern prinzipiell haften?

In solchen Fällen stellt sich immer die Frage, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Der Bundesgerichtshof hat bereits Ende 2012 eine Grundsatzentscheidung getroffen und dabei für die Haftungsfrage die Frage der Aufsichtspflicht in den Vordergrund gestellt. Nicht erforderlich ist es, den Internetzugang der Kinder zu überwachen oder gar zu sperren. Die Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht bereits dann, wenn sie ihr Kind über die rechtlichen Gefahren dieses Filesharing ausreichend belehrt haben. Was dabei „ausreichend“ ist, bemisst sich wieder nach Alter und Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes. Familien mit minderjährigen Kindern haben daher gute Chancen, die Zahlung von Abmahnungsgebühren abzuwehren, wenn sie den Nachweis über eine entsprechende Belehrung ihrer Kinder führen können. Hier bietet es sich zum Beispiel an, im Rahmen eines klärenden Familiengespräches zugleich entsprechende schriftliche Notizen über den Inhalt des Gesprächs zu fertigen und aufzubewahren.

Wie sieht es mit der Haftung der Eltern aus, wenn sich Kinder zum Beispiel mit dem Smartphone über den Google Play Store oder den Apple Store anmelden und dort etwas kaufen?

Auch hier gilt grundsätzlich, dass Verträge von Kindern erst ab dem 7. Lebensjahr und eben nur mit Genehmi­gung der Eltern wirksam sind. Der Anbieter, auch wenn er die Kosten über die Mobilfunkrechnung der Eltern abzieht, muss anderenfalls den Betrag auf Anforderung zurückerstatten. Proble­matisch stellen sich in der Praxis die sogenannten „In-Game-Käufe“ dar, d.h. Fälle, in denen in eigentlich kostenfreien Spielen die Kinder kostenpflichtige Tools herunterladen können. Für Eltern ist es oft nur schwierig zu erkennen, ob und wann solche Käufe ausgelöst worden sind, da die Beträge für sich genommen meist sehr gering sind. Hier gilt es, sich die monatlichen Telefon­rechnungen gründlich anzusehen und sofort zu reagieren.

In den Nutzungsbedingungen vieler sozialer Medien sind für den Zugang Altersgrenzen ausgewiesen. Wenn sich nun jüngere Kinder Zugang verschaffen, haftet dann der jeweilige Anbieter für daraus entstehende Probleme?

Von einer Haftung des Anbieters wird man kaum ausgehen können. Eher im Gegenteil. Facebook darf nach seinen Nutzungsbedingungen erst ab 13, WhatsApp erst ab 16 Jah­ren genutzt werden. Trotzdem ist gerade WhatsApp bei jüngeren Kindern an der Tagesordnung. Den Anbietern fehlt letztlich (noch) die Überprüfungsmöglichkeit. Wenn sich also Kinder dort anmelden und nicht das notwendige Alter haben, verstößt diese Anmeldung zunächst einmal gegen die Vertragsbedingungen des Anbieters, worauf sich dieser meist beruft. Einzige Folge ist in der Praxis daher, dass der entsprechende Account gesperrt wird.

Wie sieht die rechtliche Situation aus, wenn Minderjährige die sozialen Medien gar als Plattform für Mobbing nutzen?

Es ist tatsächlich zu beobachten, dass Beleidigungen oder das bewusste Posten von Falschmeldungen über die sozialen Medien wesentlich häufiger und auch in ihrer Intensität stärker eingesetzt werden als im Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Gerade in Gruppenchats kommt es immer wieder vor, dass einzelne Teilnehmer massiv attackiert werden. Hier ist Eltern dringend anzuraten, sich frühzeitig mit ihren Kindern über diese Thematik auseinanderzusetzen, wenn Verhaltensänderungen auffallen. Neben der strafrechtlichen Rele­vanz, die auch über solche Kanäle ausgesprochene Be­lei­digungen haben können, werden immer mehr Fälle bekannt, in denen verheerende Auswirkungen bis hin zum Suizid auftreten. Für die Eltern betroffener Kinder ist es im Nachgang extrem schwierig, Hintergründe zu erfahren. In einer aktuellen Ent­scheidung hat das Kammergericht Berlin vor kurzem die Klage einer Mutter abgewiesen, die nach dem Suizid ihres Kindes von Facebook Zugang zu den Daten des Kindes begehrt hatte, um an Informationen zur Handlung des Kindes zu kommen. Das Gericht sah weder die Erbenstellung der Eltern, noch deren bisheriges Sorgerecht als ausreichend an, um den Schutz des Fern­meldegeheimnisses auszuhebeln. Diesem grundrechtlich gesicherten Schutz wird in der Rechtsprechung ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt. Hierdurch sollen insbesondere auch Drittbeteiligte, die gegebenenfalls mit dem Kind in direkter Kommunikation standen, geschützt werden.

Was passiert eigentlich mit Daten oder Accounts bei Facebook oder Twitter wenn der betroffene Nutzer verstirbt?

Grundsätzlich gilt auch für solche Angelegen­heiten das gesetzliche Erbrecht, d.h. die Erben treten in die Rechtsposition des verstorbenen Nutzers ein. Problematisch ist allerdings, dass sich trotz massiv gestiegener Bedeutung des Internets noch immer kaum Nutzer über ihren sogenannten „digitalen Nachlass“ Gedanken machen. Die Hinterbliebenen wissen in der Regel nicht einmal, was der Verstorbene im Netz getan hat bzw. wozu er Zugang hatte. Das macht es natürlich extrem schwierig, diesen Nachlass abzuwickeln, z.B. persönliche Daten zu entfernen oder Informationen, die nicht weiter publik gemacht werden sollen, aus dem Netz zu nehmen. Hier empfiehlt es sich bereits testamentarisch entsprechende Regelungen zu treffen und die Zugangsdaten zu hinterlegen. Wir gehen derzeit immer mehr dazu über, auch in allgemeinen Testa­ments­beratungen auf dieses Thema hinzuweisen. Ge­mein­sam mit den Mandanten können wir so Lösungen entwickeln, die es den Erben einfacher machen, den Wünschen und Vorstellungen des Verstorbenen entsprechend zu handeln.

Weitere Informationen auch unter: www.dresden-familienrecht.de

Die Fragen stellte Helga Uebel

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