Provokant und meisterhaft

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In der Sonderausstellung „Caravaggio. Das Menschliche und das Göttliche“ in der Gemäldegalerie Alte Meister wird das außerordentliche Echo des Barockmalers in der Kunstgeschichte deutlich.

Er lebte ein bewegtes Leben und hinterließ ein äußerst fruchtbares Erbe. Kaum eine Figur in der Kunstgeschichte gibt so viel her wie der in Mailand 1571 geborene Michelangelo Merisi da Caravaggio. Im Mittelpunkt der neuen Sonderausstellung „Caravaggio. Das Menschliche und das Göttliche“ in der Gemäldegalerie Alte Meister steht das Gemälde „Johannes der Täufer“, das der Meister für die private Bildergalerie des römischen Adligen Ciriaco Mattei schuf. Der jüdische Wanderprediger war Gegenstand von mindestens acht Gemälden Caravaggios. Beachtung verdienen sie alle, besonders aber das Bild, auf das sich die Ausstellung konzentriert. Mit der Darstellung eines nackten Knaben, der einen Widder umarmt, geizt der Künstler nicht mit Provokationen. Der Figur fehlen alle Insignien, die normalerweise bei der Darstellung von Johannes des Täufers vorkommen. Auch gilt nicht ein Widder, sondern ein Lamm als dessen Motivtier. Der Widder war zudem als Symbol für Lust und Opfer bekannt. Der nackte Junge mit seinem schelmischen Grinsen scheint sich jedoch keinerlei sündhaften Verhaltens bewusst. Dem Meisterwerk aus den Kapitolinischen Museen in Rom werden im Rahmen der Ausstellungsreihe „Begegnungen“ verschiedene andere Werke aus der Gemäldegalerie Alte Meister gegenübergestellt. Dabei wird der Einfluss des römischen Barockmalers deutlich, vor allem durch seine kontrastreiche Hell-Dunkel-Malerei und die außergewöhnlichen Inszenierungen.

Francisco de Zurbarán, Gebet des Heiligen Bonaventura, 1628/29, © Gemäldegalerie Alte Meister, Foto: Estel/Klut
Treue Gefolgschaft

Grundlegendes Ziel der Ausstellung ist es also auch, die Einflüsse Caravaggios auf seine Zeitgenossen und Nachfolger aufzuzeigen. Dabei soll zweierlei dargestellt werden. Einerseits die schlichte Übernahme seines revolutionären Neuansatzes in die malerische Praxis. Anderseits wird aber auch erklärt, inwieweit das Studium der Caravaggio-Werke die Kreativität der Maler befeuerte. Obwohl Caravaggio meist allein arbeitete und keine Schüler hatte, gab es schon kurz nach seinem Tod 1610 treue Apologeten, die den Prinzipien des Meisters treu blieben. Einer der ersten war der Italiener Bartolomeo Manfredi, der entscheidend dazu beitrug, dass sich sogar Caravaggismus als Stilbezeichnung durchsetzte. Da Rom im 17. Jahrhundert das Zentrum der Malerei war, kamen die Künstler in die ewige Stadt, um die Lebensumstände und das Werk des Malers zu studieren. Viele dieser Künstler kamen aus den Niederlanden, wo sich bald die Utrechter Caravaggisten um Hendrick Terbrugghen, Gerard van Honthorst und Dirck van Baburen bildeten. So intensiv wie Caravaggio studiert wurde, so schnell war er dann doch wieder vergessen. Erst im 20. Jahrhundert wurde er wiederentdeckt. In Derek Jarmans wunderbaren „Caravaggio“ wurde der Künstler inzwischen auch filmisch verewigt. Die Aus stellung schreibt nun ein neues Kapitel in der zeitgenössischen Caravaggio-Rezeption.  

Caravaggio. Das Menschliche und das Göttliche

16. Oktober 2020 bis 17. Januar 2021
Gemäldegalerie Alte Meister

www.skd.museum

Text: Philipp Demankowski

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