Filmkritik „Der geheime Garten“: Die Magie bleibt auf der Strecke

Mary (Dixie Egerickx), Colin (Edan Hayhurst) und Dickon (Amir Wilson) genießen ihren Lieblingsplatz im geheimen Garten. Foto: © Studiocanal GmbH
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„Der geheime Garten“ kann den Charme des britischen Kinderbuchklassikers nur in Teilen auf die Leinwand übertragen.

Die Prämisse des Films ist eigentlich ziemlich tragisch. Im gleichnamigen Kinder- und Jugendroman „Der geheime Garten“ von Autorin Frances Hodgson Burnet, die auch den hierzulande so beliebten „kleinen Lord“ geschrieben hat, wird die Geschichte der zehnjährigen Mary erzählt, die zunächst im Indien des beginnenden 20. Jahrhunderts aufwächst, ihre Eltern zu Beginn des Films aber an eine Choleraepidemie verliert. Fortan lebt sie bei ihrem einzigen noch lebenden Verwandten Archibald Craven im englischen Hochmoor. Das von ihren Eltern vernachlässigte, aber dennoch verwöhnte Mädchen entdeckt bei ihren Spaziergängen außerhalb des seltsamen Landguts ihres Onkels irgendwann einen magischen Garten, der ihr dabei hilft, ihre Situation und auch die neuen Freunde nach und nach schätzen zu lernen. Es ist eine Geschichte, bei der man unweigerlich an den „Zauberer von Oz“ denkt, der in ähnliche magische Welten entführt. Leider misslingt es dem Film über weite Strecken, substanziellen Eindruck zu hinterlassen, sowohl hinsichtlich der emotionalen als auch der potenziellen magischen Momente.

Die Kinder machen es vor

Dabei geht der Film gut los. Nach dem Tod der Eltern verbringen wir die ersten Minuten mit der verwahrlosten Mary (Dixie Egerickx) im Anwesen der Familie in Indien. Es sind bedrücken – de Szenen, die jüngeren Zuschauern zu schaffen machen können. Doch sobald es nach Großbritannien geht und Mary in die Obhut ihres Onkels Archibald (Colin Firth) kommt, verliert der Film seine Dringlichkeit. Stark ist er aber, wenn die Kinderdarsteller miteinander agieren. Mary freundet sich mit ihrem kränklichen Cousin Colin (Edan Hayhurst) und Dickon (Amir Wilson), dem Bruder des Hausmädchens Martha (Isis Davis), an. Wenn Dickon mit seiner sprudelnden Energie Zugang zur Waise findet und auch dem trübsinnigen Colin mit neuem Lebensmut infiziert, ist das durchaus mitreißend.

Archibald Craven (Colin Firth) blickt melancholisch auf die Vergangenheit zurück. Foto: © Studiocanal GmbH
Verpasste Chancen

Colin Firth dagegen bleibt unter seinen Möglichkeiten, auch weil seinem Charakter kaum Raum zur Entfaltung gegeben wird. Dadurch kann der Film nie die emotionale Tiefe entwickeln, die nötig wäre, um von der allmählichen Aufweichung des grantelnden, natürlich auch vom Schicksal gebeutelten Archibald Craven wirklich bewegt zu werden. Das wäre nicht weiter schlimm, denn der eigentliche Star des Films kann ja nur der titelgebende Garten sein. Leider verpasst Regisseur Marc Munden die Chance, die Magie des Gartens in Bilder zu übersetzen. Die Ausmaße des verzauberten Ortes werden nie richtig deutlich und das CGI, das zur Illustration der farbenprächtigen Naturwunder verwendet wird, macht an manchen Stellen Spaß, überzeugt aber leider nicht immer. Das ist bei einigen der zahlreichen Film-Adaptionen des Stoffes deutlich besser gelungen. Zum Beispiel bei der 1993er Version von Agnieszka Holland oder beim Schwarz-Weiß-Film aus dem Jahr 1949, der in den Szenen im Garten plötzlich in Farbe erstrahlte.

Der geheime Garten

Regie: Marc Munden
Filmstart: 15. Oktober 2020
Text: Philipp Demankowski

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