Mehr Zeit für das Multitalent

© Viola Klein
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Viola Klein im Gespräch

Sie ist ein echter Tausendsassa. Viola Klein hat schon 1992 ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und mit Geschäfts­partner Andreas Mönch das Saxonia Bildungsinstitut gegründet. Die IT-Firma, die später in der Saxonia Systems AG aufging, hat nun den nächsten Entwicklungsschritt genommen und wird von der ZEISS Stiftung übernommen. Trotz des neuen Firmennamens Carl Zeiss Digital Innovation werden im Unternehmen auch weiterhin individuelle Softwarelösungen entwickelt. Viola Klein bleibt ihrer Firma treu, hat aber künftig mehr Zeit für ihre vielfältigen Nebenaktivitäten.

Den Dresdnern ist sie vor allem bekannt als Initiatorin der HOPE Gala, einer jährlichen Charity-Veranstaltung, die meist im Schauspielhaus Dresden stattfindet. Innerhalb von 14 Jahren wurden über 1,7 Millionen Euro zugunsten der Stiftung HOPE Cape Town gesammelt, mit denen aidskranke Menschen in Südafrika unterstützt werden. Doch die Planung der HOPE Gala 2020 steht aufgrund der Corona-bedingten Einschrän­kungen unter keinem guten Stern. Genug Stoff also für ein ausgedehntes Interview mit der gebürtigen Freibergerin, die zum Zeitpunkt des Interviews nach einer längeren Phase im Homeoffice das erste Mal wieder im Büro in Dresden weilte.

In diesen Zeiten sicher die wichtigste Nachfrage: Wie geht es Ihnen?
Viola Klein: Eigentlich geht es mir gut. Danke der Nachfrage.

Wie gehen Sie privat und beruflich mit der Corona-Krise um? Inwieweit hat sich der Alltag geändert?
Deutlich. Als „Außenministerin“ bei uns im Unter­nehmen bin ich normalerweise viel unterwegs. Das ist ja nun komplett weggefallen. Ich komme gar nicht mehr dazu, ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu führen, denn ich war die letzten Wochen nur im Homeoffice.

Die Geschäfte wurden also von zuhause geführt. Hätten Sie sich vorstellen können, dass die Kommunikation über Online-Video-Kanäle so gut funktioniert?
Damit hatten wir im Unternehmen noch nie Probleme, da wir ja seit fast zehn Jahren mitunter die entsprechenden IT-Angebote selber produzieren. Wir haben uns als digitales Unternehmen in der Software-Entwicklung etabliert, erarbeiten aber auch die Methodik dahinter. Für meine Mitarbeiter war das also kein Neuland. Da ich aber normalerweise ständig mit Menschen im Kontakt stehe, war es für mich persönlich schon eine riesige Umstellung.

Kurz vor der Corona-Krise wurde bekannt, dass Ihre Firma Saxonia Systems vom Optik- und Elektronikkonzern Carl Zeiss übernommen wurde. Warum dieser Schritt für das Unternehmen, das Sie mit aufgebaut und lange Jahre geführt haben?
Unser Unternehmen hat eine bestimmte Größe erreicht. Deshalb suchten wir einen solventen Partner, der die Expertise, die wir uns im Bereich Technologie erarbeitet haben, weiterentwickeln kann. Wir wurden weltweit von vielen Firmen angesprochen, haben uns dann aber für die Carl Zeiss Stiftung entschieden. Nicht nur, weil es ein deutsches Un­ternehmen ist, sondern auch wegen einer ähnlichen Werte­skala, etwa bezüglich der internen Zusammenarbeit, der Per­sonal­politik und dem Verhältnis zur Digitalisierung. Eine Rolle spielte aber auch, dass es sich bei der Carl Zeiss Stiftung um ein Stiftungsunternehmen handelt. Zudem gehört die Firma seit jeher zu unseren treusten Kunden. Wir haben schon viele Jahre lang zusammen Projekte realisiert. Entsprechend gab es bereits vorher schon ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis.

Hat Corona auch die Bekanntgabe des Abschlusses der Übernahme überschattet?
Wir hatten zur Feier des Eigentumsübergangs An­fang März eigentlich eine große Präsenz-Veranstaltung mit allen Mitarbeitern auch außerhalb Deutschlands geplant. Dieser Plan musste korrigiert werden, so dass wir uns nur virtuell getroffen haben. Das war ein ungewöhnliches Kennen­ler­nen, an das man sich gewöhnen muss. Die zwischen­mensch­liche Komponente fehlt dann schon.

Durch den Kauf firmiert das Unternehmen zukünftig unter einem neuen Namen. Ändert sich das Leistungsprofil von Saxonia Systems unter dem neuen Namen Carl Zeiss Digital Innovation?
Das Geschäftsmodell bleibt gleich. Wir werden den Anteil an Dienstleistungen für die Zeiss Group etwas erhöhen, so dass dieser bei 50 Prozent liegt. Aber die Arbeit mit den anderen Kunden bleibt gleich.

Kolportiert wurde auch eine Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden. Worin besteht diese genau?
Wir werden aus unserem Firmengebäude herauswachsen. Gemeinsam mit der TU Dresden werden wir einen Innovations-Hub errichten, der als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Forschung und unserem Unternehmen fungieren soll. Ziel ist es dabei, zukunftsweisende Technologien zu entwickeln und die Akteure zu vernetzen. Allerdings bin ich für konkreten Inhalte nicht mehr der richtige Ansprech­partner.

Foto: © Viola Klein

Welche Rolle spielen Sie denn ab sofort in der Firma?
Ich bin nach wie vor im Aufsichtsrat und werde der Firma in beratender Funktion weiter zur Verfügung stehen. Auch über das Jahresende hinaus.

Trotzdem bleibt Ihnen ab sofort mehr Zeit für andere Projekte. Sie sind den Dresdnern auch als Initiatorin der HOPE-Gala bekannt. Wie gehen Sie mit der Corona-Krise bei der Planung der Charity-Veranstaltung um? Können Sie schon Aus­sagen treffen, ob die Veranstaltung 2020 durchgeführt wer­den kann? Im üblichen Rahmen wird sie wohl nicht stattfinden?
Wir rechnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt damit, dass es bis zum Ende des Jahres keine große Veranstaltung geben kann. Falls dieser Fall tatsächlich eintritt, wollen wir spezielle Charity-Dinner-Veranstaltungen in Dresden, Berlin und München organisieren, um Spenden zu sammeln. Im Kura­to­rium habe ich bereits von vielen Mitgliedern die Zusage bekommen, dass sie uns dabei unterstützen wollen. Es geht uns wirklich darum, dass die Aufgaben, die wir uns bis Jahresende ge­stellt haben, kontinuierlich finanziert werden können.

Sie haben sicher Kontakt zu den Akteuren von HOPE Cape Town in Kapstadt. Wie geht es den Menschen in Südafrika?
Erst einmal generell: Wir werden unsere An­stren­gungen im Rahmen von HOPE für die Menschen in Südafrika keinesfalls eindämmen. Die Lockdown-Maßnah­men haben in Südafrika natürlich eine ganz andere Aus­wirkung als in Deutschland. Im Town­ship Blikkiesdorp leben beispielsweise zwischen 60.000 und 80.000 Menschen. Auf maximal 12 Quadratmetern wohnen in den Wellblechhütten zwischen drei und neun Personen. 50 Menschen teilen sich einen Wasserhahn und eine Toilette. Da kann man sich vorstellen, dass die Einhaltung akkurater Hygiene­maßnahmen schier unmöglich ist. Zudem haben Kriminalität und Gewaltexzesse drastisch zugenommen, da die Menschen nicht aus den Town­ships rauskommen. Aber das größte Problem ist derzeit der Hunger.

Können Sie mit der HOPE Cape Town auch unter den Lockdown-Bedingungen den Hunger wenigstens ein bisschen bekämpfen?
In Blikkiesdorp haben wir ein sehr aktives Kinderprojekt, mit dem wir die Kinder mit Therapeuten fit für die Schule machen. Diesen 60 Kindern haben wir auch ein Mittagessen zur Ver­fügung gestellt. Als dann alle Kinder­ein­rich­tun­gen schließen mussten, haben wir die Kinder trotzdem weiter bekocht. Zwangsläufig kamen immer mehr hungrige Kinder dazu, so dass wir jetzt für über 1.000 Kinder jeden Tag ein Mittag­essen kochen. Dazu gibt es ein Sandwich zum Abend­essen, einen Apfel und eine Flasche sauberes Wasser. Stefan Hippler, der Gründer von HOPE Cape Town, geht jeden Tag einkaufen. Dabei wählt er stets eine neue Route, damit die Transporter nicht überfallen werden. Die Kinder stellen sich dann in einer langen Schlange an, vorbildlich 1,5 Meter voneinander entfernt. Dabei wird gleich mit einem kontaktlosen Gerät Fieber gemessen. Es sind wirklich herausfordernde Zustände. Aber wir machen das Beste daraus.


Interview Philipp Demankowski

Für die Langfassung des Interviews empfehlen wir Ihnen un­seren brandneuen Podcast, in dem die vielseitige Unter­nehmerin auch auf ihre künftige Rolle als Honorarkonsulin von Finnland eingeht und darüber spricht, warum wir in Deutschland einiges von dem skandinavischen Land lernen können. Sie finden unseren topcast auf unserer Website oder dem Podcast-Anbieter Ihres Vertrauens.

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