Über Umgangsprobleme und Vorsorgeregelungen

David Oertel / Foto: Felix Posselt
0

Womit Rechtsanwälte in der Corona-Krise zu tun hatten

Der wochenlange Lockdown wegen der Corona-Pandemie hatte Einfluss auf fast alle Lebensbereiche. Auch Anwälte sahen sich bei ihrer Arbeit neuen Herausforderungen gegenüber und verzeichneten gleichzeitig mehr Nachfragen und Beratungsbedarf ihrer Mandanten beim Thema Familien- und Erbrecht. Top-Magazin Dresden sprach mit Rechtsanwalt David Oertel von der Dresdner Anwaltskanzlei Meyer-Götz, Oertel & Kollegen über Missbrauch im Umgangs­recht, die Arbeit der Justiz in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und den Kampf der Anwälte, als systemrelevante Berufsgruppe anerkannt zu werden.

In der Krise fiel häufig der Begriff der „systemrelevanten Berufe“. Gehören Sie als Anwälte offiziell zu dieser Gruppe?
Tatsächlich mussten wir länger kämpfen, damit wir in diese Gruppe aufgenommen werden. In Sachsen war zunächst nur die Justiz allgemein davon umfasst. Anwälte wurden dagegen nicht explizit aufgeführt. Doch wie funktioniert die Justiz ohne Anwälte? Ich denke da vor allem an Verfahren mit Anwaltszwang. Das hat uns das Berufsleben nicht unbedingt einfacher ge­macht, da auch unsere Mitarbeiter ihre Kinder nicht in die Not­be­treuung geben konnten. Zum Glück wurden nach einiger Zeit die Regelungen abgeändert, auch auf Druck der Rechtsanwalts­kam­mer hin.

Wie haben sich die Corona-Krise und der Lockdown auf das Familien- und Erbrecht ausgewirkt?
Sehr unterschiedlich. Eine Scheidungswelle, wie man vorher befürchtet hatte, haben wir aus unserer Sicht nicht feststellen können. Wir haben viele erbrechtliche Fragen bekommen und Fragen zu Vorsorge- und Patientenverfügungen. Große Aus­wir­kungen gab es allerdings beim Um­gangsrecht.

Wie sahen diese aus?
Es gab viele Fälle, in denen die Corona-Regelungen missbraucht wurden, indem Elternteile unter dem Vorwand der Kontakt­beschrän­kun­gen ihre Kinder vom anderen Elternteil ferngehalten haben. Ganz schwierig war das bei Auslands­bezügen, da gab es dramatische Fälle. Das größte Problem war die Quarantäne. Die Eltern hätten ihre Kinder im Ausland zwar gegebenenfalls besuchen können, hätten aber nach der Rückkehr 14 Tage in Quarantäne gehen müssen. Dies galt auch umgedreht. Dazu hatten wir viele Anfragen. Weiterhin wollten Mandanten wissen, ob Um­gangs­termine wahrgenommen werden können oder ob Kinder die Großeltern besuchen dürfen.

Haben Sie auch eine Zunahme an Gewaltdelikten bemerkt?
Eine direkte Zunahme an Gewalt haben wir bei uns in der Kanzlei nicht registriert. Darauf, wie es bei den Jugend­ämtern aussieht, haben wir allerdings keinen Einblick. Es ist gut möglich, dass Strafrechtskanzleien da mehr Zulauf haben. Bei uns im Familienrecht kann das natürlich noch kommen, da Gewalt in Familien nicht immer sofort aufgedeckt wird. Manche Betroffene sind erst nach mehreren Wochen dazu in der Lage und bereit, sich Hilfe bei einem Anwalt zu suchen.

Was raten Sie in so einem Fall?
Wenn Gewalt in der Familie auftritt, vor allem auch gegen Kinder, sollte immer das Jugendamt eingeschaltet werden. Auch über das Gewaltschutzgesetz können bei Gericht Anträge gestellt und Unterlassungsverfügungen beantragt werden. So können zum Beispiel Abstandsregelungen durchgesetzt werden. In jedem Fall sollte schnell agiert werden, denn häufig kann man Gewalt­delikte später nicht mehr nachweisen.

Was waren weitere Probleme, mit denen sich die Mandanten in der Corona-Krise an die Kanzlei gewandt haben?
Scheidungs­ver­fahren sind teilweise ausgesetzt worden. Diese Termine haben Gerichte nicht als zwingend notwendig angesehen, deshalb musste in manchen Fällen länger als geplant Trennungsunterhalt gezahlt werden. In Sachen Erbrecht gab es mehr Fragen zur Testaments­gestaltung und An­fragen zu Patien-tenverfügungen. Darunter war sehr oft das Thema der künstlichen Beatmung, weil es im Zuge der Pandemie häufig in den Medien angesprochen wurde. In solchen Fällen können wir die Mandanten dahingehend beraten, wie sie ihren persönlichen Wunsch möglichst rechtssicher hinterlegen können.

Wie hat sich die Corona-Krise allgemein auf die Justiz ausgewirkt?
Die Gerichte haben die Fälle weitestgehend bearbeitet, nur die mündlichen Verhandlungen oder Anhörungen waren ein Problem. Dort hat man sich auf ganz eilige Sachen be­schränkt. Insgesamt hat es viele Verzögerungen gegeben. In Sachsen ging das sogar noch alles sehr gut. Ich hatte aber auch Fälle in Bayern, die wurden komplett und längerfrisitg verschoben, wodurch es zu massiven Verzögerungen kam. Mittlerweile sind die Gerichte dabei, alles aufzuholen. Zudem haben sowohl Behörden als auch Anwaltskanzleien vor der Frage gestanden, ob Mandanten persönlich vorbeikommen können oder nicht.

Wie wurde das bei Ihnen in der Kanzlei gehandhabt?
Wir sind technisch gut ausgerüstet. Wir konnten daher fast alle Beratungen per Skype oder telefonisch abhalten. Auch Konferenzen waren so möglich. Das wurde sehr gut angenommen. Einige Mandanten fragen auch jetzt noch an, ob die nächsten Termine wieder so stattfinden können.

Wie haben Sie die Zeit des Lockdowns innerhalb des Kollegen­kreises bewältigt?
Wir haben unsere normalen Öffnungszeiten aufrecht erhalten, haben aber im „Schichtsystem“ gearbeitet. Es gab Mitarbeiter, die erst abends in die Kanzlei gekommen sind. Soweit es möglich war, haben wir auch Homeoffice gemacht. Das betraf vor allem die Anwälte. Ihnen haben wir relativ freie Hand bei der Einteilung ihrer Zeit gelassen und das hat sehr gut funktioniert. Ich habe gemerkt, dass man durch solch eine Krise mehr zusammenrückt. Im Endeffekt war es vor allem Learning bei Doing. Jeder Anwalt hat sich eine „Notfall-Mappe“ mit nach Hause genommen, für den Fall der weiteren Verschärfungen, zu denen es zum Glück nicht gekommen ist.

Meyer-Götz, Oertel & Kollegen –
Ihre Anwaltskanzlei für Familien-und Erbrecht
Königstr. 5a, 01097 Dresden
Telefon 0351 80 81 80
www.meyer-goetz-oertel.de

Interview: Ute Nitzsche

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X