Theaterkritik „Der Kirschgarten”: Die Angst vor dem Aufbruch

Foto: Sebastian Hoppe
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Die tragische Komödie „Der Kirschgarten”, 1903 vollendet, spielt um die Jahrhundertwende in einer russischen Gesellschaft, welche die Leibeigenschaft 1861 überwunden hat und vor weiteren großen Umbrüchen steht.

Der Wandel folgt dann 1905 und 1917 mit der Russischen Revolution. Anton Tschechow selbst erlebt diese grundlegenden Veränderungen nicht mehr. Er stirbt 1904, ein halbes Jahr nach der Uraufführung von „Der Kirschgarten” an Tuberkulose. Tschechows Großvater kaufte die Familie bereits 1841 aus der Leibeigenschaft frei. Sein Vater, zu diesem Zeit punkt 16-jährig, kannte das Leben in Leibeigenschaft und Freiheit. Die Figur des Emporkömmlings Lopachin ist wesentlich davon beeinflusst.

Heimkehr
Zu Beginn des Stücks wartet dieser Lopachin (Oliver Simon) gemeinsam mit dem Dienstmädchen Dunjascha (Karina Plachetka) auf die Ankunft des Zuges. Die Herrin des Anwesens mit dem herrlichen Kirschgarten kehrt nach fünf Jahren in Paris zurück auf das Landgut. Für Ranjews kaja (Anja Laïs) ist es eine Rück – kehr zum Ort der glücklichen Kindheit, aber auch des Verlustes ihres Gatten und Sohnes. Viel hat sich verändert in diesen fünf Jahren, in der Heimat, aber auch für Ranjewskaja im fernen Paris. Ein Liebhaber hat ihren Besitz durchgebracht, der teure Lebenswandel ist nicht mehr finanzierbar. Doch dies wird verdrängt, die Schulden steigen immer weiter.

Gut ohne Zukunft
Auch das Gut mit dem Kirschgarten kann nicht weiter finanziert werden, doch die Gutsbesitzerin und ihre Familie verharren untätig und verdrängen, dass eine Veränderung unvermeidlich ist. Lopachin, früher leibeigen, inzwischen ein erfolgreicher Kaufmann, bietet seine Hilfe an, da er sich der Ranjewskaja verbunden fühlt, die ihn einst als Kind tröstete. Er schlägt vor, den Kirschgarten zu parzellieren und an Städter als Wochenendsitz zu verpachten. Doch sein Vorschlag wird abgewiesen …

Die Darsteller haben sichtlich Vergnügen an ihren Rollen. Die Zuschauer können hier klassisches Theater in einer wunderbaren Ensemble-Leistung genießen, bei dem Anja Laïs (Ranewskaja), Henriette Hölzel (Adoptivtochter Warja) und Eva Hüster (Tochter Anja) besonders stark in Erinnerung bleiben.   

Der Kirschgarten von Anton Tschechow,
aus dem Russischen von Elina Finkel, Dauer: ca. 2 Stunden und 50 Minuten, eine Pause, Schauspielhaus Dresden, Theaterstraße 2, 01067 Dresden Spielplan, Karten etc. unter: www.staatsschauspiel-dresden.de

Text: Jörg Fehlisch

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