Filmkritik „The Farewell“: Der lange Abschied

Fotos: © Photo by Nick West, © DCM A24
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Regisseurin Lulu Wang inszeniert in The Farewell eine Culture-Clash-Komödie der etwas anderen Art.

Am Anfang war die Lüge. Die in New York aufgewachsene, aber in China geborene Billi (Awkwafina), ist einigermaßen irritiert. Bei ihrer geliebten Oma, ihrer Nai Nai, wird Lungen – krebs im Endstadium diagnostiziert, doch sie weiß nichts da – von. Die Familie will die Krankheit der eigentlich noch recht rüstigen Rentnerin gegenüber verheimlichen, damit sie den Rest ihres offenbar nicht mehr allzu langen Lebens nicht in Angst leben muss. Die geplante Hochzeit von Billis Cousin Hao Hao aus Japan wird kurzerhand als Vorwand genutzt, um noch mal die ganze Familie an den großmütterlichen Tisch in der chinesischen Metrople Changchun zu holen. Billi soll aufgrund ihres arg emotionalen Charakters eigentlich in New York bleiben, weil die Eltern es ihr nicht zutrauen, zu schweigen. Doch darüber setzt sich die gerade mit versperrten Karriereoptionen hadernde Billi hinweg.

Fotos: © Photo by Nick West, © DCM A24
Tai Chi im Alter

Fortan entspinnt sich eine amüsante, aber stets zu Herzengehende Familienkomödie, bei der die aufeinanderprallenden Kulturen einmal nicht dafür genutzt werden, billige Gags hervorzubringen. Bewohner der westlichen Hemisphäre werden stattdessen behutsam mit chinesischen Ritualen und der da – hinter stehenden Kulturphilosophie vertraut gemacht. Billis Onkel Haibin begründet die in China übliche, gut gemeinte Lüge in einer herzergreifenden Szene damit, dass es die Pflicht der Familie ist, der Sterbenden die Bürde der Todesangst abzunehmen. Damit würde der Großmutter gleichzeitig auch für ihre Lebensleistung gedankt werden. Das klingt nach viel Tragik. Lustig ist „The Farwell“ trotzdem. Das liegt vor allem an dem gar nicht mal so heimlichen Star des Films: die chinesische Schauspielerin Shuzhen Zhao als Nai Nai. Ob die 75- Jährige ihre Tai Chi-Künste zum Besten gibt, den Charakter der Anwesenden süffisant kommentiert oder am Grab des verstorbenen Gatten nochmal kurz darüber nachdenkt, welchem Familienmitglied denn man das Beste wünschen könnte. Immer sorgt sie mit ihrem einnehmenden Lächeln für die besten Lacher.

Fotos: © Photo by Nick West, © DCM A24
Ganz viel Wahrheit

Wie bei vielen der besten Geschichten steckt auch im Plot von „The Farewell“ ganz viel Wahrheit. Billi steht stellvertretend für Regisseurin Lulu Wang, deren Großmutter an Krebs erkrankte. Als die Regisseurin in einer amerikanischen Fernsehsendung von ihrer Irritation angesichts der verheimlichten Krankheit erzählte, traten die Produzenten mit der Bitte an sie heran, aus dem Stoff doch einen Film zu machen. Herausgekommen ist eine durchweg sympathische Tragikomödie, deren tragischer Anteil nie übertrieben kitschig daherkommt, durch den subtil melancholischen Unterton aber umso mehr berührt.  

The Farewell

Regie: Lulu Wang, Filmstart: 19. Dezember 2019

Text: Philipp Demankowski

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