Spielzeit Nummer 1

Kathrin Kondaurow, Intendantin der Staatsoperette Dresden / Foto: © Esra Rotthoff
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Im Gespräch mit Kathrin Kondaurow,
Intendantin des Staatsoperette Dresden

Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich Kathrin Kon­daurow, die neue Chefin an der Dresdner Staatsoperette, nicht beklagen. Ihre erste Spielzeit als Nachfolgerin des lang­jährigen Intendanten Wolfgang Schaller wird in der Dresdner Kulturlandschaft mit großem Interesse verfolgt. Die kritischen Stimmen, die nach der Ernennung 2017 laut wurden, sind in­zwischen verstummt. Zumal an der Leidenschaft für das Sujet der Operette kaum ein Zweifel besteht. Ihre Liebe zum Musik­theater hat die gebürtige Berlinerin schon früh beim Klavier­spielen entdeckt. Ab 2005 vertiefte sie ihr Wissen beim Stu­dium der Musikwissenschaften in Weimar und Jena. Zudem studierte sie Kulturmanagement, Jura und französische Lite­ratur­wis­sen­schaft. Bereits während der Hochschulzeit war sie in verschiedenen Bereichen des Theaters engagiert, was ihr heute zu­gute kommt. Ab 2011 war sie am Deutschen National­theater in Weimar tätig, zunächst als Assistentin des Opern­direktors und der Dramaturgie, ab der Spielzeit 12/13 als Musik-­theater­drama­turgin. Nun also Dresden. Wir trafen die neue Intendantin in ihrem Büro im Verwaltungsgebäude der Staatsoperette nach der ersten Premiere der diesjährigen Spielzeit, der Revue „HIER und JETZT und HIMMELBLAU“, die von Publikum und Presse ausgesprochen positiv aufgenommen wurde.

Auch wenn die Verkündung der Intendanz ja nun auch schon wieder zwei Jahre her ist. Wenn Sie zurückblicken: Was hat Sie damals dazu bewogen, sich für die Stelle an der Staats­operette zu bewerben?
Da gab es mehrere Gründe. Zum einen ist die Staatsoperette das einzige genuine Operettenhaus im deutsch­sprachigen Raum. Ein echtes Unikat. Und dazu noch in einer Stadt wie Dresden, die kulturell ja sehr vielfältig aufgestellt ist und dementsprechend viele Potenziale für Kooperation und Inspiration bietet. Dazu kommt die Veror­tung in diesem fantastischen Spielort, dem Kraftwerk Mitte. Hier ist ein Thea­ter-Neubau entstanden, der viele Reibungs­punkte bietet zwischen dem vielerorts zu Unrecht als verstaubt wahrgenommenen Genre der Operette und den atmosphä­risch-baulichen Möglichkeiten eines Industriebaus.

Inwieweit setzen Sie die Traditionen an der Staats­operette im Programm fort?
Wir als Theaterschaffende stehen ja alle vor der Aufgabe, das Theater weiterzuentwickeln. Im Musik­theater ist das noch einmal eine ganz spezielle Heraus­forde­rung, zumal die Grenzen unseres Kanons etwas fixierter sind als etwa im Schauspielbereich. Das betrifft die Stoffe, aber auch die Kompositionen. Und natürlich werden die Traditio­nen am Haus weiterhin gepflegt. Wir stehen für hochwertiges Unter­hal­tungstheater mit einem vielfältigen Operetten- und Musical­reper­toire. Darauf sollen die Dramaturg*innen übrigens auch bei der Stückproduktion aktiv fortwirken. Bei „Fol­lies“, unserer nächsten Premiere, spielt die Geschichte des Hauses zum Bei­spiel auch eine große Rolle. Trotzdem darf man sich neuen Ideen gegenüber nicht verwehren.

Kathrin Kondaurow, Intendantin des Staatsoperette Dresden / Foto: © Esra Rotthoff

Und in welchem Bereich gibt es Neuerungen?
Konkret bei „Follies“ arbeiten wir stark mit multimedialen Inhalten. Es gibt eine Kamera, die permanent Bilder produziert, die im Stück Verwendung finden. Auch vorproduzierte Filme gehören zum Szenenbild. Da gibt es jede Menge Ansätze. Generell finde ich ohnehin, dass im Gegensatz zur landläufigen Meinung, das Genre der Operette sehr gut geeignet ist, zeitgenössische theatrale Ansätze auszuprobieren. Das interessiert mich auch persönlich. Wir müssen uns die Frage stellen, was gute, gegenwärtige Unterhaltung ist. Dabei darf man auch keine Scheu vor Ansätzen aus Event- und Pop­kultur haben. Dazu kommen bei uns Ideen wie das Gesprächs­format „Late Night Mitte“, das gewissermaßen als Zusatz zu den großen Premieren funktioniert.

Trägt diese Öffnung auch dazu bei, ein neues Publikum für das Programm der Staatsoperette zu interessieren?
Natürlich darf man die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass unser Publikum älter wird. Ein jüngeres Publikum kann man vielleicht eher mit einer zugänglicheren, der Unterhaltung verpflichteten Form des Musik­thea­ters erreichen als mit der großen Wagner-Oper. Und tatsächlich habe ich das Programm meiner ersten Spielzeit auch an diesen Gedanken orientiert. Die Produktions-Teams werden dazu er­muntert, neue ästhetische Formen auszuprobieren. Auch be­zie­hen sich viele Premieren explizit auf den Standort Dresden. Zugleich gibt es natürlich noch andere Kom­ponenten, die für die Öffnung stehen. Unsere ästhetisch-grafische Neuauf­stel­lung von Website und Logo spielt dabei eine Rolle. Aber auch die In­ten­sivierung der Kommunikation über Social-Media-Kanäle, durch die wir dazu beitragen können, dass Publikum und Theaterleute enger zusammenrücken. Zudem können die Zuschauer auch mal in das Leben hinter dem Vorhang hereinschnuppern.

Spiegeln die neuen Produktionen auch gesellschaftliche Entwicklungen und Probleme wider? Oder regiert der reine Eskapismus?
Für uns ist es unbedingt wichtig, dass die Stücke thematisieren, was uns umgibt. Auch in der Stadtgesell­schaft. So beschäftigen wir uns etwa bei unserer „Casanova“-Ver­sion im nächsten Jahr mit der Bedeutung von Männlich­keits­bildern. Kulturelle Bildung spielt ohnehin eine große Rolle im Haus. In diesem Zusammenhang ist unser theaterpädagogisches Engagement zu nennen, das uns gezielt in die Schulen führt, aber auch die Auseinandersetzung mit der NS-Ver­gan­genheit der Staatsoperette. Wir wollen gesellschaftlich relevante Stoffe erarbeiten, die aber auch unterhalten. Das ist ein klares Be­kenntnis, das ja auch von Kollegen wie Peter Theiler an der Sem­peroper oder Joachim Klement am Staatsschauspiel getragen wird.

Wie wird sich die Zusammenarbeit mit dem Theater der Jungen Generation weiterentwickeln?
Sehr positiv, denke ich. Wir sind jetzt in den Gesprächen für eine weitere gemeinsame Produktion in der Saison 2020/21, was nicht immer ganz einfach ist, da wir unterschiedliche Spielzeitkalender haben. Aber die Kolleginnen und Kollegen sowohl vom TJG als auch von der Staatsoperette haben ein großes Interesse an gemeinsamen Projekten signalisiert. Sichtbares Zeichen der Zusammenarbeit ist ja auch die gemeinsame Foyergestaltung im Haus. Kooperationen sind aber auch mit anderen Kulturinstitutionen bereits auf den Weg gebracht worden. Etwa mit dem Heinrich-Schütz-Konser­va­torium oder mit der benachbarten Hochschule für Musik Dresden Carl Maria von Weber, die ja allein schon dadurch mit uns verbunden ist, dass einige Studentinnen und Studenten an der Staatsoperette engagiert sind.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in der ersten Spielzeit!

Staatsoperette Dresden
Kraftwerk Mitte 1, 01067 Dresden
Informationen, Spielplan & Karten
unter: www.staatsoperette.de

Interview: Philipp Demankowski

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