Auf nach Russland: Peters Vermächtnis
Wir folgten im Mai spontan einer Einladung nach Russland. Das Komitee für Tourismusentwicklung von Sankt Petersburg organisierte für deutsche Journalisten, Reiseblogger und Reiseveranstalter eine FAM Tour, die überraschend viele positive Eindrücke rund um das Erbe von Peter dem Großen hinterließ.
Stern im Norden
Archaisch erhebt sich die ehemalige Zarenstadt aus dem Morast, da wo sie einst als riesiges Prestigeprojekt und Antwort auf die europäischen Metropolen dieser Welt von Peter dem Großen errichtet worden war. Entgegen aller Prophezeiungen vom Untergang der Stadt aufgrund ihrer sumpfigen Lage im Flussdelta entwickelte sich Sankt Petersburg in gerade einmal drei Jahrhunderten zu einer würdigen Vorzeige-Metropole. Dabei gab es neben vielen Höhenflügen auch fatale Krisen, die es zu überwinden galt. In den 90ern drohte dem ehemaligen Leningrad der Verfall aufgrund der Mangelwirtschaft in der Sowjetunion. Zum 300. Geburtstag nutzte Putin die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexportgeschäft für eine umfangreiche Sanierung der Stadt. Russische Oligarchen und eine wachsende Mittelklasse investierten u.a. in die Hotellerie und Gastronomie, was Sankt Petersburg eine hochmoderne Innenstadt bescherte.
Heute boomt und blüht die Metropole an der Newa in voller Pracht und kann auf ein unglaublich reiches Erbe an Kunst, Kultur und Architektur zurückschauen. Zarenkultur, sozialistischer Realismus und europäischer Lifestyle liegen dicht beieinander und verleihen der Stadt ihren außergewöhnlichen Charme. Sankt Petersburg präsentiert sich seinen Gästen als beeindruckendes Gesamtkunstwerk mit italienischem Charme, denn die vielen Wasserwege, die durch die Stadt führen, erinnern Romantiker an die bekannte Lagunenstadt in Italien, was ihr auch den Beinamen Venedig des Nordens bescherte.
Peters Glanz & Gloria
Alles erscheint um ein Vielfaches größer als gewohnt: Ewig breite Straßen führen an monumentalen, klassizistischen Meisterwerken vorbei, die nach westlichem Vorbild erbaut wurden, an Kathedralen im altrussischen Mosaikstil mit den typischen Zwiebeltürmen bis hin zu prächtigen Schlossanlagen, die an weitläufige Parks grenzen und selbst dem Sonnenkönig Konkurrenz gemacht hätten. Understatement war also nicht unbedingt ein Wesenszug von Peter dem Großen, der wie Ludwig XIV. viel Prunk und noch mehr Gold liebte. Am Rande der Stadt ragen gewaltige Gebäudekomplexe wie Festungen aus dem Boden, so als wollten sie die Stadt vor weiteren Gefahren schützen. Im größten Land dieser Erde funkelt die Metropole im Norden wie ein Stern am Firmament. Besonders in den Weißen Nächten während der Sommermonate geht etwas beinahe Magisches von der Kulturhauptstadt aus, wenn sie sich im dämmrigen Licht wie eine Fata Morgana in der Wasseroberfläche der Newa widerspiegelt. In jeder Nacht öffnen sich 22 Brücken für mindestens vier Stunden, um große Schiffe passieren zu lassen – feierlich begleitet von klassischer Musik berühmter russischer Komponisten wie Tschaikowski oder Mussorgski.
Stil & Etikette
Sankt Petersburg ist unmöglich in ein paar Tagen auszukundschaften, ist doch allein die Anzahl an historischen Sehenswürdigkeiten und Museen einfach zu hoch. Am besten ist es, man beginnt mit einer Bootstour und gewinnt einen ersten Eindruck von der Größe der Stadt. Bei einem gemütlichen Spaziergang durch das Zentrum am Newski Prospekt kann man die lebendige Atmosphäre aus Straßenmusikern und Pantomimekünstlern zwischen Jugenstil-Kaufhäusern, kleinen Ladengalerien und hochmodern eingerichteten Cafés und Restaurants genießen, die sowohl Einheimische als auch Touristen anziehen. Die Sankt Petersburger selbst zeigen ganz im Sinne von Peter dem Großen gern, was sie haben. Auffallend edel oder extravagant gekleidet, ist die Wirkung nach außen eher stolz und leicht unterkühlt. Und tatsächlich werden die Mentalitätsunterschiede schon beim ersten Kennenlernen ersichtlich. Was bei uns als höflich gilt, muss nicht in Russland gelten. Ein erstes Lächeln öffnet bei uns Tür und Tor, doch auf die russische Seele wirkt es eher befremdlich. Gewinnt man jedoch einmal das Herz dieser Menschen, soll man einen Freund fürs ganze Leben haben, wird gesagt.
Kunst & Genuss
Wir haben Glück mit karibischen Temperaturen, was wohl eine absolute Ausnahme in der sonst so launischen Metropole ist. Man sagt, eine Sankt Petersburgerin hat immer drei Sachen bei sich, wenn sie das Haus verlässt: einen Regenschirm, eine Sonnenbrille und Gummistiefel. Und tatsächlich ist es keine Seltenheit, dass das Wetter bis zu fünf Mal am Tag umschlägt. Unser Programm ist straff getimt und vollgepackt mit Kultur-Highlights wie der Palastanlage Peterhof, dem Katharinenpalast in Zarskoje Selo (Stadtteil Puschkin), der Peter-Paul-Festung am Ufer der Newa, der Isaakskathedrale mit grandiosem Ausblick auf die Stadt, der Christi-Auferstehungskirche mit ihren bunten Zwiebeltürmen sowie die weltberühmte Eremitage und selbstverständlich das Fabergé-Museum. Aus aktuellem Anlass (FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018) wurde spontan ein Kurzbesuch des Sankt-Petersburg-Stadions möglich gemacht.
Interessante Einblicke in die russische Seele gab auch das Neue Museum für moderne Kunst Erarta mit einer originellen Sammlung aus Gemälden, Skulpturen und Installationen zeitgenössischer Künstler. Nicht verpassen sollte man eine Fahrt mit der Metro Linie 1, deren Stationen Kirowski Sawod, Awtowo und Puschkinskaja zu den schönsten der Welt zählen. Jede Station ist individuell gestaltet, einige sind mit prachtvollen Ornamenten verziert, andere durch Mosaikwände verschönert. Die Genusslandschaft ist tendenziell eher von der europäischen Küche bzw. deren Vorstellung und Interpretation davon geprägt. Man findet in Sankt Petersburg eine Vielzahl an stylischen Locations, deren Besuch allein schon ein Erlebnis ist. Traditionelle Restaurants, in denen russische Klassiker wie Borchtsch (Krautsuppe), Blinys (Pfann-kuchen) oder Piroschki (gefüllte Teigtaschen) serviert werden, muss man allerdings länger suchen. Wird man fündig, kann man sich über eine schmackhafte, herzhaft-saure Küche in einem Ambiente wie aus einem russischen Märchenfilm freuen.
Druschba!
Reist man in einen der beiden Leuchttürme von Russland, wird man vor allem eins sein: erstaunt über die Vielfalt und Reichtümer dieser Stadt. Die Entfernungen zwischen den unzähligen Sehenswürdigkeiten sind nicht alle zu Fuß zurückzulegen, weshalb die Fahrt mit dem Aquabus oder der Metro sinnvoll ist. Ein bisschen Zarenluft kann man bereits im Altenburger Residenzschloss schnuppern, wo ein Gemälde von Katharina der Großen und eins von ihrem Sohn Paul I. zu sehen sind. Einer seiner Töchter war übrigens die Großmutter von Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg. Die deutsche Geschichte ist also eng mit der russischen verwoben und reicht sogar bis ins Heilige Römische Reich zurück. 2016 feierten die Partnerstädte Dresden und Sankt Petersburg ihr 55. Jubiläum. Beide Kulturhauptstädte pflegen ihre Beziehung seit den 60ern mit regelmäßigem Austausch von Schülern und Studenten und diversen wissenschaftlichen, kulturellen sowie geschäftlichen Begegnungen.
Text: Sabine Dittrich