Geplatzte Träume

Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke von Henriette Dushe; v.l.: Ursula Hobmair, Hannah Jaitner, Luise Aschenbrenner, Imogen Kogge / Foto: Sebastian Hoppe
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„Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke“ bringt eine Familiengeschichte auf die Bühne am Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.


Eine Aus­reise aus der DDR und ihre Begleit­er­schei­nungen aus Sicht der beteiligten Mutter und Töchter bilden die Grundlage des Stücks „Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke”. Der vormals lebenshungrige Vater, treibende Kraft zur Ausreise der Familie, fehlt inzwischen. Er ist verstummt, kollabiert, irgendwie verloren gegangen: nie richtig an­ge­kommen in dem West­deutsch­land, in das er so große Hoff­nun­gen setzte. Auch die übrigen Fami­lien­­mitglieder haben offenbar Scha­den ge­nom­men. Die vier Töchter und ihre Mut­ter versuchen, jede aus der eigenen Erin­nerun­g heraus, zu er­klä­ren und zu verstehen, was ge­schehen ist.

Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke; v.l.: Hannah Jaitner, Ursula Hobmair, Luise Aschenbrenner, Fanny Staffa, Imogen Kogge / Foto: Sebastian Hoppe

Schikane, Listen und Erwartungen

Aus den einzelnen Erzählungen wird deutlich, wie die Töchter in der DDR-Schule aufgrund der Aus­reise­pläne der Eltern drangsaliert und gede­mütigt wurden, wie die Staatssicherheit die Familie überwachte, der Vater endlos Listen von Dingen erstellte, die in das neue Leben mitgenommen werden sollen. Die Ängs­te der Familie, der Ablauf der kurzfristig genehmigten Ausreise mit dem Zug, die Hoffnungen auf ein besseres, bunteres, freies Leben werden veranschaulicht. Die großen Erwar­tungen erfüllen sich jedoch im Westen nicht, die Familie zerbricht. Zweifel, ob die Entscheidung, die DDR zu verlassen richtig war, haben alle Frauen. Die Mutter (Imogen Kogge) verspricht ihren Töch­tern: „Es wird alles wieder gut werden, hört ihr?” Daran glauben mag aber offenbar keine von ihnen mehr.

Luise Aschenbrenner, Imogen Kogge / Foto: Sebastian Hoppe

Überzeugendes Spiel im Kleinen Haus

Luise Aschenbrenner, Ursula Hobmair, Hannah Jaitner, Imogen Kogge und Fanny Staffa beeindrucken durchweg in der glaubhaft emotionalen Darstellung ihrer Figuren (Regie: Babett Grube). Die Bühne am Kleinen Haus des Staats­schau­spiels Dresden ist dabei schlicht ge­staltet. Große Ventila­to­ren warten im Hin­tergrund auf ihren Einsatz, von der Decke he­rab wird ein Stoff gezogen, ähnlich der Hülle eines Heiß­luft­ballons, auf und unter dem die Schau­spiele­rinnen agieren (Bühne: Sarah Methner).

Einen Besuch des Stückes von Henriette Dushe (geb. 1975 in Halle/Saale) kann man nur empfehlen, eine DDR-Biografie hilft sicher beim Ver­ste­hen: Ein Theatergast aus Österreich hingegen wirkte nach dem Schluss eher ratlos.    

Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke

von Henriette Dushe,
im Kleinen Haus, Glacisstraße 28, 01099 Dresden
Dauer der Aufführung: ca. 1 Stunde und 15 Minuten. Keine Pause.
Termine etc. unter www.staatsschauspiel-dresden.de

Text: Jörg Fehlisch

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