Geplatzte Träume
„Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke“ bringt eine Familiengeschichte auf die Bühne am Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.
Eine Ausreise aus der DDR und ihre Begleiterscheinungen aus Sicht der beteiligten Mutter und Töchter bilden die Grundlage des Stücks „Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke”. Der vormals lebenshungrige Vater, treibende Kraft zur Ausreise der Familie, fehlt inzwischen. Er ist verstummt, kollabiert, irgendwie verloren gegangen: nie richtig angekommen in dem Westdeutschland, in das er so große Hoffnungen setzte. Auch die übrigen Familienmitglieder haben offenbar Schaden genommen. Die vier Töchter und ihre Mutter versuchen, jede aus der eigenen Erinnerung heraus, zu erklären und zu verstehen, was geschehen ist.
Schikane, Listen und Erwartungen
Aus den einzelnen Erzählungen wird deutlich, wie die Töchter in der DDR-Schule aufgrund der Ausreisepläne der Eltern drangsaliert und gedemütigt wurden, wie die Staatssicherheit die Familie überwachte, der Vater endlos Listen von Dingen erstellte, die in das neue Leben mitgenommen werden sollen. Die Ängste der Familie, der Ablauf der kurzfristig genehmigten Ausreise mit dem Zug, die Hoffnungen auf ein besseres, bunteres, freies Leben werden veranschaulicht. Die großen Erwartungen erfüllen sich jedoch im Westen nicht, die Familie zerbricht. Zweifel, ob die Entscheidung, die DDR zu verlassen richtig war, haben alle Frauen. Die Mutter (Imogen Kogge) verspricht ihren Töchtern: „Es wird alles wieder gut werden, hört ihr?” Daran glauben mag aber offenbar keine von ihnen mehr.
Überzeugendes Spiel im Kleinen Haus
Luise Aschenbrenner, Ursula Hobmair, Hannah Jaitner, Imogen Kogge und Fanny Staffa beeindrucken durchweg in der glaubhaft emotionalen Darstellung ihrer Figuren (Regie: Babett Grube). Die Bühne am Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden ist dabei schlicht gestaltet. Große Ventilatoren warten im Hintergrund auf ihren Einsatz, von der Decke herab wird ein Stoff gezogen, ähnlich der Hülle eines Heißluftballons, auf und unter dem die Schauspielerinnen agieren (Bühne: Sarah Methner).
Einen Besuch des Stückes von Henriette Dushe (geb. 1975 in Halle/Saale) kann man nur empfehlen, eine DDR-Biografie hilft sicher beim Verstehen: Ein Theatergast aus Österreich hingegen wirkte nach dem Schluss eher ratlos.
Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke
von Henriette Dushe,
im Kleinen Haus, Glacisstraße 28, 01099 Dresden
Dauer der Aufführung: ca. 1 Stunde und 15 Minuten. Keine Pause.
Termine etc. unter www.staatsschauspiel-dresden.de