Filmkritik „Bad Luck Banging or Loony Porn“: Triptychon der Verlogenheit
Bad Luck Banging or Loony Porn des rumänischen Regisseurs Radu Jude ist eine Sensation. Mit radikaler, aber stets unterhaltsamer Experimentierfreude nimmt er nicht nur die rumänische Gegenwart auseinander.
Der Ausgangspunkt ist das Sextape der Lehrerin Emi Cilibiu (Katia Pascariu), das unbeabsichtigt im Internet landet und zu einem verlogenen Sturm der Entrüstung der Eltern führt. Dass der rumänische Regisseur Radu Jude das Video ungefiltert zeigt, ist nur der erste Hinweis für die sensationelle Radikalität, die der Film an den Tag legt. Das betrifft sowohl Inhalt als auch Form, denn „Bad Luck Banging or Loony Porn“ ist als Triptychon gegliedert und bietet dazu noch drei verschiedene Enden, wobei vor allem das letzte mit einer rigoros feministischen Geste in Erinnerung bleiben wird. Dem Film gelingt es bei aller Wut stets unterhaltsam zu bleiben, was angesichts des Themas eine echte Leistung ist. Viele Kritiker sehen den Film als Satire, aber dafür ist er eigentlich nicht überzeichnet genug. Handlung und grundlegende Atmosphäre sind viel zu nah dran an der Realität. Das Lachen bleibt den Zuschauern im Hals stecken, wobei die Buchstäblichkeit dieser gerne gebrauchten Floskel noch einleuchtender wird, wenn erst mal das angesprochene Ende über die Leinwand gelaufen ist.

Alptraum Bukarest
Im ersten Teil begleitet die Kamera Emi in einer Art Stadtrundgang aus der postsozialistischen Hölle auf ihren Wegen durch die rumänische Hauptstadt mit all ihren Auswüchsen. Überall ist es laut, die Prunkbauten aus der Ceaușescu-Ära sind baufällig, dafür aber mit kapitalistischen Insignien vollgekleistert. Kleine, aber heftige Streitigkeiten kommen im Minutentakt vor, entladen sich in regelrechten Hasstiraden. Obszönitäten sind an der Tagesordnung. Niemand nimmt Rücksicht. Die Kultur dagegen stirbt einen langsamen Tod. Das Kino Bukarest verfällt, während der Buchhändler sich über Gräueltaten aus dem 19. Jahrhundert lustig macht. Das rumänische Tourismusamt wird nicht allzu begeistert sein von diesem Film, aber eigentlich ist dieser erste Teil die Diagnose einer erkrankten Zivilisation ohne Solidarität, eine Analyse, die gleichwohl auch auf andere Länder übertragen werden kann.
Groteske Empörung
Unterbrochen wird die eigentliche Handlung im zweiten Teil von einer Reihe bebilderter Lexikoneinträge, die mal angewidert, mal lakonisch, mal mit unverstelltem Ernst die Schwachstellen der rumänischen Gegenwart bloßstellen. Militär und Kirche bekommen ihr Fett weg, aber auch die Wucherungen der postdigitalisierten Gesellschaft. Die Bilder dafür findet Radu in Geschichtsarchiven, zum Großteil aber im unendlichen Fundus der Amateurmaterialsammlungen im Internet. Im dritten Teil schließlich wird Emi in einer prozessartigen Versammlung der entrüsteten Elternschaft vorgeführt, die wiederum in ihrer Zusammensetzung überdeutlich die rumänische Gesellschaft spiegelt. Es entspinnt sich ausgehend von der verlogenen Sexualmoral eine Empörungsdiskussion, die Bildungssystem und Wissenschaftsphilosophie, aber auch Holocaust, Homophobie und schließlich Antisemitismus und Antiziganismus streift. Für zusätzliche Absurdität sorgen die überall sichtbaren Spuren der Corona-Pandemie. Alle tragen ziemlich lächerliche Masken mehr oder weniger richtig und im Hintergrund muss fleißig desinfiziert werden, da am nächsten Tag das Gesundheitsamt kommt. Ein Film, der schmerzt, aber Spaß macht, und den Goldenen Bären 2021 bei der Berlinale wohl zu Recht gewonnen hat.

Bad Luck Banging or Loony Porn
Regie: Radu Jude, Kinostart: 8. Juli 2021
Redaktion: Philipp Demankowski