Von Konstruktion und Ideologie – Rassismus-Ausstellung im Hygiene-Museum

Imperial Federation Map of the World Showing the Extent of the British Empire in 1886 (Ausschnitt), Hersteller: Walter Crane (1845-1915) Aus der Sammlung: Cornell University - PJ Mode Collection of Persuasive Cartography
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Die Sonderausstellung „Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen“ im Deutschen Hygiene- Museum erklärt Ursprünge und gegenwärtige Wirkungszusammenhänge der Ideologie.

Kein Tag ohne Rassismus-Eklat: Auch in unserer aufgeklärten liberalen Gesellschaft vergehen keine 24 Stunden ohne Nachrichten, die die Problematik zumindest anschneiden. Dabei wird eines deutlich. Rassismus ist auch in Deutschland kein Relikt der Vergangenheit. Der Terminus wird allerdings oft mit Absicht vermieden, um Assoziationen mit der NS-Vergangenheit gleich von Vornherein aus dem Weg zu gehen. Stattdessen wird von Xenophobie oder Fremdenfeindlichkeit gesprochen. Es ist kein Ausnahmephänomen, wenn der Bericht der Arbeitsgruppe von Sachverständigen der Vereinten Nationen zu Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland 2017 konstatiert: „Während Menschen afrikanischer Abstammung eine vielfältige Gruppe sind, kennzeichnen Rassismus, negative Stereotypisierung und struktureller Rassismus ihren Alltag.“ Auch Diskriminierungen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt kommen immer wieder vor.

Ursprung in der Aufklärung

Die Sonderausstellung „Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen“ im Deutschen Hygiene-Museum nimmt sich dem Thema nun von mehreren Seiten aus an. Sie argumentiert einerseits historisch, indem sie sich mit der wissenschaftlichen Erfindung von „Menschenrassen“ seit dem 18. Jahrhundert beschäftigt. Damit schafft sie die Grundlagen, um die Ideologie und ihre Auswirkung auf das Heute überhaupt zu verstehen. Ein großer Teil der Ausstellung widmet sich deshalb natürlich auch der Gegenwart, in der Menschen nach wie vor mit Rassismus und unterschiedlichen Formen von Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt konfrontiert sind. Das Hierarchien schaffende Konzept menschlicher „Rassen“ entstammt ursprünglich dem Ordnungsdenken der Aufklärung, und es ist tief in die Denk- und Wahrnehmungsstruktur der europäischen Moderne eingedrungen. Die Ausstellung analysiert die Bilder und Medien, mit denen dieses Denken popularisiert wurde, und sie beschreibt seine geopolitischen Auswirkungen seit dem Zeitalter des Kolonialismus.

Ambivalente Geschichte

Im Haus wird aber auch die eigene ambivalente Geschichte nicht ausgespart. Ein eigenes Kapitel ist der Rolle des Deutschen Hygiene-Museums im Nationalsozialismus gewidmet, das aktiv an der Ausarbeitung und propagandistischen Verbreitung „rassehygienischer“ Ideen beteiligt war. Die Ausstellung arbeitet die Wirkmächtigkeit des Konstrukts von „Rassen“ auch für eine Gesellschaft heraus, in der der Begriff selbst weitgehend geächtet ist. Es geht ihr also weniger um die Geschichte eines gefährlichen Wortes als um die Anatomie einer langlebigen Idee. Sie beschreibt Rassismus als Ideologie und als alltägliche Praxis und sensibilisiert die Besucherinnen und Besucher so für seine bewussten und unbewussten Funktionsweisen. Rassismus verletzt und gefährdet nicht nur Individuen, sondern bis heute auch die Ideale menschlicher Gleichheit und Freiheit, die unserer demokratischen Gesellschaft zugrunde liegen. Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog, der von Klaus Vogel, dem Direktor des Hygiene-Museums und der Kuratorin Susanne Wersings herausgegeben wurde. Anhand von Bildern, Objekten und Displays aus der Ausstellung werden ungefähr 100 Fragen zur Geschichte der Rassenkonstruktion und Rassenideologie beantwortet.

Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen im Deutschen Hygiene-Museum

noch bis 6. Januar 2019
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
www.dhmd.de

Text: Philipp Demankowski

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