Holger John: SCHNEE VON MORGEN
Wer sich mit Kunst in Dresden beschäftigt, dem ist auch sein Name geläufig. Holger John ist ein Multitalent, der nicht nur als Maler und Grafiker, sondern auch als Veranstalter bisweilen obskurer Formate im Dresdner Kulturleben Spuren hinterlassen hat. Seine Wurzeln sind vielgestaltig. Aufgewachsen auf der Insel Usedeom hatte der Sohn des kürzlich verstorbenen Zeichners und Autors Joachim John schon früh einen Zugang in die Welt der Kunst. Bald erlernte er das sogenannte Freidreherhandwerk in den Keramischen Werkstätten Marwitz bei Hedwig Bollhagen, einer Erfahrung, von der er auch heute noch zehrt. Später studierte er an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, machte sein Diplom bei Ralf Kerbach und assistierte unter anderem Jörg Immendorff. Wir trafen den Künstler in seinen eigenen Ausstellungsräumen – der Galerie Holger John im Dresdner Barockviertel, in der zum Zeitpunkt des Interviews noch die Schau „Frauen können auch malen!“ hing. Die Ausstellung, die natürlich mit Augenzwinkern zu verstehen ist, brachte unter anderem Werke von Elvira Bach oder Eva-Maria Hagen das erste Mal nach Dresden. So vielgestaltig wie die Ausstellung ist auch sein Blick auf den Dresdner Kunstbetrieb, wie er uns im Gespräch zu verstehen gab.
Was macht für Sie ein Künstlerleben aus?
Holger John: In der Kunst gibt es weder ein Rezept noch einen Königsweg. Dementsprechend vielfältig sind auch die Künstlertypen. Da gibt es zum Beispiel die Sportkünstler, wie ich sie immer gerne nenne. Das sind diejenigen Künstler, die einen guten Teil ihrer Zeit dem Antragstellen und dem Zurechtmachen für den Kunstmarkt widmen. Dann gibt es die leisen, in sich gekehrten Künstler, die einfach nur arbeiten wollen. Es ist ein wirklich großes Spektrum an verschiedenen Typen. Ich kann jedem Künstler nur empfehlen, auch ein solides Handwerk auszuprobieren. Ich habe ja bei Hedwig Bollhagen das Töpfern erlernt, habe mich gewissermaßen vom damaligen Freidreher zum heutigen Freiläufer entwickelt. Das war schon ein Knochenjob! Man lernt aber das richtige Maß für die Arbeit, was letztlich auch dem Kunstschaffen zugutekommt.
Ist denn Dresden ein guter Ort, an dem diese verschiedenen Künstlertypen zusammenkommen können?
Klar gibt es in Dresden eine Kunstszene. Allerdings gilt der Spruch nach wie vor, dass Künstler, die etwas werden wollen, Dresden verlassen sollten. Die Vielfalt ist doch arg begrenzt in unserer Provinzstadt aller Provinzen. Immer nur Puppenstubenbarock geht nicht. Die Stadt ist ziemlich auf sich selbst fixiert. Vielleicht hat das etwas mit dieser Senkenlage zu tun. Dresden ist wie ein Cognacschwenker. Wer raus will, rutscht immer wieder runter. Wer es doch über den Rand schafft, erlebt dann mal ein ganz anderes Stück Lebenswirklichkeit. Davon zehrt man dann eine ganze Weile und setzt es bestenfalls in der Kunst um, wenn man wieder in die Dresdner Gemütlichkeit zurückgekehrt ist.
Kann man als Künstler und Galerist trotz der Dresdner Selbstbezogenheit arbeiten?
Das bringt natürlich auch seine Vorteile. Man muss miteinander auskommen. Dresden hat eigentlich ein enormes Potenzial für Künstler. In Berlin hätte ich niemals mitten in der Stadt eine solche Galerie eröffnen können. Man kann Projekte nicht nur denken, sondern auch durchführen. Hinzu kommt, dass der Dresdner Bildungsbürger durchaus neugierig ist. Auch landschaftlich kann man der Stadt ihre Qualitäten nicht absprechen. Die relativ unverbaute Flusslage ist einmalig in Europa. Und das italienische Licht in der Stadt hat schon so manchen Künstler verzaubert.
Die Galerie Holger John gibt es nun seit 2013. Wie lebt es sich als Galerist?
Ich bin mit großem Spaß bei der Sache. Auch weil das Betreiben einer Galerie ein gewisses Maß an Verantwortung mit sich bringt. Ich trage mit meinen Ausstellungen ja zur Gesellschaftsunterhaltung bei. Aber eigentlich spiele ich den Galeristen nur. Immer wenn ich den Hut aufsetze, nehme ich die Rolle des Galeristen ein. Ist er abgesetzt, bin ich Künstler. Oder umgekehrt. Wichtig ist es, dass man sich den Blick von außen bewahrt. Sonst sieht man die Schlingpflanzen nicht, die von ganz allein kommen und die einen leicht vereinnahmen.
Was muss ein Ausstellungsprojekt mit sich bringen, damit es Sie überhaupt interessiert?
Sowohl als Galerist als auch als Künstler darf man keine Angst haben. Auch nicht davor, dass man mit einigen Projekten auch mal potenzielle Ausstellungsbesucher vor den Kopf stößt. Mich interessieren vor allem die Geschichten hinter der Kunst. Die aktuelle Ausstellung „Frauen können auch malen!“ hat mit einem zugegeben provokanten Titel natürlich sofort für Aufsehen gesorgt. Manchmal muss man eben auch mal auf die Pauke hauen, wenn man sich ins gesellschaftliche Leben einmischt. Das macht mir Spaß. Eine Spur Verrücktheit und die Lust daran, etwas zu schaffen, gehören einfach dazu. Gern erinnere ich mich an die Ausstellung mit den Bildern syrischer Flüchtlingskinder aus dem Jahr 2015, die ich mit Kulturagentin Heike Jack auf die Beine gestellt habe. Da gibt es derzeit im Kulturrathaus eine Fortsetzung.
Im Barockviertel konzentrieren sich viele Galerien. Eine gute Sache?
Holger John: Absolut. Klar. Das ist natürlich besonders für die Besucher attraktiv. Man kann viel Kunst in kürzester Zeit und im kleinen Umkreis sehen. Mit der ,,Langen Nacht der Galerien und Museen” im Neustädter Barockviertel versuchen wir das Interesse ja nochmal zu stärken und einen einfachen Zugang zu bieten.
Ist die Galerie Holger John eine Galerie für alle Besucher?
Am liebsten habe ich es, wenn Kinder in die Galerie kommen. Die haben noch keine Verbotsschilder im Kopf. Die Kinder haben einen unverstellten Blick auf die Kunst. Das ist jedes Mal aufs Neue erfrischend. Aber generell kann ich wirklich sagen, dass ich Besucher aus allen Bevölkerungsschichten begrüßen kann. Auch die Oma von nebenan ist immer ein gern gesehener Gast. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Zur Vernissage der Ausstellung „Frauen können auch malen!“ war die Galerie so voll, dass ich fast selbst nicht mehr reingekommen bin.
Und was kommt als nächstes?
Die neue Ausstellung widmet sich dem Werk von Priscilla Ann Siebert geborene Thornycroft. Die Londonerin lebt seit 1952 in Dresden und hat im letzten Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert. Im Vorfeld hat sie uns schon besucht und darauf bestanden, die Treppe ins Obergeschoss alleine hochzugehen. Das hat schonmal hervorragend geklappt!
www.galerie-holgerjohn.de
Interview: Philipp Demankowski