Frische Brise im Stadtmuseum

Foto: © Museen der Stadt Dresden, Sophie Arlet
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Das kann man schon einmal festhalten: Christina Ludwig ist mit viel Herzblut bei der Sache. Die Vogtländerin ist seit Anfang April Nachfolgerin von Erika Eschebach, der langjährigen Direktorin des Stadtmuseums Dresden, die in den Ruhestand getreten ist.

Beim Gespräch in ihrem Büro im Dresdner Landhaus, das bekanntermaßen sowohl das Stadtmuseum als auch die Städtische Galerie beherbergt, sprüht sie vor Tatkraft. Mit ihren Ideen hat sie auch die Findungskommission um Gisbert Porstmann, den Direktor der Museen der Stadt Dresden, und Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) überzeugt. Ideen, die auch bei der Generalsanierung des Naturalienkabinetts Waldenburg gefordert waren, das sie zuvor seit 2015 leitete. Erst im letzten Jahr erhielt sie mit dem Team für diese neuen Impulse den Sächsischen Museumspreis

Übrigens: Für die Langfassung dieses Interviews empfehlen wir Ihnen unseren Podcast topcast, in dem Christina Ludwig näher auf die Rolle der Museumspädagogik und auch auf beispielhafte Museen anderer Städte eingeht. Sie finden den topcast hier oder beim Podcast-Anbieter Ihres Vertrauens.

Top: Herzlich willkommen in Dresden. Haben Sie sich schon im neuen Amt eingelebt?

Christina Ludwig: Mehr oder weniger. Auch bei uns gibt es die berühmten ersten 100 Tage, in denen man die Mitarbeiter*innen und die Strukturen kennenlernen will. Das hat nun alles nicht so geklappt wie geplant, denn ich habe mitten im Shutdown angefangen zu arbeiten. Es gab keine normale Bürosituation und die Mitarbeiter*innen waren im Homeoffice verteilt. Ich musste mich also erstmal mit dem Haus auf Distanz auseinandersetzen, musste das Telefon und Video-Konferenzen nutzen, um einen ersten Einblick zu bekommen. Das ist natürlich alles andere als optimal, eröffnet aber mitunter auch neue Perspektiven. Inzwischen sind wir auch alle wieder im Haus und ich kann langsam anfangen, umfänglich an der alltäglichen Arbeit zu partizipieren.

Top: Nun hat das Museum aber wieder geöffnet. Unter welchen Einschränkungen? Und wie sind die Reaktionen der Besucher?

Christina Ludwig: Wir haben uns an den gängigen Empfehlungen orientiert. Was für den Einzelhandel gilt, setzen auch wir in den Museen in Dresden um. Dazu gehört natürlich die Mundschutzpflicht (Stand Ende Mai, Anm. d. Red). Wir achten akribisch auf die Besucherzahlen, so dass wir die geforderte Maximalauslastung nicht überschreiten. Dabei hilft uns auch eine eigene App, die unser Wachpersonal nutzt. Man kann bei uns im Landhaus, also dem Stadtmuseum und der städtischen Galerie, alles anschauen, außer einige wenige interaktive Angebote. Der Besucher*innenstrom ist verständlicherweise noch verhalten, wird aber von Woche zu Woche besser. Ich kann aber gerade jetzt nur dazu ermuntern, ins Museum zu kommen. Man hat jetzt wirklich die Möglichkeit, in Ruhe die Exponate zu begutachten und ohne Trubel auf sich wirken zu lassen.

Top: Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, sich für die Stelle zu bewerben? Warum denken Sie, hat sich die Findungskommission für Ihre Bewerbung entschieden?

Christina Ludwig: Ich bin eigentlich keine Freundin vom Führen großer Häuser, da dort oft unbewegliche Strukturen vorherrschen. Ich brauche Agilität beim Arbeiten, möchte Projekte schnell und am Puls der Zeit umsetzen. Nachdem ich in Waldenburg meine Träume hinsichtlich innovativer, musealer Konzepte umsetzen konnte, wollte ich eigentlich erst einmal etwas kürzertreten und mich der Forschung zuwenden. Aber bald hat sich dann doch der Wunsch manifestiert, aktiver mitzugestalten. Hinzu kommt, dass ich sehr eng mit der sächsischen Museumslandschaft verbunden bin. Wenn man andere Bundesländer betrachtet, dann gibt es dort sehr dynamische Entwicklungen im Museumsbereich. Die Stadtmuseen in Sachsen hängen da aus meiner Perspektive hinterher. Und ich will helfen, diese Lücke zu schließen. Mit diesen Ideen bin ich dann in das Gespräch mit der Findungskommission gegangen. Dabei habe ich kein Konzept präsentiert, das bis ins Kleinste ausgearbeitet ist, sondern eher Strukturgedanken, die mich bewegen.

Top: Ein großes Projekt wird die Neukonzeption der Dauerausstellung sein. Nach welchen Prämissen wollen Sie diese Transformation umsetzen? Und auf welche Erfahrungen können Sie bauen, die sie schon bei der Generalsanierung des Naturalienkabinetts in Waldenburg genutzt haben?

Christina Ludwig: Wir müssen uns erst einmal neu sortieren, denn uns ist natürlich schon klar, dass es jetzt nach Corona so schnell keine Neukonzeptionierung geben kann. Wir zeigen uns da solidarisch, denn andere Baustellen in der Stadt haben in dieser Situation jetzt einfach Vorrang. Nichtsdestotrotz werden wir diese Phase nutzen, um uns mit uns selbst zu beschäftigen. Dazu gehören für mich auch die Lehren, die ich aus der Generalsanierung in Waldenburg gezogen habe. Ich habe etwa gelernt, dass wir nichts Neues nur aus uns selbst heraus entwickeln können. Auch ein so qualifiziertes und hochmotiviertes Team, wie wir es hier im Stadtmuseum haben, braucht Einflüsse von außen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, was wir sein wollen und was wir für Funktionen für die Stadt gesellschaft übernehmen wollen. Gerade in Dresden ist das eine spannende Frage, denn die Stadt ist geprägt von gesellschaftlichen Umwälzungen. Wir müssen für uns entscheiden, wie stark wir in diesem Prozess beteiligt sein wollen.

Top: Sie wollen also an die kulturpolitischen Debatten in der Stadt anknüpfen?

Christina Ludwig: Das kann ich nicht vollumfänglich beantworten. Entgegen der landläufigen Meinung ist es eben nicht so, dass Direktor*innen allein entscheiden. Das ist eine überholte Perspektive. Direktor*innen moderieren und helfen dem Team, zu entschieden. Wir loten gemeinsam in einem demokratischen Prozess aus, wie wir partizipieren wollen. Denn damit ist auch immer eine Belastung verbunden, die schlussendlich auch die Mitarbeiter*innen zu tragen haben. Das ist ja eine Frage, mit der sich die ganze internationale Museumslandschaft beschäftigt: Wie neutral können Museen sein?

Top: Können Sie uns bereits einen Ausblick darauf geben, was für Sonderausstellungen demnächst geplant sind?

Christina Ludwig: Fest steht, dass wir nachhaltiger und tiefgründiger arbeiten wollen. Das bedeutet konkret, dass wir unser Ausstellungsprogramm entschleunigen. Es wird größere und längere Ausstellungsprojekte geben, die auch kollaborativer konzipiert sind. Wir setzen auf Meta-Themen, die den Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erlauben, die aber immer mit der Stadtgeschichte zu tun haben. Konkret können sich die Dresdner*innen bei uns im Haus als nächstes auf die Tabakindustrie-Ausstellung freuen, die aufgrund von Corona in diesem Jahr anstelle unserer Weihnachtsausstellung ab Ende November 2020 läuft.

Interview: Philipp Demankowski  

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