Was bedeutet Luxus heute?

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„Luxus ist, wenn das Haben das Sein im Überfluss ertränkt.” – Thom Renzie (*1959), Lehrer

Ohne Brot kein Kuchen
Es ist noch gar nicht so lange her, da stellte man sich unter Luxus einen übertrieben glamourösen Lebensstil wie den der Münchner Schickeria in den 80er Jahren vor, deren Party-Eskapaden durch über­eifrige Boulevardjournalisten noch befeuert wurden. Das Publi­kum setzte sich aus einem exklusiven Kreis prahlerischer Selbst­darsteller und Sprücheklopfer zusammen, meist aus reichen Fa­milien stammend oder als erfolgreicher Unternehmer, extravaganter Künstler oder renommierter Prominenter dazugesellt. Geht man weiter in der Geschichte zurück, beeinflusste vermutlich kein anderer Mensch die Vorstel­lung von Luxus mehr als der Sonnen­könig Ludwig XIV! Mit seinem ausschweifenden Lebens­­stil und prunkvollen Bauwerken wie dem Schloss Versailles, die unter seinem Regime geschaffen wurden, prägte er den Begriff ,,Luxus” wie kein zweiter. Auch ein paar Jahr­zehnte später wurden noch opulente Feste in Versailles gefeiert, wäh­rend ganz Paris am Hunger­tuch nagte. Die berühmte Aus­sage von Frank­reichs Köni­gin Marie Antoinette: „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Kuchen essen!“ zeigte einmal mehr, wie weit entfernt die königliche Denk­weise von der Realität ihres Volkes gewesen ist. Die Klassen­unterschiede bestimmten schon damals die subjektive Wahr­neh­mung. Was für den einen selbstverständlich ist, kann für den anderen unerschwinglich sein. Solange der Reichtum einiger weniger auf der Armut vieler anderer aufgebaut wird, bleibt eine Welt, in der jeder diesselben Chancen be­kommt und die Materie gerecht geteilt wird, leider eine schöne Utopie.

Haben ist S(ch)ein
Klar ist man gerne bereit, auf das Exis­tenzminimum zu verzichten, wenn man im Luxus lebt, scherzte schon der US-amerikanische Arzt und Essayist Oliver Wendell Holmes. Ganz selbstverständlich assoziierte man bis vor wenigen Jahren einen luxuriösen Lebensstil vor allem mit erfolgreichen Männern in maßgeschneiderten Anzügen und schnellen Autos oder gepflegten Frauen in eleganten Kleidern, die in teuren Villen sitzen und so überteuerten Schmuck trugen, das man davon einige Familien in der dritten Welt über Jahre satt bekommen hätte. Doch der Begriff Luxus ist einem gesellschaftlichen Wandel unterzogen. Für jeden offenbart sich Luxus heute als etwas anderes – wie die Zauberfee, die jedem seinen ganz persönlichen Wunsch erfüllt. Für die einen ist Zeit der größte Luxus: Zeit für sich, für die Familie und Zeit, die man mit guten Freunden verbringt. Die anderen gönnen sich regelmäßig den Luxus, schick essen zu gehen.

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Systemrelevanter Luxus
Die Kunst ist ein Luxusgut, das vielleicht nicht notwendig ist, um zu überleben, aber umso wichtiger auf vielen anderen Ebenen wird. Sie beflügelt uns und weist uns neue Wege. Sie zeigt uns, wer wir wirklich sind und wer wir sein können. Was wäre eine Welt ohne Kunst, Theater, Tanz und Musik? Es gäbe keine Inspiration, Poesie, Fantasie und schon gar keinen Erfindergeist. Die Kunst schafft Freiräu­me und stellt Fragen, ohne die sich uns der Sinn des Lebens niemals er­schließen würde. Ohne Kunst lebten wir in einer trostlosen Welt ohne Hoffnung auf Besserung. Es wäre eine Welt ohne Sinn. Eine Welt, in der wir alle versuchten, unsere innere Leere mit Konsum­gütern oder ekstatischen Erlebnissen aufzufüllen. Oder wie die französisch-amerikanische Künstlerin Louise Bourgeois so treffend sagte: „Ohne die Kunst wären wir alle verrückt.“

Luxus ist ein Privileg
Der Begriff „Luxus“ ist sehr dehnbar geworden und erfordert eine gründliche Reflexion über das eigene Leben und die persönlichen Privilegien, die wir in unserer Wohl­stands­gesell­schaft genießen. Diese Privilegien offenbaren sich oft erst dann als solche, wenn man sie nicht mehr hat. Die Freiheit, zu sagen, was man denkt oder täglich ein warmes Bett und eine nahrhafte Mahlzeit zu haben, sind nicht für jeden selbstverständlich. Mit der Änderung unserer äußeren Welt kommt auch der innere Wandel auf leisen Sohlen (und manchmal auch auf klappernden Ab­sätzen!). Prestige durch geerbte Titel oder kostspielige Imagekampagnen sowie unan­gemessener Etiket­ten- und Standes­dünkel gehören immer mehr der Ver­gangenheit an und werden durch Origina­lität, Authenti­zität und Qualitäts­be­wusst­sein abgelöst. Es ist, als wäre zumindest ein Teil der Gesell­schaft erwacht und würde versuchen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.

Genug ist ein Vermögen
Heute ist weniger einfach mehr. Das Bewusstsein löst die Gier ab. Wir versuchen zu bewahren, was wir haben und wir schützen, was wir lieben. Tragen wir die Verantwortung für die Welt, die wir unseren Kindern hinterlassen. Schenken wir unseren Nächsten die Aufmerksam­keit und Wertschätzung, die wir selbst gern hätten. Machen wir uns bewusst, dass der größte Luxus auf der Welt uns bereits von Geburt an geschenkt wurde und dennoch mit keinem Geld der Welt zu bezahlen ist: die Zeit, die wir am Leben sein dürfen!

Redaktion: Sabine Dittrich

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