Ulrich Finger: „Man sollte diesen Job ein bisschen hemdsärmelig machen.“

Foto: © Cornelia Normann
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Mit 15 Jahren im Amt ist Ulrich Finger länger Geschäftsführer der Dresdner Messe als seine vier Vorgänger zusammen. Seine Arbeit macht er laut eigener Aus­sage vor allem „mit gesundem Men­schen­­verstand“. Im Juni 2023 will der Dresdner nun in den Ruhestand gehen. Das Top Magazin Dresden sprach mit ihm über persönliche High­lights, über Bruce Springsteen und die Rolling Stones und warum die Stadt eine Kunstmesse braucht.

Wie haben Sie bei der Messe angefangen?
Ich war schon seit 1994 in verschiedenen Aufgaben bei der Stadt Dresden beschäftigt, z.B. als Mittler zwischen Stadt und Investor bei der Ansiedlung von Siemens und AMD. Auch beim Bau des Kongresszentrums, der Ansiedlung von VW in der Gläsernen Manufaktur sowie beim Dynamo-Stadion war ich beteiligt und auch hier beim zweiten Bauabschnitt der Messe. 2008 hat man mich dann angesprochen, ob ich die Stelle des ­Geschäfts­führers der Messe interimsmäßig übernehme, bis sie neu besetzt ist. Das ist jetzt 15 Jahre her. Es ist, wenn man so will, der Höhe­punkt meines Arbeitslebens, weil ich hier selbstständig entscheiden kann und mehr Freiheit habe als bei der Beschäftigung in der Stadtverwaltung.

Wie hat sich die Messe in diesen Jahren entwickelt? Welche Projekte haben Sie angestoßen?
Als ich hierherkam, gab es vier Hallen und den Erlwein-Saal. Als Erstes habe ich damals zusammen mit dem heutigen Oberbürgermeister Dirk Hilbert den Saal Hamburg auf den Weg gebracht, später haben wir die Börse dazu genommen. Als der Kulturpalast geschlossen wurde, ist die Garderobe im Keller der Halle 1 mit der Slaughterhouse 5-Gedenkwand entstanden und die Halle 1 wurde akustisch und optisch ertüchtigt. Damals waren wir eine Messe mit vier Hallen, heutzutage sind wir zu 50 Prozent Messe und zu 50 Prozent Veranstaltungshaus.

Gibt es persönliche Highlights, die Ihnen besonders im Ge­däch­tnis geblieben sind?
Highlights sind sicher die Messen, die wir selbst entwickelt haben, also die DRESDNER OSTERN mit der Orchideen­schau und auch die room+style. Für mich persönlich ist immer eine Kunstmesse ein besonderer Höhepunkt, denn es war schon immer mein Wunsch, einmal eine Art Independent-Kunstmesse, die nicht kuratiert ist, zu veranstalten. Das ist ein echtes Alleinstellungs­merkmal bei uns, und die Besucher sind dankbar, dass es dort völlig ungezwungen zugeht. Ich glaube, dass Dresden so etwas braucht. Deshalb haben wir vor sechs Jahren die Neue Art-Kunstmesse ins Leben gerufen. Außerdem ist für die Zukunft noch die Erweiterung der Messe in Richtung Osten mit dem Erlwein­turm und einer zusätzlichen 800 Quadratmeter großen Halle als Projekt in der Planung.

Die letzten Jahre waren geprägt von Krisen wie der Flücht­lingskrise, Corona und dem Ukraine-Krieg. Wie haben Sie die Messe durch diese schwierigen Zeiten gebracht?
Eigentlich waren nur die letzten zwei, drei Jahre kompliziert. Erst kam Corona, aber da gab es Homeoffice, Kurz­arbeit und Ausgleichszahlungen. Schwieriger fand ich die Zeit, als wir rund 500 Flüchtlinge aus der Ukraine beherbergt haben. Das war zwar an sich überhaupt kein Problem, aber das ist eben nicht unser Business. Das eigentliche Problem war vielmehr, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass auch diese schwierigen Umstände irgendwann vorbeigehen.

Gibt es irgendeine Sache, die Sie während Ihrer Zeit als Geschäftsführer gerne realisiert hätten, die aber nicht zustande gekommen ist?
Konzerte von Bruce Springsteen und den Rolling Stones in der RINNE.

Haben Sie versucht, die nach Dresden zu holen?
Ja! Aber keine Chance. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Wir haben versucht, dem Management unsere Flutrinne für ein Konzert quasi zu schenken, aber die haben überhaupt nicht darauf reagiert. Aber DAS hätte ich wirklich gerne noch hier gehabt.

Bis Juni sind Sie per Vertrag noch Geschäftsführer der Messe, danach gehen Sie in den Ruhestand. Was steht denn für die letzten Monate noch auf dem Plan?
Auf dem Plan steht das normale Programm, z.B. die Reisemesse, die KarriereStart, die Modelleisenbahn-Messe, die Messe HAUS und die Dresdner Ostern. Wir haben außerdem noch eine Menge Events und Konzerte. Worauf ich mich sehr freue, ist, dass wieder Konzerte in der Flutrinne stattfinden. Die Nach­frage ist für 2023 riesengroß.

Ein Nachfolger in Ihrem Amt steht noch nicht fest. Was möchten Sie ihm oder ihr trotzdem schon mit auf den Weg geben?
Gelassenheit! Man sollte so einen Job vielleicht ein bisschen hemdsärmelig machen und nicht zu verbiestert. Ich sehe, dass wir hier in der Messe nicht mit allen Veranstaltungen schwarze Zahlen schreiben, z.B. mit der Kunstmesse und der room+style. Aber wir verdienen Geld mit vielen anderen Sachen, sodass wir uns das leisten können. Und das ist wiederum gut für Dresden. Ich würde mir wünschen, dass mein Nachfolger diese Gelassenheit mitbringt, zu sagen, dass etwas gut ist für die Stadt, für die Leute und für die Messe.

Haben Sie schon persönliche Pläne für Ihren Ruhestand?
Auch das sehe ich entspannt. Meine Frau und ich haben drei Enkel hier in Dresden, die uns ziemlich in Beschlag nehmen. Wir werden viel reisen. Ich möchte z.B. noch einmal nach San Francisco, weil das eine tolle Stadt ist. Wir haben weiterhin einige Rückzugsorte, beispielsweise ein Hotel an der Ostsee und gleich hier in der Nähe einen Dreiseitenhof, der von Freunden bewirtschaftet wird. Da brauche ich nur eine halbe Stunde und bin weg aus der Welt. Ich hoffe auch, dass ich wieder mehr Zeit zum Malen haben werde. Ich habe noch viele unbemalte Rahmen herumstehen.

Werden Sie auch irgendetwas vermissen an Ihrem Job?
Den Job. Ich werde mich nicht in die Ecke stellen und ein paar Tränen verdrücken, aber es ist wirklich ein Traumjob, für den ich sehr dankbar bin.

Interview: Ute Nitzsche

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