Handwerkskammer Dresden: Handwerk als Motor für mehr Nachhaltigkeit

Dr. Andreas Brzezinski und Jörg Dittrich / Foto: © Hanitsch Fotografie
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Das Handwerk geht voran in Sachen Nachhaltigkeit. Und das schon aus historischer Perspektive. Wie tief Prinzipien wie Ressourcenschonung und verlängerte Lebenszyklen von Produkten im Handwerk verankert sind, erklären Dr. Andreas Brzezinski, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden, sowie Jörg Dittrich, der Präsident der Interessensvertretung im Doppelinterview.

Top: Was hat das Handwerk mit Nachhaltigkeit zu tun? Bei welchen Aspekten von Nachhaltigkeit können die Handwerksberufe sogar eine Vorreiterrolle spielen?

Jörg Dittrich: Die vermehrte Verwendung des Begriffs Nachhaltig­keit erzeugt beim Handwerk erst einmal ein gewisses Schmunzeln, denn wir sind per se nachhaltig. Zum einen geschichtlich, wenn man bedenkt, dass die Berufsbilder schon seit Jahrhunderten be­stehen, wobei die Traditionen und Fertigkeiten von Generation zu Generation weitergegeben werden. Zum anderen, weil das Hand­werk dafür da ist, Bauwerke und Produkte zu reparieren und eben nicht zu entsorgen. Das ist eine Kernbotschaft von Nachhaltigkeit.

Dr. Andreas Brzezinski: Man sollte in Generationen denken. Überwiegend schlüsselt man die Nach­haltig­keit ja in drei Dimensionen auf. Die ökonomische manifes­tiert sich in den Handwerks­betrie­ben, die aus der Region kommen und dadurch Transportwege und Ressourcen sparen. Sie arbeiten mit ökologisch vertretbaren Ma­te­­rialien, etwa Holz oder anderen nachwachsenden Roh­stoffen. Und die soziale Komponente wird deutlich in unserer dualen Aus­bildung. Wir bilden aus und halten den Nachwuchs in der Region. Handwerksbetriebe machen sich aber auch für soziale, kulturelle oder sportliche Vielfalt stark, zum Beispiel beim Sponsoring.

Top: In welchen Bereichen sind dennoch Verbesserungsprozesse notwendig?

Jörg Dittrich: Weiterentwicklung ist immer erforderlich, allein schon in den Berufsbildern. Karosseriebauer zum Beispiel kommen eigentlich aus dem Holzbau. Heute arbeiten die Karosserie­bauer mit Carbon und Spezialstelen. Daran sieht man schon, wie sich die Berufe mit den verfügbaren Technologien mitentwickeln und trotzdem Hand­werk geblieben sind. Davon abgesehen sehe ich Verbesse­rungs­potenzial für mehr Nachhaltigkeit im Handwerk vor allem bei den Produkten aus der Industrie, die meist gar nicht reparabel sind. Hier könnte das Hand­werk wesentlich mehr tun.

Dr. Andreas Brzezinski: Es muss sichergestellt werden, dass dabei lohnintensive Leistung nicht benachteiligt wird. Es darf nicht billiger sein, ein Gerät in Fernost herzustellen und nach Deutsch­land zu transportieren. Dafür müssen auch gesellschaftliche Rah­men­bedingungen geschaffen werden, zum Beispiel, indem die Entsorgung von Einmalgeräten anders bepreist wird.

Jörg Dittrich: Man würde gigantische Mengen an Energie und Ressou­rcen sparen, wenn etwa die Haltbarkeit von Wasch­maschi­nen verlängert werden würde, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Dabei macht die Dosis die Medizin. Natürlich kann nicht alles für immer genutzt werden. Aber fixierte Nutzdauer-Mindest­grenzen könnten bei verschiedenen Produkten helfen. Ein Pro­blem ist aber auch, dass viele Produkte gar nicht repariert werden dürfen oder man eine spezielle Zertifizierung braucht wie z.B. bei bestimmten Mobiltelefon-Herstellern.

Dr. Andreas Brzezinski: Die Hersteller müssen sich öffnen. Im Kfz-Bereich haben wir dieses Thema EU-weit mit der Gruppen­frei­­stel­lungs­verordnung geregelt, die besagt, dass der Kunde unabhängig vom Hersteller selber entscheiden kann, welche Werkstätten er beauftragt. Auch kann man über Anreize für Repa­raturen nachdenken. In Sachsen soll bald der Reparaturbonus eingeführt werden, ein Modell, das in Thüringen bereits erfolgreich ist. Dann können die Verbraucher eine Reparaturrechnung einreichen und bekommen einen gewissen Prozentsatz erstattet. Auch die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen spielt da mit rein. Anreize schaffen macht aus unserer Sicht mehr Sinn als gesetzliche Vorgaben.

Top: Wird Nachhaltigkeit in den Gewerken unterschiedlich definiert? Oder operiert man mit einer allgemeingültigen Definition?

Jörg Dittrich: Zwar hat das Handwerk unterschiedliche Branchen, von der Nahrungsmittel- über die Baubranche bis hin zu den Gesundheitshandwerkern, um nur mal drei zu nennen. Trotzdem ist das Handwerk homogen, weil es individuelle Produkte für Einzel­kunden herstellt. Egal ob Brötchen, Gebäude oder Brillen. Insofern kann man schon mit einer allgemeingültigen Definition arbeiten. Am Ende geht es darum, in der Produktion so nachhaltig wie möglich zu arbeiten, indem Strom gespart wird oder neueste Technologien verwendet werden. Das ist bei allen Gewerken gleich.

Dr. Andreas Brzezinski: Natürlich gibt es unterschiedliche Werk­zeuge oder Arbeitssituationen in den Gewerken, aber die Ziele sind die gleichen. Es geht darum, den Lebenszyklus eines Produkts mit Prozessen auf energetisch niedrigem Niveau zu verlängern und dabei soziale Rahmenbedingungen zu schaffen, die einer modernen Gesellschaft entsprechen.

Top: Wie beurteilen Sie die junge, klimabewegte Generation? Bietet sich dabei auch eine Chance, um diese jungen Menschen für das Handwerk zu begeistern?

Jörg Dittrich: Wir freuen uns über junge Menschen, die sich politisch engagieren, würden uns aber wünschen, dass sie sich nicht nur gegen etwas auflehnen, sondern auch für etwas eintreten. Und da bietet das Handwerk die besten Voraussetzungen. Wir laden herzlich ein, in die Betriebe zu kommen und die Prozesse für mehr Nachhaltigkeit kennenzulernen. Dort setzen wir auch mit unserer Imagekampagne an, die Handwerk stärker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken soll und ein modernes Bild der Berufe vermittelt. Im Handwerk kann man eben wirklich etwas verändern ­– die Idee ist ein freiwilliges Jahr Klimawandel.

Dr. Andreas Brzezinski: Ein anderer Ansatz wäre vor diesem Hinter­grund zum Beispiel auch, die engere Verzahnung von Freiwilli­gem Sozialen oder Ökologischem Jahr mit den Ausbildungen. Das könnte man attraktiv machen, indem bestimmte Leistungen aus dem FSJ oder FÖJ bei der Ausbildung angerechnet werden.

Jörg Dittrich: Es gibt große Potenziale. Wir wollen den erhobenen Zeigefinger in jedem Fall vermeiden und rufen dazu auf, gemeinsam und im Schulterschluss der Generationen mehr Nachhaltig­keit und besseren Klimaschutz zu ermöglichen.

www.hwk-dresden.de I www.njumii.de

Redaktion: Philipp Demankowski

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