Ein schönes Fleckchen Dresdner Erde

© Normann Photography
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Im Gespräch mit Dr. Michael Böttger

Völlig zu Recht gilt der Weiße Hirsch als eines der schönsten und lebenswertesten Stadtviertel Dresdens. Damit das Areal auch weiterhin so bleibt, bündelt der traditionsreiche Verschönerungsverein Weißer Hirsch/Oberloschwitz seine Kräfte in verschiedenen Projekten. Wir haben mit einem der pro­fundes­ten Kenner des Stadtteils, Vorstandsmitglied Dr. Michael Böttger, über das vielfältige bürgerschaft­liche Engage­ment im Rahmen der Vereinsarbeit, aber auch über den Weißen Hirsch an sich gesprochen.

Seit wann gibt es den Verein und mit welchem Ziel wurde er gegründet?
Dr. Michael Böttger: Der Verein wurde 1876 gegründet. Schon vor der Zwangseingemeindung des Weißen Hirschs nach Dresden 1921 gab es also Bürger, die sich um das Umfeld des Stadtviertels gekümmert haben. Eine erste wesentliche Akti­vi­tät war der Kauf von 22 Hektar Wald, die in der Folge in einen Erholungspark umgewandelt wurden. Es wurden Wege gebaut, ein Konzertplatz und später ein Waldbad errichtet. Die Gäste von Lahmanns Sanatorium sollten sich wohl fühlen, aber na­tür­lich auch für die Bewohner des Weißen Hirschs ein schönes Umfeld geschaffen werden.

Wie hat sich die Vereinsarbeit über die Jahre entwickelt?
Der Verein existierte bis 1946. Nach 1933 war er auch mit dem NS-System verquickt und wurde nach Kriegsende wie viele andere Vereine von der sowjetischen Be­satzungsmacht aufgelöst. 1993 hat eine Gruppe von Bürgern, zu der auch ich gehöre, den Verein neu gegründet.

Welche Aktivitäten, welche Projekte treiben Ihre Vereins­arbeit heute an?
Unser Hauptzweck ist es, das Umfeld des Viertels inklusive der angrenzenden Dresdner Heide zu schützen und für nachfolgende Generationen zu erhalten.

Mit welchen Aktivitäten und Projekten setzen Sie diesen Zweck um?
Ein Teil unserer Aktivitäten besteht in regelmäßigen Arbeitseinsätzen. So haben wir Schilder für den Waldpark hergestellt, damit sich die geneigten Gäste auch zu­rechtfinden. Wir geben jährlich Publikationen heraus, zum Bei­spiel zwei sogenannte „Weißer Hirsch-Lesebücher“. Außer­dem veranstalten wir gemeinsam mit dem Staatsbetrieb Sachsen­forst im Frühjahr und vor Weihnachten Heide­wan­de­rungen, die in schönen Erlebnissen für die Kinder münden.

Würden Sie sagen, dass die Identifikation der Anwohner mit dem Weißen Hirsch im Vergleich zu anderen Dresden Stadtteilen besonders hoch ist?
Ich denke ja. Viele derjenigen, die am Weißen Hirsch leben können – und das ist aufgrund der teuren Miet- und Eigentumslagen ja nicht jedem vergönnt – sind sehr verbunden mit ihrem Stadtteil. Auch die neuen Villenbesitzer, die in den letzten Jahren herzogen, sind an einem ge­mein­schaftlichen Zusammenleben interessiert. Die Bürger wol­len eben nicht nach Feierabend die Haustür zuklappen, sondern gemeinsame Momente erleben. Diese Erlebnisse möch­ten wir als Verschönerungsverein forcieren. So wie es beispielsweise schon in den 1910er Jahren war, als kaiserliche Ka­pellen auf dem Konzertplatz spielten. Oder als Kapellmeister Max Feiereis in der Weimarer Republik zum Tanze lud bzw. in den 1960er Jahren Junge Pioniere in der Konzertmuschel das Kinderlied von der kleinen weißen Friedenstaube sangen.

Vor der Stele des „Verschönerungs-Vereins Weisser Hirsch & Ober-Loschwitz” von 1876 / © Normann Photography

Gerade in der zweiten Hälfte des 19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Viertel ein Inbegriff für das Kur­wesen. Finden sich heute noch Spuren im Quartiersleben?
Lahmanns Sanatorium, das es ja seit 1888 gab, gehört im Stadtviertel natürlich zu den wichtigen Stätten, deren Entwicklung die Menschen auf dem Weißen Hirsch bewegen. Viele sind an der Geschichte des Sanatoriums auch deshalb interessiert, weil Lahmann schon vor über 100 Jahren Elemente als wichtige Bestandteile seiner „physiatrischen Ku­ren“ identifizierte, die wir auch heute noch als essenziell für die Gesundheit einschätzen: Licht, Luft, Sonne, Bewegung, po­si­tives Denken, Gemeinschaft, gesunde Ernährung und ein geregelter Tagesablauf. Deshalb spielen die Kurgeschichten in der Kommunikation der Bewohner des Weißen Hirschs untereinander immer noch eine große Rolle, gerade weil Lahmanns Sanatorium inzwischen in einem hochwertigen Wohnpark neu aufgegangen ist. Die Mehrheit der Bewohner ist froh, dass es diese neue „Weiße Stadt“ gibt, nachdem das Gelände und dessen Gebäude jahrzehntelang leer standen und verfielen.

Ein weiteres Objekt, das aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist, dürfte der Chinesische Pavillon sein. Welche Rolle spielt das denkmalgeschützte Gebäude heute im Quartiers­leben?
Eine ganz wichtige. Nach langem Leer­stand ist der Pavillon wieder ein Nachbarschafts- und Begeg­nungszentrum geworden, wo sich Bürger treffen, Aus­stel­lun­gen und Feste veranstaltet werden. Im Chinesischen Pavillon entwickelt sich allerlei gesellschaftliches Leben. Ein hervorragendes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement.

Was hat es mit der AG Geschichte im Verein auf sich?
Die AG Geschichte ist gleich mit der Gründung des Verschönerungsvereins entstanden. Neben den erwähnten „Weißer Hirsch-Büchern“ versuchen wir einerseits das Leben und wichtige Momente im Viertel in „Jahres­berich­ten“ festzuhalten. Zur Arbeit der AG gehören auch monothematische Broschüren zu geschichtlichen Ereignissen, zuletzt etwa über die Zwangseingemeindung nach Dresden im Jahre 1921 und über Lahmanns Sanatorium aus der Sicht eines Mitarbeiters.

Verschönerungsverein Weißer Hirsch/Oberloschwitz
www.dresden-weisser-hirsch.de

Interview: Philipp Demankowski

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