„Ein Banksy-Werk ist wie Zeitunglesen“

© Dominik Gruss
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Er gilt als einer der teuersten Künstler der Gegenwart und ist gleichzeitig eines der größten Mysterien der Kunstwelt. Die Werke Banksys erobern weltweit die Straßen und bescheren Auktionshäusern gleichzeitig Millionenumsätze. Wer sich hinter dem Pseudonym versteckt, ist nicht bekannt. Die Ausstellung „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“ trägt nun über 100 seiner Werke als Reproduktionen zusammen und hat bereits Tausende Besucher in München und Berlin begeistert. Seit September gastiert die Schau in der Zeitenströmung® in Dresden. Das Top Magazin Dresden hat mit Kuratorin Virginia Jean gesprochen. Die aus England stammende und in Berlin lebende Galeristin ist ausgewiesene Banksy-Expertin und Fachfrau der Street-Art-Branche.

Virginia Jean / Foto: © Sabine Dittrich

Virginia Jean, woher kommt Ihrer Meinung nach die weltweite Faszination für den Künstler Banksy?
Jeder hat sicher seine persönlichen Gründe, warum er von Banksy begeistert ist. Ich kann nur für mich sprechen. Es gibt zwei Dinge, die mich besonders an Banksy faszinieren: zum einen, dass er in einem Zeitalter, in dem es eigentlich absolut unmöglich ist, anonym zu bleiben, trotzdem unentdeckt und unerkannt bleibt. Und das ist auch sehr wichtig, denn Banksy sagt selbst: ,Um wirklich die Wahrheit zu sagen, muss man eine Maske tragen’. Zum anderen fasziniert mich an ihm ungemein, wie er es schafft, mit unglaublich wenig so viel zu kreieren. Der Mann braucht nur eine Schablone und eine Sprühdose und erschafft innerhalb von wenigen Sekunden ein Werk, das mehr sagt als tausend Worte. Das finde ich einfach genial.

Was weiß man denn sicher über Banksy, außer dass er wahrscheinlich aus Bristol oder Umgebung stammt? Wie gelingt es, dass auch die Personen in seinem direkten Umfeld dichthalten?
Genau das ist es eben. Wie ich schon sagte, ist es für seine Kunst enorm wichtig, dass er anonym bleibt. Das wissen auch alle, die mit ihm zusammenarbeiten, und alle Leute, denen er vertraut. Es gibt natürlich eine Milliarde Vermutungen und Spekulationen, aber auf die will ich eigentlich gar nicht eingehen, denn ich möchte, dass es so bleibt.

Foto: © Dominik Gruss

Wie sind Sie persönlich zu Banksy gekommen?
Ich arbeite schon seit vielen Jahren im Kunstmarkt und bin dann relativ schnell in die Street-Art-Szene gekommen, auch dadurch, dass ich schon seit sieben Jahren in Berlin wohne und die Street-Art-Szene dort gigantisch ist. Mir gefällt diese Kunstrichtung sehr gut, ganz speziell, wenn nicht ganz klar ist, ob es sich um Kunst oder Vandalismus handelt. Erst dann wird es ja oft erst relevant. Wenn man sich für Kunst im Allgemeinen interessiert, kommt man um einen Künstler wie Banksy nicht herum. Jeder, der sich mit ihm befasst und seine Kunst näher kennenlernt, muss sich eigentlich in ihn verlieben. Mir ging es ebenso, und deshalb freue ich mich besonders, dass ich jetzt hier in dieser Ausstellung meinen Lieblingskünstler porträtieren darf.

Haben Sie ein ganz persönliches Lieblingswerk?
Das werde ich immer wieder gefragt. Ich habe die Ausstellung so konzipiert, dass mir jeder Raum und jedes Werk am Herzen liegt und will sowohl Banksys früheste Werke als auch seine ganz neuen Arbeiten, die oft noch gar niemand kennt, beleuchten. Mein persönliches Lieblingswerk ist aber eher eine Aktion von Banksy: Es ist das kleine Flüchtlingsboot „Louise Michel“. Das ist mir deshalb so wichtig, weil es ein bisschen den Sinn dieser Aus­stellung widerspiegelt. Zur Erklärung: Banksy hat sich ein eigenes Boot gebaut und diese schöne Jacht dann als Flüchtlings­boot umfunktioniert. Seitdem ist es im Mittelmeer unterwegs und rettet dort täglich Leben. Diese Aktion unterstützen wir hier ganz aktiv. Ich sage immer, ein Banksy-Werk ist wie Zeitung­lesen, man wird mit den aktuellen Thematiken dieser Welt konfrontiert. Ich möchte, dass den Besuchern beim Gang durch die Ausstellung nicht nur die Augen geöffnet werden, sondern ich will auch einen Lösungsvorschlag bieten – und zwar Banksys Lösungsvorschlag. Deshalb ist unter dem Flüchtlingsboot eine Spendenbox. Alle Spenden gehen ungefiltert an das Projekt „Louise Michel“. Wir leeren diese Box wirklich beinahe täglich. Die Aktion erhält zudem auch Teile der Einnahmen der Galerie. Wenn wir Banksys Werke nutzen, ist es unsere Pflicht, dass wir seine Aktionen auch unterstützen. »

Kann man tatsächlich alle Werke, die hier gezeigt werden, sicher Banksy zuschreiben?
Man kann alle Werke bzw. Replikate der Aus­stellung hundertprozentig Banksy zuschreiben. Es gibt aber auch unglaublich viele, bei denen man sich nicht sicher ist, auch in Europa und Deutschland. Sobald Banksy sich zu einem Werk äußert, meist über Social Media, entsteht ein riesiger Hype um das Stück Wand. Deshalb ist es auch okay, dass es bei manchen Werken Zweifel gibt.

2018: Spektakuläre Versteigerung eines der bekanntesten Werke Banksys – „Girl With Balloon“: Kurz nach dem Zuschlag von 1,2 Millionen Euro zerstörte sich das Bild selbst, indem der untere Teil durch einen im Rahmen verborgenen Schredder in Streifen geschnitten wurde. Aktuell steht das Bild wieder zum Verkauf und soll demnächst erneut im Auktionshaus Sotheby’s in London versteigert werden. / Foto: COFO Entertainment

Wie wurden die Werke für die Ausstellung reproduziert?
Street-Art ist natürlich sehr schwer in einer herkömmlichen Galerie auszustellen. Wir haben mit internationalen Künstlern zusammengearbeitet und eigene Wandstücke nachgebaut. Dazu wurden Holzkisten mit einer Art Beton verkleidet, der dann den authentischen Look bekommen hat. Dann haben die Künstler sich mit Schablone und Sprühdosen ans Werk gemacht. Hinzu kommen einige Prints, darunter viele Siebdrucke auf Papier, genauso wie Banksy sie auch kreiert. Und wir haben verschiedene Skulpturen nachmodelliert. Da es von jeder Banksy-Aktion unzählige Handyaufnahmen und Dokumen­tationen gibt, ist es uns gelungen, die Skulpturen bis ins kleinste Detail nachzuempfinden. Es sollen Replikate sein, die realistisch aussehen und einen packen. Alles andere wäre geklaut.

Weiß man eigentlich genau, wie viele Werke Banksy geschaffen hat?
Ganz genau kann man das nicht sagen, aber immer, wenn es ein großes aktuelles Thema gibt, kommt auch von Banksy ein Feedback dazu. Das ist das Schöne an der Street-Art, dass man so schnell auf Themen reagiert und in Nacht-und-Nebel-Aktionen etwas Riesiges aufbaut. In jedem Land, in das Banksy reist, behandelt er die Themen, die dort gerade wichtig sind. Deshalb erreicht er auch jeden. Darin ist Banksy der absolute Meister.

Wird die Ausstellung jedes Mal aktualisiert, wenn Banksy ein neues Werk geschaffen hat?
Ja. Hier in Dresden sieht man z.B. zum ersten Mal ein Werk von 2021. Und wir erweitern auch unsere Timeline.

Haben Sie sich bewusst für die Zeitenströmung® als Ausstellungsort entschieden?
Tatsächlich ja. Dresden an sich finde ich richtig klasse. Wenn mir jemand den Zwinger als Ausstellungsort angeboten hätte, hätte ich auch direkt ja gesagt, denn genau mit diesen Stilbrüchen arbeitet ja auch Banksy. Da das Gebäude hier in der Zeitenströmung®so riesig ist, konnten wir auch die Ausstel­lung etwas erweitern. Es ist die bisher größte Banksy-Ausstel­lung, die ich kuratiert habe. Ich finde, Dresden braucht so etwas, denn die Stadt hat sehr viel klassische Kunst, aber auch eine große Street-Art-Szene, was oft vergessen wird. Auch Street-Art ist Kunst, sie ist mittlerweile salonfähig. Es geht gar nicht so sehr um die Machart als vielmehr um die Idee dahinter. Ein Banksy-Werk betrifft jeden, und genau deshalb gehen die Werke auch um die Welt.

„The Mystery of Banksy – A Genius Mind“

September bis 9. Januar 2022, Zeitenströmung®
Königsbrücker Straße 96
01099 Dresden

Interview: Ute Nitzsche

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