Doppelte Formgestaltung
Die Ausstellung Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte in der Kunsthalle im Lipsiusbau fragt nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden deutsch-deutscher Designgeschichte.
Keine Grabenkämpfe auslösen, aber doch brisante Diskussionen kann man darüber führen, welche deutsche Nachkriegsrepublik in Designfragen die Nase vorn hatte. Oder hatten BRD und DDR am Ende ästhetisch mehr gemein als zu vermuten wäre? Dieser Frage geht die Ausstellung „Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte“ im Lipsiusbau nach, die vom Kunstgewerbemuseum und dem Vitra Design Museum in Weil am Rhein konzipiert wurde. „In der Schau wird die politische Dimension von Design deutlich, gleichzeitig eröffnet sie uns eine faszinierende Vielfalt an Entwurfsstilen und Positionen, die mehr sind als ideologische Gegensätze zwischen Ost und West“, bestätigt Thomas A. Geisler, der Direktor des Kunstgewerbemuseums. So vielfältig wie die Designparadigmen jener Zeit dürfte auch die Ausstellung ausfallen. Die 390 Exponate reichen von ikonischen Möbeln und Leuchten über Grafik und Inneneinrichtung bis hin zu Mode, Textilien, Schmuck und Fahrzeugdesign.
Legendäre Exponate
Darunter befinden sich legendäre Alltagsobjekte wie die „Simson S50“ (1975) von Karl Clauss Dietel oder der „Schneewittchensarg“ (1956), aber auch rare Design-Klassiker wie Luigi Colanis skulpturaler Schlaufensessel „Poly-COR“ (1968) oder das therapeutische Spielzeug von Renate Müller. Genauer unter die Lupe genommen werden prägende Künstler wie Rudolf Horn, Margarete Jahny oder Egon Eiermann. Gleichzeitig wird auch der Einfluss von Institutionen untersucht, die gerade im Bereich Design kunsthistorisch besonders wirkmächtig sind. So gibt es Abschnitte zu einflussreichen Hochschulen, zum Deutschen Werkbund oder zum Erbe des Bauhauses. Vor diesem Hintergrund macht die Ausstellung auch deutlich, wie eng Design und Zeitgeschichte, Alltagskultur und weltpolitischer Kontext im geteilten Deutschland verflochten waren.
Identitätsstiftendes Design?
Ganz bewusst wollen die Ausstellungsmacher mit früheren Darstellungen in Retrospektiven oder Publikationen brechen, in denen der DDR-Part wenn überhaupt, dann nur randständig betrachtet wurde. Stattdessen wird die schöpferische Qualität ostdeutschen Designs gezielt in den Vordergrund gerückt. Aus der Gegenüberstellung mit den westdeutschen Schulen könnte man schließlich die Frage beantworten, ob es tatsächlich so etwas wie ein gesamtdeutsches Design gab. Thematisiert wird im ersten Teil der Ausstellung auch, inwieweit die Formgestaltung, wie Design in der DDR genannt wurde, als Instrument für politische Propaganda und Werkzeug für die Identitätsbildung in den Staaten diente. Chronologisch folgen die drei weiteren Teile der Ausstellung „Wiederaufbau und Neubeginn“, „Zwei Gesellschaftsvisionen“ und „Krise, Protest und Alternativen“ den wichtigsten politischen Ereignissen.
Umfangreiches Begleitprogramm
In Dresden wird die Ausstellung zudem um ein umfangreiches Begleitprogramm erweitert. So werden in Kooperation mit dem Zentrum für Baukultur Sachsen Stadtrundgänge und ein Kinoabend angeboten. Ein besonderes Format sind die Podiumsdiskussionen mit dem Titel „Runder Tisch“, in Anlehnung an die gleichnamigen Verhandlungssitzungen zwischen Bürgerbewegungen und Vertretern der DDR-Regierung in den Jahren 1989/90. Eingeladen werden Designer und Experten aus Ost und West für ein Gespräch über unterschiedliche Verläufe der Formgestaltungslehre in DDR und BRD, über die Deutungshoheit oder der Formgestaltung abseits offizieller Strukturen.
Deutsches Design 1949 – 1989
Zwei Länder, eine Geschichte
Kunsthalle im Lipsiusbau
15.10.2021—20.02.2022
täglich 10—17 Uhr, Montag geschlossen
www.skd.museum
Redaktion: Philipp Demankowski