Doppelte Formgestaltung

Schaukelwagen, Hans Brockhage, Erwin Andrä, 1950, Hochschule für Bildende Künste Dresden, Siegfried Lenz / © Vitra Design Museum, Foto: Andreas Sütterlin
0

Die Ausstellung Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte in der Kunsthalle im Lipsiusbau fragt nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden deutsch-deutscher Designgeschichte.

Keine Grabenkämpfe auslösen, aber doch brisante Dis­kus­sionen kann man darüber führen, welche deutsche Nachkriegsrepublik in Designfragen die Nase vorn hatte. Oder hatten BRD und DDR am Ende ästhetisch mehr gemein als zu vermuten wäre? Dieser Frage geht die Ausstellung „Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte“ im Lipsiusbau nach, die vom Kunstgewerbemuseum und dem Vitra Design Museum in Weil am Rhein konzipiert wurde. „In der Schau wird die politische Dimension von Design deutlich, gleichzeitig er­öffnet sie uns eine faszinierende Vielfalt an Entwurfsstilen und Positionen, die mehr sind als ideologische Gegensätze zwischen Ost und West“, bestätigt Thomas A. Geisler, der Direktor des Kunstgewerbemuseums. So vielfältig wie die Design­para­digmen jener Zeit dürfte auch die Ausstellung ausfallen. Die 390 Exponate reichen von ikonischen Möbeln und Leuchten über Grafik und Inneneinrichtung bis hin zu Mode, Textilien, Schmuck und Fahrzeugdesign.

Innenansicht Palast der Republik in Berlin, 1977 / Foto: © ddrbildarchiv.de/Manfred Uhlenhut
Legendäre Exponate

Darunter befinden sich legendäre Alltagsobjekte wie die „Sim­son S50“ (1975) von Karl Clauss Dietel oder der „Schnee­wittchensarg“ (1956), aber auch rare Design-Klassiker wie Luigi Colanis skulpturaler Schlaufensessel „Poly-COR“ (1968) oder das therapeutische Spielzeug von Renate Müller. Genauer unter die Lupe genommen werden prägende Künstler wie Rudolf Horn, Margarete Jahny oder Egon Eiermann. Gleichzeitig wird auch der Einfluss von Institutionen untersucht, die gerade im Bereich Design kunsthistorisch besonders wirkmächtig sind. So gibt es Abschnitte zu einflussreichen Hochschulen, zum Deut­schen Werkbund oder zum Erbe des Bauhauses. Vor diesem Hintergrund macht die Ausstellung auch deutlich, wie eng De­sign und Zeitgeschichte, Alltagskultur und weltpolitischer Kontext im geteilten Deutschland verflochten waren.

Teekanne und Sahnegießer „Drop“, Luigi Colani, Rosenthal Porzellan AG, 1971 / © Copyright Gunter Binsack
Identitätsstiftendes Design?

Ganz bewusst wollen die Ausstellungsmacher mit früheren Darstellungen in Retrospektiven oder Publikationen brechen, in denen der DDR-Part wenn überhaupt, dann nur randständig betrachtet wurde. Stattdessen wird die schöpferische Qualität ostdeutschen Designs gezielt in den Vordergrund gerückt. Aus der Gegenüberstellung mit den westdeutschen Schulen könnte man schließlich die Frage beantworten, ob es tatsächlich so etwas wie ein gesamtdeutsches Design gab. Thematisiert wird im ersten Teil der Ausstellung auch, inwieweit die Form­ge­staltung, wie Design in der DDR genannt wurde, als Instrument für politische Propaganda und Werkzeug für die Identitäts­bildung in den Staaten diente. Chronologisch folgen die drei weiteren Teile der Ausstellung „Wiederaufbau und Neubeginn“, „Zwei Gesellschaftsvisionen“ und „Krise, Protest und Alter­nati­ven“ den wichtigsten politischen Ereignissen.

Tabletts und Schalen, Albert Krause, Entwurf 1959, VEB Plasta Preßwerk Auma, Ausführung 1960, © Kunstgewerbemuseum,
Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Gunter Binsack
Umfangreiches Begleitprogramm

In Dresden wird die Ausstellung zudem um ein umfangreiches Begleitprogramm erweitert. So werden in Kooperation mit dem Zentrum für Baukultur Sachsen Stadtrundgänge und ein Kinoabend angeboten. Ein besonderes Format sind die Po­diumsdiskussionen mit dem Titel „Runder Tisch“, in Anleh­nung an die gleichnamigen Verhandlungssitzungen zwischen Bürgerbewegungen und Vertretern der DDR-Regierung in den Jahren 1989/90. Eingeladen werden Designer und Experten aus Ost und West für ein Gespräch über unterschiedliche Verläufe der Formgestaltungslehre in DDR und BRD, über die Deutungs­hoheit oder der Formgestaltung abseits offizieller Strukturen.

Deutsches Design 1949 – 1989
Zwei Länder, eine Geschichte
Kunsthalle im Lipsiusbau
15.10.2021—20.02.2022
täglich 10—17 Uhr, Montag geschlossen
www.skd.museum

Redaktion: Philipp Demankowski

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X