Buchtipp: Das Leben der Rosina Schnorr
Eine dramatische Familiengeschichte zwischen Russland und dem Erzgebirge
Eberhard Görner ist neben seiner Hochschulprofessur an der HTW in Dresden außerdem ein deutscher Buch- und Drehbuchautor, Publizist, Dramaturg und Filmemacher. Er war Miterfinder, Dramaturg und Autor der Reihe Polizeiruf 110. Er schrieb die Drehbücher zahlreicher Dokumentar- und Fernsehfilme, meist mit historischem Hintergrund und großem Augenmerk auf kulturelle und industrielle Entwicklungen. Dieses Jahr gab er seinen neuesten Roman heraus, der sich mit einer tragischen Familiengeschichte einer Unternehmerfamilie in Schneeberg beschäftigt, die sich im 17. Jahrhundert tatsächlich ereignet hat und aus der wir gerade heute sehr viel lernen können….
Herr Prof. Görner, Sie haben offenbar eine Vorliebe für historische Romane. Lassen Sie sich gern von wahren Geschichen inspirieren?Natürlich! Wir leben heute in einer sehr schnellen Zeit. Was heute Fakt ist, ist bereits morgen Makulatur. Deshalb versuche ich, die Geschichten in der Vergangenheit als Spiegel für die Gegenwart zu sehen.
Sie haben schon einige historische Romane herausgegeben wie beispielsweise ,,Die Kavaliersreise August des Starken“ 2012 oder „Die Afrika-Expedition August des Starken”. Ist es besonders die sächsische Geschichte, die Sie reizt?
Die Vorliebe für die sächsische Geschichte kommt vor allem daher, weil es europäische Geschichte ist. Diese enge Verbindung ist sehr spannend. Wenn August nicht seine Kavaliersreise durch Europa gemacht hätte, hätte er auch nicht in Sachsen seine zahlreichen Eindrücke in der Architektur, im Militärwesen, in der Religion oder in seinen Kunstsammlungen umsetzen können.
Sie wollen also vor allem europäische Geschichte sichtbar machen. Worum geht es denn in Ihrem neuesten Roman ,,Das Leben der Rosina Schnorr”?
Ein russischer Zar braucht eine Bergbautechnologie, um an seine Bodenschätze ranzukommen. Er lässt sich eine Entführung einfallen, die auf einer wahren Begebenheit beruht. Eine der Folgen dieser Entführung war, dass nicht nur Zar Alexej I. vom Erfolg des sächsischen Bergbaus überzeugt war, sondern auch sein Sohn, Peter der Große, sich um sächsisches Bergbauwissen bemühte. Bei seinen Besuchen schaute er sich vor allem die Bergbautechnologie in Freiberg an. So begann der Dialog zwischen St. Petersburg und Dresden, man tauschte sich über die jeweiligen Kenntnisse aus. Das war ein bedeutender Teil einer sehr wichtigen Zeit für Sachsen.
Wer wurde in Ihrem Buch entführt und aus welchem Grund?
Veit Hans Schnorr wurde 1648 auf seiner Rückreise von der Leipziger Messe nach Schneeberg entführt. Er war zu dieser Zeit sehr bekannt für seine herausragende Technologie. Zar Alexej I. wollte ihn am russischen Hofe haben, um von seinem Wissen zu profitieren. Es war sozusagen eine industrielle Entführung. Schnorr bekam vom Zaren den Auftrag, im Ural ein Bergwerk aufzubauen. Das Tragische an dieser Geschichte ist, dass seine Frau Rosina Schnorr 16 Jahre lang nicht erfuhr, wo ihr Mann abgeblieben war.
Warum denken Sie, könnten die Leser eine Geschichte wie die der Rosina Schnorr interessieren? Welche Verbindung sehen Sie zur Gegenwart?
Es ist die Geschichte einer wirklich außerordentlichen Frau, die plötzlich ihren Mann verloren hatte und fünf Kinder aufziehen musste. Mit der Übernahme der Geschäfte ihres Mannes ist sie selbst zu einer der erfolgreichsten Unternehmerinnen ihrer Zeit in Sachsen geworden. Sie war so erfolgreich, dass selbst der Kurfürst hätte bei ihr einen Kredit aufnehmen können.
Diese Geschichte ist also ein Mutmacher, aus der Not heraus und unter den schlimmsten Bedingungen trotzdem etwas Großartiges schaffen zu können. Darüber hinaus ist es auch eine schöne Hommage an die Emanzipation…
Das stimmt, und nicht nur das! Rosina Schnorr war nicht nur eine große Unternehmerin, sie war auch sehr sozial. Später verkaufte sie ihrem Sohn Veit Hans Schnorr dem Jüngeren das Erbe und gründete aus diesem Erlös eine Waisenhausstiftung für die Kinder, die im 30-jährigen Krieg ihre Eltern verloren hatten. Bemerkenswert, finden Sie nicht auch?
Das Leben der Rosina Schnorr
1618 – 1679
Eberhard Görner (Autor)
224 Seiten
Chemnitzer Verlag und Druck
ISBN 978-3-944509-74-7
Interview: Sabine Dittrich