„Körperwelten” in der Zeitenströmung®

© Jürgen Männel/jmfoto
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Die Faszination „KÖRPERWELTEN“ ist ungebrochen. Aktuell ist die Ausstellung unter dem Namen „KÖRPERWELTEN – Am Puls der Zeit“ als Deutschlandpremiere in der Dresdner Zeitenströmung zu sehen.

Damit macht die weltweit erfolgreichste Anatomieschau nach 2014 zum zweiten Mal im Ausstellungskomplex im Dresdner Norden Station. Im Mittelpunkt stehen erneut die Plastinate menschlicher Körper, dessen Herstellungsverfahren 1977 von Dr. Gunther von Hagens an der Universität Heidelberg erfunden wurde. Zu sehen ist aber auch das weltweit größte Plastinat, ein ausgewachsener Elefant mit einer Größe von 6 x 3,50 Metern. Nachdem Dr. Gunther von Hagens durch die Parkinson-Krankheit ausgebremst wurde, übernahm seine Ehefrau Dr. Angelina Whalley die Kuration. Wir haben uns mit der Ausstellungsmacherin getroffen, um über die neue Schau zu sprechen.

Kuratorin Dr. Angelina Whalley vor Tierplastinaten / Foto: © Jürgen Männel/jmfoto

Was hat sich verändert, seitdem die „KÖRPERWELTEN“ das erste Mal in Dresden waren?
Dr. Angelina Whalley: Unser Ausstellungsthema „Am Puls der Zeit“ ist völlig neu und in Dresden auch deutschlandweit zum ersten Mal zu sehen. Durch diesen Fokus wird uns ein ganz neuer Blickwinkel auf den menschlichen Körper eröffnet.

Was würden Sie als das Ziel der Ausstellung begreifen? Was sollen die Besucher*innen mitnehmen?
Unsere modernen Zeiten sind geprägt von der Beschleunigung. Wir werden schon nervös, wenn wir zehn Minuten unsere E-Mails nicht checken können. Multitas­king gehört für uns zum Alltag. Ständig sind wir mit Angeboten konfrontiert. Das hat einen großen und eher negativen Einfluss auf unsere Körperlichkeit. Denn sicher ist auch: Die Prozesse und Rhythmen in unserem Körper können wir nicht beschleunigen. Wir können unserem Körper nichts vorschreiben. Dadurch entsteht ein Missverhältnis und darum geht es in unserer Aus­stel­lung. Wir laden die Besucher ein, beim Betrachten der Plastinate darüber zu reflektieren, was ihnen wichtig ist. Denn wir haben nur dieses eine Leben, das wir gestalten können.

Sie wollen die Besucher also auch inspirieren?
Wir haben zum Beispiel am Ende des Aus­stel­lungsrundgangs einen Bereich installiert, der veranschaulicht, worüber sich Menschen auf dem Totenbett Gedan­ken machen. Da geht es dann eben nicht um die Karriere, sondern um die Menschen, die wir lieben. Auch wird meist bereut, dass man nach Maßstäben anderer und nicht der eigenen gelebt hat. Wir entlassen unsere Besucher mit der Frage, was sie auf dem Totenbett bereuen würden.

Hat sich das Gesundheitsbewusstsein der Menschen durch die Pandemie verändert? Haben diese Entwicklungen Einfluss auf die Konzeption der Ausstellung genommen?
Diese Pandemie war für viele ein Weckruf. Die Menschen sind sich ihrer fragilen Existenz bewusster als vorher. Ich habe mir lange überlegt, ob ich die Pandemie zum Thema in einem Abschnitt der Ausstellung mache, mich dann aber dagegen entschieden. Denn ich hatte den Eindruck, dass die Menschen des Themas müde geworden sind. Und schluss­endlich kann ich die Krankheit auch schlecht abbilden. Wir haben zwar zwei Körperspender, die an Corona gestorben sind. Sie liegen aber noch in Formalin, so dass es bis zur Her­stellung der Plastinate noch eine ganze Weile dauern wird. Zudem sind die körperlichen Veränderungen durch Corona vermutlich ohnehin zu gering als dann man sie makroskopisch erkennen könnte. Die Abweichungen befinden sich zum Beispiel in der Blutbahnperipherie und lassen sich mit dem bloßen Auge nicht erkennen.

KÖRPERWELTEN – Am Puls der Zeit von Plastinator Gunther von Hagens / © Jürgen Männel/jmfoto

Wo verorten Sie die „KÖRPERWELTEN“ auf dem Spektrum zwischen Kunst und Wissenschaft?
Ich glaube, dass man sie nicht eindeutig verorten kann, da sie Elemente der unterschiedlichsten Bereiche mitbringen. Unser erster und wichtigster Anspruch ist natürlich die Wissenschaftlichkeit. Es geht darum, die Körper anatomisch korrekt und so detailliert wie möglich darzustellen. Gleichzeitig wollen wir als öffentliche Ausstellung auch ein großes Laien­publikum begeistern. Und da haben wir schon bei der allerersten Ausstellung in Japan gemerkt, dass die Plastinate auch eine Qualität haben müssen, die über die Wissenschaftlichkeit hinausgeht. Damals hatten wir die Plastinate noch sehr steif und aufrecht präsentiert, so dass Kritik aufkam, sie sehen noch zu sehr zum Fürchten aus. Seitdem sind wir dazu übergegangen, die Plastinate auch ästhetisch anspruchsvoll und in lebensnahen Posen darzustellen. So haben es die Renaissance-Anatomen bereits in ihren wunderbaren Zeichnungen gemacht. Da spielt auch die Überzeugung eine Rolle, dass wir eine Ausstellung über das Leben und nicht über den Tod präsentieren wollen.

Müssen Sie um Körperspender werben? Wie hat sich das Interesse über die Jahre gewandelt?
Die Anzahl der Körperspender hat sich seit Beginn der Ausstellungen und über die Jahre massiv erhöht. Überall dort, wo die „KÖRPERWELTEN“ Station machen, gibt es in der Folge viele Interessenten. Oft sind es Menschen, die tief beeindruckt von der Ausstellungserfahrung sind und bei denen im Anschluss ein Reflektionsprozess über die eigene Existenz begonnen hat. Die „KÖRPERWELTEN“ sind eine Ausstel­lung, die man stark mit dem eigenen Leben in Verbin­dung bringt. Dabei kann es sich um die großen Ereignisse wie Eltern­schaft oder Tod, aber auch um Krankheitsgeschichten wie einen Kreuzbandriss handeln. Das ist ein wesentlicher Grund, warum die Ausstellungen so erfolgreich sind.

Die „KÖRPERWELTEN“ sorgen weltweit für Aufsehen. In welchen Verhältnissen stehen die Reaktionen in den unterschiedlichen Kulturkreisen?
Die Reaktion der Besucher ist erstaunlich ähnlich in den unterschiedlichen Kulturkreisen. Von der Un­sicher­heit davor, über das Staunen währenddessen bis hin zur Selbst­reflek­­tion nach dem Besuch: das Publikum unterscheidet sich kaum. Unterschiede gibt es allerdings in der öffentlichen Wahr­nehmung. In Deutschland gab es gerade am Anfang sehr harsche Kritik und Diskussionen. Das haben wir sonst nirgends erlebt, auch nicht im katholischen Rom, wo die Reaktion sogar sehr positiv war. Wir hatten sogar eine Anfrage für eine Aus­stellung in Israel, was wir uns als Deutsche mit unserer Ver­gangenheit zunächst nicht getraut haben. Eine Delega­tion besuchte uns und überzeugte uns davon, dass die „KÖRPERWELTEN“ auch für Israel wichtig sind. Auch diese Ausstellung wurde mit äußerst positiven Reaktio­nen bedacht.

KÖRPERWELTEN – Am Puls der Zeit
Ausstellung: 6. Mai bis 4. September 2022 in der Zeitenströmung®
Königsbrücker Straße 96 I 01099 Dresden
www.koerperwelten.de/dresden

Redaktion: Philipp Demankowski

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