Paradies des Bürgertums

Weg vom Seifersdorfer Tal zum Schloss Seifersdorf / Foto: © Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 Alice d25
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In unserer fortlaufenden Reihe „Garten und Park“ wollen wir Ihnen diesmal einen Geheimtipp vorstellen. Das Seifersdorfer Tal spielt bei den Ausflugsplänen in unseren Breiten nur selten eine Rolle. Ein Fehler, denn der Landschaftsgarten hat jede Menge zu bieten.

Immerhin handelt es sich beim Seifersdorfer Tal zwischen Schönborn und Wachau um eine der ersten explizit als Landschaftsgarten konzipierten Erholungsanlagen in Deutschland. Die Gründung des Parks entlang der Großen Röder geht zurück auf die Initiative von Christina von Brühl. Die Schwiegertochter des sächsischen Premierministers und Namenspaten von Dresdens berühmtester Terrasse Heinrich Graf von Brühl lebte mit ihrer Familie in der Nähe des Tals im Herrenhaus des zum Schloss Seifersdorf gehörenden Ritterguts. Die Hobbyschriftstellerin war zeitlebens eine Freundin der schönen Künste und pflegte engen Kontakt zum Weimarer Hof um Johann Wolfgang Goethe, der ihr 1785 sogar ein Gedicht schrieb. Der Dichterfürst unterrichtete zudem ihren Sohn Carl von Brühl in Mineralogie. Doch damit nicht genug. In ihrem Zuhause begrüßte Christina von Brühl hochkarätige zeitgenössische Künstler, darunter Christoph Martin Wieland, Theodor Körner, Jean Paul, Caspar David Friedrich, Elisa von der Recke, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Friedrich Gottlieb Klopstock.

 Amor im Seifersdorfer Tal, Amor / Foto: Wikimedia Commons
Landschaftsgarten als bürgerlicher Rückzugsort

Bei der Konzeptionalisierung des ab 1781 über mehrere Jahr – zehnte gebauten Landschaftsgartens ließ sich Christina von Brühl stark von der romantisch-sentimentalen Theorie des Englischen Gartens inspirieren. Dabei berief sie sich insbesondere auf den aufklärerischen Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld, dessen ab 1775 erschienene, mehrbändige „Theorie der Gartenkunst“ als Standardwerk galt. Auch der Austausch mit Goethe, der sich an der Entstehung des Weimarer Parks an der Ilm beteiligte, befruchtete die Planungen. Im Gegensatz zum adligen Barockgarten hatte der Landschaftsgarten eine bürgerliche Prägung. Entsprechende Tu – gen den wie Fleiß, Ordnung und Redlichkeit, aber auch Frömmigkeit und Aufrichtigkeit sollten beim Spaziergang durch den Park geschärft werden. Von Symmetrie und klaren Blickbeziehungen wie in den Barockgärten wandte man sich explizit ab. Stattdessen setzte man auf natürlichen Wuchs, wobei auch das Seifersdorfer Tal letztens Endes stark durchgestaltet war.

Denkmal für Herzogin Anna Amalia / Foto: © Wikimedia Commons
Marienmühle als idealer Rastplatz

Grundlegend besteht der Park aus vier Bereichen, die horizontal durch die Große Röder und vertikal durch die Straße von Schönborn nach Seifersdorf voneinander abgetrennt sind. Ganz zentral an der Kreuzung von Straße und Fluss befindet sich die Marienmühle, die nach langem Winterschlaf frisch saniert ist und heute wieder hungrige Ausflügler empfängt. Für den Start der kleinen Wanderung empfiehlt sich beispielsweise der Parkplatz der Freiwilligen Feuerwehr. Einmal die Wanderschuhe geschnürt wird dem findigen Spaziergänger bald das erste Exemplar der großen Hingucker des Seifersdorfer Tals auffallen: die sogenannten Staffagen oder Gartenszenen. Links- und rechtsseitig des Röder-Ufers befinden sich über 30 dieser kleinen Denkmäler, Statuen oder anderer architektonischer Elemente, die zusammengenommen ein komplexes Referenzsystem bilden. Sie beziehen sich auf die literarischen, philosophischen und gartenbaulichen Diskurse der damaligen Zeit und führen diese weiter.

Altar der Wahrheit / Foto: Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 Alice d25
Ermunterung zur Selbstreflektion

Dabei ist es nicht nur die reine Gestaltung der Staffagen, sondern auch die zahlreichen Inschriften, die zur Selbstreflektion beim Spaziergänger ermuntern sollen. Neben den Statuen wurden auch kleine Tempel, Altäre, Ruheplätze oder Pavillons als Gartenszenen angelegt. Allerdings gehörten die Brühls finanziell nicht zu den besonders üppig gepolsterten Adelsfamilien. Deshalb wurden viele der Szenen aus vergänglichen Materialien wie Holz, Rinde, Stroh gefertigt, was wiederum dazu führte, dass heute nur wenige der ursprünglichen Staffagen erhalten sind und nur noch auf Gemälden oder Kupferstichen begutachtet werden können. Die Szenen tragen Namen wie „Quelle der Vergessenheit der Sorgen“ oder „Altar der Wahrheit“, ein deutlicher Hinweis auf die Ziele, die Christina von Brühl bei der Konzeption des Parks umsetzen wollte. Die teils verwitterten und überwachsenen Staffagen strömen auch heute noch einen Charme aus, der durchaus dazu anregt, über Gott und die Welt nachzudenken.

Seifersdorfer Schloss, Bild: Anaximander (CC BY 3.0)
Bewegte Schlossgeschichte

Solcherart inspiriert kann man noch einen Abstecher zum Schloss Seifersdorf wagen, in dessen Garten ebenfalls Staffagen und Gartenszenen zu finden sind. Unter anderem befand sich hier ein Denkmal für den Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld, das große Vorbild Christina von Brühls. Der Schlossgarten in seiner heutigen Form wurde allerdings erst um 1900 von dem Dresdner Landschaftsarchitekten Max Bertram gestaltet. Das neogotische Schloss selbst hat im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Brände und Angriffe überlebt, ist aber immer wiederauferstanden. Schon im 12. Jahrhundert wurde an der Stelle eine Turmhügelburg gebaut. Vier Jahr – hunderte später errichtete die Politikerfamilie Haugwitz das Schloss in seiner heutigen Bausubstanz im Stil der Frührenaissance. Es war der berühmte Architekt Karl Friedrich Schinkel, der dem Schloss ab 1818 sein heutiges Antlitz verpasste. Zählt man alle Neu- und Umbauten mit, ist das gegenwärtige Objekt bereits die sechste Version des Schlosses. Verschiedene Räumlichkeiten können heute gemietet werden. Zudem ist das Schloss regelmäßiger Treffpunkt für öffentliche Veranstaltungen der Gemeinde. Der letzte wichtige Moment in der ereignisreichen Schlossgeschichte kam dann 2016, als eine durch Spendengelder finanzierte Gedenkplatte für Christina von Brühl eingeweiht wurde. Passend zu ihrem 200. Todestag war das eine schöne Würdigung für die Landschaftsarchitektin, die das Tal mit ihren Ideen so sehr geprägt hat.

Text: Philipp Demankowski

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