Filmkritik „Schlaf“: Deutschland, ganz finster

Fotos: © Edition Salzgeber
0
Im Debütfilm Schlaf von Michael Venus begibt sich Protagonistin Mona auf der Suche nach der eigenen Herkunft in die Niederungen der deutschen Provinz.

Die Stewardess Marlene (Sandra Hüller) lebt mit ihrer Tochter Mona (Gro Swantje Kohlhof) zusammen und wird von seltsamen Alpträumen geplagt, die irgendwie mit ihren Wurzeln zu tun haben müssen. In einer Zeitungsannonce findet sie reale Vorbilder für die Erinnerungsfetzen in ihren Träumen. Sie reist in das Dorf Stainbach, verfällt dort aber bald in einen Stupor, einen Zustand geistig-körperlicher Erstarrung, nachdem sie von drei Selbstmorden im lokalen Hotel Sonnenhügel erfährt. Auf den Spuren ihrer Mutter findet sich auch Mona in dem Horrorhotel wieder, das sich bestens in die Riege gruseliger Absteigen der Filmgeschichte einreiht. Bald geschehen seltsame Ereignisse und Mona lernt im Umfeld des Hotels allerhand dubiose Gestalten kennen, unter denen vor allem Hotelbesitzer Otto (August Schmölzer) heraussticht.

Männer sind Schweine

Es wird viel aufgefahren in diesem Mystery-Thriller: Pure Aggressivität, toxische Männlichkeit, Neonazismus, Symbolik. Zum Ende hin verdichten sich die Zutaten zu einem Höhepunkt der Grausamkeiten, der dem Zuschauer einiges abverlangt, aber trotzdem nie überzeichnet wirkt. Michael Venus wandelt in seinem Debütfilm mit beeindruckender Stilsicherheit zwischen Alptraum und traumatischer Realität. Er macht nicht den Fehler große Namen wie Michael Haneke oder David Lynch nur zu zitieren. Vielmehr spürt man zwar schon eine Verbeugung vor den großen Vorbildern, „Schlaf“ verliert dabei aber nie seine eigene Prägung. Es ist ein durch und durch deutscher Film, nur dass er eben die hässlichen Seiten der deutschen Provinz ausbuchstabiert. Kleinstadt-Fans werden auf eine harte Probe gestellt. Auch dass Männer Schweine sind, wird nach der Sichtung des Films niemand mehr bestreiten. Und es wird deutlich, dass Schlaf nicht immer die Lösung sein kann. Manchmal macht er alles nur noch schlimmer.

Perfektes Casting

Unterstützt wird Micheal Venus durch eine durchweg hervorragend aufgelegte Darstellerriege. Sandra Hüller ist ja immer gut. Wie sie sich langsam aus ihrem katatonischen Zustand befreit, ist schmerzhaft anzusehen. Auch Gro Swantje Kohlhof spielt auf den Punkt. Trotz ihrer Zerbrechlichkeit stemmt sie sich mit aller Kraft gegen die schrecklichen Ereignisse, die ihr nach und nach zustoßen. Ausdrücklich loben muss man das Casting. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, die für jüngere Versionen der Charaktere gefunden wurden, passen wie die Faust aufs Auge. Denn natürlich muss man für die Lösung der aufgestellten Rätsel tief in die Vergangenheit vordringen.

Text: Philipp Demankowski
Schlaf
Regie: Michael Venus
Filmstart: 29. Oktober 2020

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X