21.900 Tage Holger John

Holger John / Portrait: © Thomas Fröhlich
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„Ich bin mein eigenes Vorprogramm. Ich habe noch gar nicht angefangen!”

Holger John erblickte an einem Sonntag in der Osterzeit in einem Lustschloss im Havelland das Licht der Welt. Seither treibt ihn die Neugier um. Der Kunst ist er bereits familiär verbunden. Vater Joachim John stammt aus einer Gärtnerfamilie, hat sich aber auch als Zeichner und Autor einen Namen ge­macht. Mütterlicherseits tauchen im Stammbaum der Familie seit 1210 unter anderem Pastoren, Lehrer und auch ein echter französischer Musketier auf, dem John sich verbunden fühlt. Frühzeitig zog es ihn ans Meer, so dass er bereits als Sonntags­kind das aufsteigende Vineta vor Usedom erblicken konnte.

John ist ein leiser Beobachter und sieht sich als romantischen Surrealisten. Bei Otto Niemeyer-Holstein erhielt er Zeichen­unter­richt, bei Hedwig Bollhagen lernte er das Töpferhandwerk. Später kam ein Studium für Gestaltung in Berlin dazu, und er wurde an der Kunstakademie Dresden immatrikuliert. Zu seinen Lehrern zählten Siegfried Klotz, Elke Hopfe, Claus Weidens­dorfer, Gerhard Kettner und Ralf Kerbach. Zur Diplom­ver­teidigung engagierte er einen Anwalt. Mit dem Dresdner Kunst­verein organisierte er die großen Ausstellungen von Jörg Immen­dorff, dessen Assistent er später wurde, und die Aus­stellung von Georg Baselitz im Dresdner Residenzschloss mit.

Holger John 1989 in Paris / Polaroid: © Holger John

Legendär sind auch seine Spektakel und Kunstevents, die auch Dresden als Kunst- und Kulturstadt prägten: Der „Filmball Titanic” im Heizkraftwerk Dresden-Mitte, das „imaginäre Museum” während der Museumssommernächte, die „Stadt der Wissenschaften” oder die „Kunstspektakel zum Frühlings­salon” an der Hochschule für Bildende Künste, um nur einige zu nennen. Auch auswärts legt er Feuer, so etwa bei den „Ramm­stein Music Awards” im Olympiastadion Berlin.

Hubertus Giebe meint: „Holger John ist nicht nur ein immens hochbegabter Zeichner, er ist gleichermaßen – und gleichzeitig – Impressario, Unruhegeist, Schauspieler, Eventmanager, Kunst­lehrer und ‚Akademieselbstgründer‘, Galerist und süffisanter, poetischer Anarchist, Grenzgänger, Häretiker auch des neuhybriden Establishments, kurz – ein ‚Steppenwolf‘ unserer Tage.”

Und was macht die bildnerische Qualität der Blätter Johns aus? Sie sind nicht chic, nicht infantil oder angepasst, kein Neo-Punk. Spröde und kratzig, scharf, schneidend oder elegant und schwingend werden die Linien ins unschuldige weiße Papier gesetzt. Der zeichnerische Variantenreichtum ist erstaunlich. Und nichts ist harmlos! Die Sujets des vermeintlichen Spaß­machers John können einem im Halse stecken bleiben. Als Zeich­ner ist er Moralist wie George Grosz, ein todernster Clown, der unsere Chronik niederschreibt. Holger John ist ein besessener Arbeiter, großartiger Formenerfinder und Erzähler der Exis­tenz auf einem kleinen Blatt Papier. John, Ur-Zeichner und Welt­fresser, der unentwegt seine Syntax variiert und damit dem Rat für „das Schöpferische“ von Max Jacob nachfolgt, hat dieses magische Refugium mit mächtiger Spur betreten. In Dresden und nun schon weltausschweifend seit drei Jahrzehnten mit Meer­salz, „Rammstein“ und rauer Seeluft im Pelz das „Sonn­tagskind“, der „Lustgärtner“ aus Usedom.

Ein klassisches Fest der Zeichnung ist nun in Vorbereitung. Und John malt wieder. Auch da wird 2020 eine weitere Retros­pektive im Penck Hotel folgen. Als Galerist hat er in seiner Gale­rie im Barockviertel, die vor sechs Jahren gegründet wurde, fast 60 spektakuläre Ausstellungen mit Außenwirkung umgesetzt. Sein persönlicher Porträtfotograf Thomas Fröhlich zeigt im Mai eine Reihe chronologischer Konterfeis des umtriebigen Ma­chers. Und John selbst behauptet: „Ich bin mein eigenes Vor­pro­gramm – ich habe noch gar nicht angefangen.”

Kontakt über
GALERIE HOLGER JOHN
Rähnitzgasse 17, 01097 Dresden
www.galerie-holgerjohn.com

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