21.900 Tage Holger John
„Ich bin mein eigenes Vorprogramm. Ich habe noch gar nicht angefangen!”
Holger John erblickte an einem Sonntag in der Osterzeit in einem Lustschloss im Havelland das Licht der Welt. Seither treibt ihn die Neugier um. Der Kunst ist er bereits familiär verbunden. Vater Joachim John stammt aus einer Gärtnerfamilie, hat sich aber auch als Zeichner und Autor einen Namen gemacht. Mütterlicherseits tauchen im Stammbaum der Familie seit 1210 unter anderem Pastoren, Lehrer und auch ein echter französischer Musketier auf, dem John sich verbunden fühlt. Frühzeitig zog es ihn ans Meer, so dass er bereits als Sonntagskind das aufsteigende Vineta vor Usedom erblicken konnte.
John ist ein leiser Beobachter und sieht sich als romantischen Surrealisten. Bei Otto Niemeyer-Holstein erhielt er Zeichenunterricht, bei Hedwig Bollhagen lernte er das Töpferhandwerk. Später kam ein Studium für Gestaltung in Berlin dazu, und er wurde an der Kunstakademie Dresden immatrikuliert. Zu seinen Lehrern zählten Siegfried Klotz, Elke Hopfe, Claus Weidensdorfer, Gerhard Kettner und Ralf Kerbach. Zur Diplomverteidigung engagierte er einen Anwalt. Mit dem Dresdner Kunstverein organisierte er die großen Ausstellungen von Jörg Immendorff, dessen Assistent er später wurde, und die Ausstellung von Georg Baselitz im Dresdner Residenzschloss mit.
Legendär sind auch seine Spektakel und Kunstevents, die auch Dresden als Kunst- und Kulturstadt prägten: Der „Filmball Titanic” im Heizkraftwerk Dresden-Mitte, das „imaginäre Museum” während der Museumssommernächte, die „Stadt der Wissenschaften” oder die „Kunstspektakel zum Frühlingssalon” an der Hochschule für Bildende Künste, um nur einige zu nennen. Auch auswärts legt er Feuer, so etwa bei den „Rammstein Music Awards” im Olympiastadion Berlin.
Hubertus Giebe meint: „Holger John ist nicht nur ein immens hochbegabter Zeichner, er ist gleichermaßen – und gleichzeitig – Impressario, Unruhegeist, Schauspieler, Eventmanager, Kunstlehrer und ‚Akademieselbstgründer‘, Galerist und süffisanter, poetischer Anarchist, Grenzgänger, Häretiker auch des neuhybriden Establishments, kurz – ein ‚Steppenwolf‘ unserer Tage.”
Und was macht die bildnerische Qualität der Blätter Johns aus? Sie sind nicht chic, nicht infantil oder angepasst, kein Neo-Punk. Spröde und kratzig, scharf, schneidend oder elegant und schwingend werden die Linien ins unschuldige weiße Papier gesetzt. Der zeichnerische Variantenreichtum ist erstaunlich. Und nichts ist harmlos! Die Sujets des vermeintlichen Spaßmachers John können einem im Halse stecken bleiben. Als Zeichner ist er Moralist wie George Grosz, ein todernster Clown, der unsere Chronik niederschreibt. Holger John ist ein besessener Arbeiter, großartiger Formenerfinder und Erzähler der Existenz auf einem kleinen Blatt Papier. John, Ur-Zeichner und Weltfresser, der unentwegt seine Syntax variiert und damit dem Rat für „das Schöpferische“ von Max Jacob nachfolgt, hat dieses magische Refugium mit mächtiger Spur betreten. In Dresden und nun schon weltausschweifend seit drei Jahrzehnten mit Meersalz, „Rammstein“ und rauer Seeluft im Pelz das „Sonntagskind“, der „Lustgärtner“ aus Usedom.
Ein klassisches Fest der Zeichnung ist nun in Vorbereitung. Und John malt wieder. Auch da wird 2020 eine weitere Retrospektive im Penck Hotel folgen. Als Galerist hat er in seiner Galerie im Barockviertel, die vor sechs Jahren gegründet wurde, fast 60 spektakuläre Ausstellungen mit Außenwirkung umgesetzt. Sein persönlicher Porträtfotograf Thomas Fröhlich zeigt im Mai eine Reihe chronologischer Konterfeis des umtriebigen Machers. Und John selbst behauptet: „Ich bin mein eigenes Vorprogramm – ich habe noch gar nicht angefangen.”
Kontakt über
GALERIE HOLGER JOHN
Rähnitzgasse 17, 01097 Dresden
www.galerie-holgerjohn.com