Im neuen alten Glanz: Im Gespräch mit Dr. Stephan Koja

Dr. Stephan Koja, Direktor Gemäldegalerie Alte Meister und Skulpturensammlung bis 1800, Foto: David Pinzer
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Der Bauzaun ist noch nicht abgebaut, aber ein Ende ist in Sicht. Es sind die letzten Monate, bevor die Gemäldegalerie Alte Meister nach mehrjähriger Sanierungsphase Februar 2020 komplett wiedereröffnet wird. Seit 2016 führt der aus Wien stammende Dr. Stephan Koja die weltweit renommierte Sammlung, die auch die Skulpturensammlung (Antike bis 1800) beinhaltet. Wir trafen den 56-Jährigen in seinem Büro in der Sempergalerie und sprachen mit ihm über die Neukonzeption der Gemäldegalerie Alte Meister und über die kommenden Ausstellungsprojekte.
Top: Sie sind nun seit dreieinhalb Jahren als Direktor der Gemäldegalerie tätig. Welche Vorhaben konnten Sie in dieser Zeit bereits umsetzen?

Dr. Stephan Koja: Ich konnte erfreulicherweise bereits sehr viel umsetzen. Als ich kam, standen wir ja vor der primären Herausforderung, Gemäldegalerie und Skulpturensammlung gemeinsam zu präsentieren. Einer der ersten Schritte war es dabei, der Skulpturensammlung mehr Sichtbarkeit zu verleihen, indem wir den Skulpturengang geschaffen haben, einen Raum, in dem früher die Bellotto-Bilder hingen und in dem heute durch die unverschatteten Fenster die Renaissance- und Barockskulpturen mit viel Tageslicht inszeniert werden. Das wurde extrem gut angenommen. Darüber hinaus haben wir die berühmte Mengssche Abgusssammlung in den Deutschen Pavillon verlegt und neu aufgestellt.

Foto: © SKD – David Pinzer Fotografie
Top: Die Lichtsituation hat sich aber nicht nur durch das Hinzufügen von Tageslicht geändert.

Dr. Stephan Koja: Die Beleuchtung war wirklich unzureichend, als ich zur Gemäldegalerie kam. Jetzt ist es gelungen, das ganze Haus mit einer modernen Zusatzbeleuchtung auszustatten. Wir können also jenen Bildern helfen, die diese Hilfe brauchen. Dazu gehört auch die „Sixtinische Madonna“, die ja eine sehr stille, zurückhaltende Aura hat. Auch das Grau der Wandfarben machte einen deprimierenden Eindruck. In zwischen wurde die Stoffbespannung gewechselt. Die Italiener werden nun auf sattem Rot präsentiert, die Niederländer und Deutschen auf elegantem Grün und die Franzosen und Spanier auf kräftigem, dunklem Blau.

Top: Welche Prämisse stand hinter diesen Veränderungen?

 Dr. Stephan Koja: Mit all diesen Maßnahmen wollen wir den Glanz der Gemäldegalerie zurückgewinnen und an ihre Ursprünge erinnern. Gottfried Semper hatte mit der Sempergalerie ja geradezu ein Schloss für diese fürstlichen Sammlungen gebaut. Es war immer mein Ziel, den prächtigen Ein druck wiederherzustellen, den die Gemäldegalerie in ihrer Anfangszeit auf die Besucher machte. Das historische Vorbild bietet uns eine wichtige Orientierung. Dabei spielen natürlich auch die 1.500 geschnitzten vergoldeten Rahmen, mit denen die Bilder versehen sind, eine entscheidende Rolle. Mein großes Ziel ist, dass sich die Menschen an den Besuch erinnern. Wir wollen wirklich starke Eindrücke vermitteln. Deshalb haben wir uns bemüht, ein möglichst abwechslungsreiches Erscheinungsbild zu bieten. Kein Saal ist wie der andere.

Foto: © SKD – David Pinzer Fotografie
Top: Spiegeln sich diese Gedanken auch in neuen Hängungskonzepten wider?

Dr. Stephan Koja: Absolut. Wir hängen wieder nach Schulen und wollen generell die Stärken der Gemäldegalerie akzentuieren. Eine Stärke ist natürlich die Fülle an hochkarätigen Kunst werken. So können wir gleich vier Altarbilder von Correggio oder 16 Veduten von Bellotto zeigen. Es wird einen Cranach-Saal mit 40 Bildern des Renaissance-Malers geben. Auch die restaurierten flämischen Tapisserien aus der Werkstatt von Pieter van Aelst, unwahrscheinlich kostbar, da vielfach Gold- und Silberfäden eingewebt wurden, kommen in einem eigenen Raum ganz neu zur Geltung. Und das weltweit einmalige Pastellkabinett, das gerade mit kostbaren Seidendamast ausstaffiert wurde, wird in ganz neuer Pracht erstrahlen.

Top: Nach der Sanierung werden auch gänzlich neue Ausstellungsräume zur Verfügung stehen…

Dr. Stephan Koja: Ich hatte mir vorgenommen, die Sammlung ein Stück beweglicher zu machen. Wir können ja nur maximal ein Fünftel unseres Bestandes zeigen. Bei den Skulpturen ist das Verhältnis noch extremer. Von 28.000 Exponaten können wir gerade mal 1.100 ausstellen. Zum Glück stehen uns für Wechselausstellungen nun neue Räume zur Verfügung. Im ersten Obergeschoss haben wir einen Raum dazugewonnen, den wir „Semper-Kabinett“ nennen. Dort können wir kleine, fokussierte Präsentationen zeigen, die zum Beispiel spektakuläre Restaurierungen vorstellen. Beginnen werden wir mit dem „Mars“ von Giambologna, bevor hier im neuen Jahr ein frühes Madonnen-Bild von Raffael aus Pasadena inmitten anderer Mariendarstellungen gezeigt wird. Die gesamte Westseite des Erdgeschosses wird zudem künftig als Fläche für wechselnde Präsentationen genutzt. Dort werden wir ab April aus Anlass seines 500. Todestages eine große Raffael-Ausstellung zu den Tapisserien und ihrer Wirkung zusammenstellen. Im Herbst werden wir in diesen Räumen dann ein prominentes Bild von Caravaggio präsentieren und mit herausragenden Cara vaggis – ten unserer Sammlung in Beziehung setzen. Und 2021 wird das spektakulär restaurierte „Brieflesende(s) Mädchen am offenen Fenster” von Jan Vermeer zum Mittelpunkt einer großen Ausstellung.

Top: Welcher Gedanke steckt hinter dem Vorhaben, Skulpturen und Gemälde einander gegenüberzustellen?

Dr. Stephan Koja: Maler und Bildhauer beeinflussen sich in der Kunstgeschichte stets gegenseitig, sie beziehen sich aufeinander. Um nur ein prominentes Beispiel zu nennen: Im Bild „Die Opferung Isaaks“ von Andrea del Sarto ist der Isaak einem der Söhne der antiken Laokoon-Gruppe nachempfunden. Ein Werk, das nach seiner Wiederentdeckung 1506 in Malerei und Skulptur enorme Wirkung entfaltete. Überhaupt ist die Antike für beide Künstlergruppen unbestrittenes Vorbild. Und das wird durch die Gegenüberstellung deutlich.

Top: Erschließen sich diese Zusammenhänge auch dem kunsthistorischen Laien?

Dr. Stephan Koja: Mir war immer wichtig, dass der Kontext sofort sichtbar wird. Wenn wir beispielsweise dem „Tanzenden Faun“ von Adriaen de Vries einen Faun aus der Antike gegenüberstellen, erkennt der Betrachter die Zusammenhänge sofort. Natürlich kann man heute nicht mehr das große religiöse und mythologische Wissen voraussetzen. Zudem haben wir viele Gäste aus anderen Kulturkreisen, die natürlich nicht viel über unsere abendländischen Erzähltraditionen wissen. Deshalb wollen wir mit den Führungen, mit den Audio-Guides und den Beschriftungen die Zugänglichkeit erhöhen. Trotz – dem ist Kunst eine universale Sprache, die in ihrer Meisterschaft auch ohne Vorwissen erfasst werden kann.

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