Scheuklappen unerwünscht
In der ersten Spielzeit von Neu-Intendantin Carena Schlewitt setzt man im Europäischen Zentrum der Künste auf ein vielfältiges Programm, in dem Tanz, Musik, Theater und Performances annähernd gleichrangig zum Zug kommen. Neben zahlreichen Tagesveranstaltungen stehen bis Jahresende spannende Festivals im Festspielhaus Hellerau an, darunter zwei Neuzugänge.
Nachdem der Spielzeitzug im Festspielhaus Hellerau bereits gut in Fahrt gekommen ist und mit neuem Layout, Website und leicht geänderter Schwerpunktsetzung im Programm daherkommt, stehen ab November spannende Neukonzepte an, die den Weg in den Norden auch für überzeugte Zentrumsdresdner attraktiv machen. Zunächst wäre da „4:3 Kammer Musik Neu“ vom 9. bis 11. November, ein frisches jährliches Festival, das die zeitgenössische Kammermusik generell und gleichzeitig die kammermusikalische Gemeinschaft als spezifisches künstlerisches Mikrozentrum in den Fokus setzt. Der Titel „4:3“ hat dabei sicher auch mit dem vertrauten Bildverhältnis zu tun, eher noch aber mit dem Frequenzverhältnis der reinen Quarte, die wiederum als Tusch oder im deutschen Martinshorn Verwendung findet. Das passt, denn das Festival will mit einer Mischung aus etablierten und jüngeren Künstlern und Künstlerinnen für Signalwirkung sorgen. Unkonventionelle Formationen sind dabei durchaus erwünscht.
Junges Theater
Auch Kooperationen sollen in Hellerau verstärkt werden. Nachdem DAVE, das Festival für Clubkultur, im Festspielhaus erstmals eröffnet wurde, beteiligt man sich im Haus vom 15. bis 18. November auch an „Fast Forward“, dem Europäischen Festival für junge Regie, das vom Staatsschauspiel Dresden organisiert wird. In Hellerau kommen dabei zwei Stücke zur Aufführung. So wird an zwei Tagen „Orchiektomie rechts“ von Noam Brusilovsky gezeigt. Der israelische Theater- und Hörspielregisseur thematisiert in dem Stück seine eigene Hodenkrebserkrankung. Bei „Yvonne, Prinses van Bourgondië“ des polnischen Autors Witold Gombrowicz geht es dagegen um eine Hofgesellschaft, die durch die Verlobung des Prinzen mit der Außenseiterin Yvonne aus der Bahn geworfen wird. Zusammen mit seinem siebenköpfigen Ensemble inszeniert der Belgier Timeau De Keyser Gombrowiczs die bitterböse Komödie auf einer kreisrunden Bühne.
Blick nach Osten
Einen der Spielzeithöhepunkte gibt es dann vom 22. November bis zum 2. Dezember. „Polski Transfer“, das Festival des aktuellen polnischen Theaters widmet sich explizit der Bühnenlandschaft bei unseren östlichen Nachbarn. Aber nicht nur genuines Theater, auch Performances, Musik, Filme, Installationen, Begegnungen und Diskussionen werden anlässlich der 100-jährigen Unabhängigkeit Polens bei „Polski Transfer“ zusammengeführt. Das Festival stellt explizit die Frage nach einer Neubetrachtung der polnischen Geschichte, gerade im Kontext des nach rechts gerückten Nationalstaates. Zudem forscht es nach einem zeitgemäßen Demokratieverständnis und der Rolle der polnischen Bürgerinnen und Bürger in einer aktiven Zivilgesellschaft.
Spielplan, Karten etc. unter www.hellerau.org/de
Text: Philipp Demankowski