Filmkritik „Der Affront“: Konflikt mit Konsequenzen
Im libanesischen Film Der Affront hat eine kleine Meinungsverschiedenheit gefährliche Folgen.
Eine Auseinandersetzung, die eigentlich kaum der Rede wert ist, steht am Anfang von „Der Affront“. Der Konflikt im Films des libanesischen Regisseurs Ziad Doueiri, 2018 für den besten fremdsprachigen Film nominiert, entzündet sich dann aber schnell. Der Bauingenieur Yasser, palästinensischer Flüchtling in Beirut, will Ausbesserungen an einem Wohnhaus vornehmen, in dem auch der Christ Tony wohnt. Dieser verbietet die Maßnahmen, woraufhin ihn Yasser beschimpft. Eine Spirale des Unverständnisses entwickelt sich, die zunächst vor allem durch maskulinen Stolz und dann immer mehr von gesellschaftlichen Ressentiments geprägt wird.
Der Film zeigt in beeindruckender Weise, dass Worte genauso gefährlich sein können wie Taten. Auch persönliche Konflikte können eskalieren. Die eigentliche Auseinandersetzung wächst den Protagonisten irgendwann über den Kopf. Nachdem sich Ehefrauen, Arbeitgeber und Freunde eingeschaltet haben, geht es schließlich vor Gericht. Sogar beim Präsidenten müssen Yasser und Tony zum Rapport antreten.
Bis vor Gericht
Was sie da in Gang gesetzt haben, können sie zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr kontrollieren. In einer der schönsten Szene des Films helfen sich die beiden Hauptcharaktere dann doch gegenseitig trotz noch nicht abgeschlossener Gerichtsverhandlung. Der Film schafft es dabei auch beim unbedarften Zuschauer ein Gefühl für die Gemengelage in der Region zu entwickeln. Nur die wenigsten Zuschauer in unseren Breiten werden Mentalität und Geschichte des Libanons gut kennen. Wenige werden vom Massaker von Damur wissen, bei dem 1976 palästinensische und moslemische Milizen bis zu 500 christliche Libanesen töteten, eine Vergeltungsaktion für das Massaker von Karantina zwei Tage vorher.
Ständige Unruhe
Auch der 15 Jahre wütende libanesische Bürgerkrieg ist nun auch schon wieder 28 Jahre vorbei. Aus dem Gedächtnis der Weltbevölkerung ist er getilgt. Sowohl das Massaker als auch der Bürgerkrieg sind zentrale Traumen für die Charaktere in „Der Affront“. Zur Ruhe scheint Beirut ohnehin nicht gekommen zu sein. Die Menschen und die Stadt selbst sind von einer ständigen Unruhe durchzogen. Das suggeriert die nie stillstehende, nervöse Kamera. Das wird aber auch durch die hektischen Straßenszenen zwischen den vom Krieg gezeichneten Gebäuden deutlich. Bei all der Rastlosigkeit vermittelt der Film aber stets, dass sich die Beiruter nach Normalität und Ruhe sehnen. Umso schöner sind die Szenen, in denen der mitunter recht tiefe Graben in der Seele der Männer übersprungen werden kann.
Der Affront
Regie: Ziad Doueiri
Kinostart: 25. Oktober 2018
Text: Philipp Demankowski