ODYSSEE am Staatsschauspiel Dresden: Wie Weiterleben?

Odyssee von Roland Schimmelpfennig, Regie: Tilmann Köhler / Foto: Sebastian Hoppe
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Eine Neufassung der ODYSSEE ist Roland Schimmelpfennigs erste Auftragsarbeit für das Staatsschauspiel Dresden. Unter der Regie von Tilmann Köhler ist gesellschaftskritisches Theater mit Bezügen zum Syrienkrieg, der Mission Lifeline und auch Pegida entstanden, das beim Zuschauer noch lange nachwirkt.

Eroberer sind auch nur Verlierer

Odysseus Gefährten, gezeichnet und verändert durch die schrecklichen Erlebnisse des zehnjährigen Krieges, ersehnen die Heimkehr und fürchten sich gleichzeitig vor ihr. Wird man sie erwarten, feiern, freudig aufnehmen? Oder haben längst andere Männer ihren Platz eingenommen? Werden ihre Kinder – nach den vielen Jahren selbst Er­wachsene – sie noch erkennen? Zögerlich verschieben sie die Rückreise immer wieder voller Sorge, dass ihr Zuhause ihnen keine Heimat mehr sein wird. Aus Eroberern wurden selbst Flüchtlinge, entfremdet von ihren Familien. Kann ihr Leben jemals wieder werden wie vor dem Krieg?

Odyssee: Matthias Reichwald (vorne), Philipp Lux, Luise Aschenbrenner, Eva Hüster, Karina Plachetka, Moritz Kienemann (hinten) / Foto: Sebastian Hoppe

Realitätsflucht auf der Rückbank

Penelope wartet auf die Rückkehr ihres Gatten Odysseus. Der Krieg ist längst vorbei, doch der „Städtezerstörer” Trojas kommt nicht nach Hause. Weshalb? Ist er nicht mehr am Leben? Kann er nicht zurück? Will er nicht zurück? Die inzwischen an seiner Heimkehr zweifelnde Gattin bricht gelegentlich aus ihrem Alltag aus: Sie fährt nachts mit einem Lehrer, der ihr gleichzeitig Liebhaber und Geschichten­erzähler ist, in seinem Klein­wagen in die Berge. Dort lässt sie ihn nach dem Sex auf der Rückbank Storys über den Verbleib des Odysseus erfinden. Immer vor Tages­anbruch fahren beide zu­rück, wohnt die Königin doch mit Kind und Schwieger­mut­ter zusammen und versucht, die Fas­sade der treuen Gattin aufrecht zu erhalten.

Neuer Tag, neues Glück?

Eos, Göttin der Morgenröte, erscheint, begleitet von eindringlichen Gesängen. Ist jetzt die Zeit für einen Auf­bruch? Was bringt der neue Tag? Die Irrfahrt führt die Gefährten des Odysseus durch Stürme zu einer Insel, wo die herzliche Gast­freundschaft der Bewohner schnell aufgebraucht ist, durch die Höhle des Zyklopen und gar in die Unterwelt. Die Schau­spieler wechseln hierbei mehrfach Rollen und Perspektiven, von Handelnden zu Erzählern und zurück.

Odyssee – v.l.: Eva Hüster, Karina Plachetka, Luise Aschenbrenner / Foto: Sebastian Hoppe

Aktuelle Bezüge und Gesellschaftskritik werden deutlich, wenn etwa „ein Grundrecht auf einen Rettungsring” und „ein Grundrecht auf Heimat” gefordert werden.

Schließlich öffnet sich die Bühne nach hinten. Angezogen vom unwiderstehlichen Gesang der Sirenen schweben die Reisenden in Richtung Himmel, stürzen jedoch hart zurück auf den Boden der Wirklichkeit.

Schließlich erscheint Odysseus, gealtert, die Haut vernarbt, verroht und verzweifelt zurück auf Ithaka. In der eigenen Heimat fremd geworden, streift der Getriebene umher und tötet alle, die er für mögliche Lieb­haber seiner Gattin hält. Den Lehrer verschont er, sieht in ihm keinen möglichen Kon­kurrenten. Und letztendlich überlegt der König, ob er nicht selbst besser Lehrer geworden wäre statt Krieger …

Odyssee – vorn: Albrecht Goette, und Hannelore Koch / Foto: Sebastian Hoppe

Wenn alles passt

Das Stück in der gelungenen Regie von Tilmann Köhler ist ideal für die großartigen Schauspieler: Luise Aschenbrenner, Albrecht Goette, Eva Hüster, Moritz Kiene­mann, Hannelore Koch, Philipp Lux, Karina Plachetka und Matthias Reichwald machen den Besuch des Stücks zu einem grandiosen Theater-Erlebnis. Nahezu pures Sprech­­­theater ist hier zu genießen.

Die mit hohen Holzwänden und -boden zurückhaltend ge­staltete Bühne (Karoly Risz) öffnet und schließt sich im Ver­lauf des Stücks wie ein riesiges Tor. Der Einsatz von Licht (Michael Gööck) und Kostümen (Susanne Uhl) ist zu­rückhaltend und so perfekt, nichts lenkt ab von den Schau­spielern. Einzige Requisiten sind eine Vielzahl bunter Koffer – das Erkennungsmerkmal von Reisenden –, die im Laufe des Stücks gerollt, geschwungen und geworfen werden.

Einen Besuch des Stückes sollten Sie unbedingt einplanen. Die Besucher der Uraufführung reagierten begeistert und dankten mit langem Applaus.

Odyssee

von Roland Schimmelpfennig, Regie: Tilmann Köhler
1 Stunde, 45 Minuten. Keine Pause.
Schauspielhaus, Theaterstraße 2, 01067 Dresden
Termine, Karten etc. unter www.staatsschauspiel-dresden.de

Text: Jörg Fehlisch

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