Trends, Stil und Wellenlängen

Holger Knievel im Restaurant „Elements“ / Foto: Felix Posselt
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Im Gespräch mit  Holger Knievel über Mode, Stil und Styling.

Es ist nicht das erste Interview, das Holger Knievel dem Top Magazin Dresden gibt. Für die Jubiläumsausgabe treffen wir den Dresdner Friseur im Restaurant „Elements“. Wir sitzen in gemütlichen Ledersesseln, er bestellt Weißweinschorle und überrascht uns gleich mit einer herausfordernden Frage nach dem aktuellen Trend in Sachen Haarfarben: Pudriges Kaschmir – was stellen wir uns darunter vor? Wir werden im Gespräch noch darauf zurück­kommen. Als Mitinitiator der „Catwork“, bei der Nachwuchs­designer ihre Kreationen vorstellen durften und die Anfang der 2000er Jahre insgesamt elf Mal stattfand, hat er nicht nur zum Thema Haarstyling viel zu erzählen, sondern kann auch in Sachen Mode und Stil mitreden.

Gibt es Deiner Meinung nach einen speziellen Dresdner Modestil?

Holger Knievel: Ich persönlich kann keinen speziellen Dresdner Stil erkennen, finde es aber auch nicht zwingend notwendig, dass wir so etwas haben müssen. Meine Philosophie ist: Jeder sollte für sich das Optimale rausholen. Dazu gehört auch, dass man einfach mal einen Trend auslässt – selbst, wenn ihn alle anderen favorisieren. Als Friseur bin ich nicht nur für den Kopf da. Die Person endet nicht am Ende des Frisierumhangs, sondern wir nehmen sie im Ganzen wahr, beziehen körperliche Gegeben­heiten und Aktivitäten ein. Mein Wunsch ist es, mit den Kun­den ein Stück ge­meinsam zu gehen, Vertrauen aufzubauen. Ich habe sehr viele Stammkunden. Bei uns im Salon nehmen wir uns Zeit für ausgiebige Beratung, und diese bezieht sich oft eben nicht nur aufs Haar.

Kann man sagen, dass Du eine besondere Affinität zur Mode hast?

Wenn wir keine Affinität zur Mode hätten, würden wir wohl alle noch im Adams­kostüm rumflitzen! Man muss sich also ganz zwangsläufig mit Mode auseinandersetzen. Wenn zum Beispiel jemand bei mir am Schaufenster barfuß vorbeiläuft, dann frage ich mich doch nach den Beweggründen dieser  Person. Genauso ist es, wenn das Outfit auffällt. Mode ist für alle wichtig und interessant. Wir als Friseure leben vom natürlichen Schmuck des Menschen, dem Haupthaar, das ebenso wie der Hut Ausdruck eines gesell­schaft­lichen Status ist. So wird Mode auch in der Kunst aufgefasst.

Welche Trends begegnen uns aktuell?

Mit Trends ist es so eine Sache. Sie werden von jemandem kreiert. Es stellt sich dabei immer die Frage, ob man sie selbst auf Teufel komm raus umsetzen sollte. Viele Trends sind auch auf der Straße zu sehen und werden dann von Influen­cern aufgegriffen. Doch frage ich mich immer mal wieder, ob diese neutral sind oder schon indus­triell gesteuert. Wenn man viel unterwegs ist, sieht man natürlich auch mehr Trends. Meine Erfahrung jedoch ist es, dass Stil etwas ganz Persönliches ist. Jeder sollte seinen eigenen persönlichen Look finden und diesen immer weiterentwickeln. Das ist ein Prozess, der über Jahrzehnte dauern kann. Fehlkäufe sind da nicht ausgeschlossen. Besonders wirkungsvoll (und gleichzeitig stressfrei) ist es, nur ein einzelnes Element eines aktuellen Trends aufzunehmen, zum Beispiel eine kreative Haarfarbe. Das Gute ist, dass wir in Dresden Designer haben, von denen wir uns inspirieren lassen können, aber genauso gut können wir per Maus­klick weltweit schauen, was auf dem Modemarkt los ist. So kann jeder seinen eigenen Stil finden.

Holger Knievel im Restaurant „Elements” in Dresden / Foto: Felix Posselt

Du holst Dir selbst auch viel Inspiration im Ausland…

Reisen erweitert den Horizont. Ich fahre beispielsweise zu Messen, um mich mit Berufskollegen auszutauschen. Zur Modemetropole London habe ich eine besonders große Affini­tät. Diese Stadt inspiriert mich! Ansonsten fühle ich mich auch rund ums Mittelmeer sehr wohl. Dort ist es noch so, dass sich „Frau“ besonders präsentiert. Es wird viel stärker mit der Weiblichkeit ge­spielt. Im Zuge der MeToo-Bewegung können wir diesen Aspekt aktuell anzweifeln, aber letzt­endlich ist und bleibt doch ein Kom­pli­ment ein Kompli­ment.

Welchen Stellenwert hat die Dresd­ner Designerszene für Dich persönlich?

Mit dem „Catwork“ – die erste fand 1998 statt – haben Visagist Ronald Brendler und ich Partner gesucht, die im Bereich Beauty arbeiten und uns optimal ergänzen. Da waren auch Dresdner Designer dabei, Helena Marx fällt mir spontan ein und noch einige andere. Oder auch Dorothea Michalk, die sich als Dresdner Designerin einen Namen gemacht hat. Als wir mit dem „Catwork“ im Alten Schlachthof waren, haben allein vier Dresdner Nach­wuchs­designer mitgemacht.

In einem Interview mit dem Top Magazin vor vier Jahren hattest Du angedeutet, dass eine Wiederauflage vom „Catwork“ nicht ausgeschlossen ist….

Den „Catwork“ wird es wohl in dieser Art nicht wieder geben. Für die Zeit damals war sie eine schöne Heraus­forde­rung, und die Ver­anstaltung ist gewachsen, wir hatten sowohl Designer aus Dresden als auch Absolventen europäischer Mode­schulen dabei. Am Ende hatten wir 30 Nach­wuchs­designer, die ihre eigene Vision zeigen konnten. The­matisch waren sie nicht festgelegt und deshalb konnten wir bei den Frisuren regelrecht ,,ausflippen”. Wir kreierten Sachen, die die Schwer­kraft besiegen sollten und eigentlich untragbar waren – zum Beispiel ein Hula-Hoop-Reifen als Haarkrone. Das war wirklich eine fantastische Zeit! Inzwischen spielt der Zeitfaktor eine Rolle und das Konzept ist auf Eis gelegt. Man könnte es aktivieren, aber das ist erst mal nicht geplant. Schade eigentlich. Eigentlich warten wir sehnsüchtig darauf, dass so etwas mal wieder ins Leben gerufen wird.

Das Thema Mode ist weiterhin bei Dir präsent. Du veranstaltest auch Mode-Events bei Dir im Salon?

Kürzlich hatte ich eine Modenschau bei mir im Salon, bei der es um das Thema „Mantel“ ging. Die Designerin war aus Hamburg und hat mich tatsächlich aufgrund der „Catwork“ angesprochen. Antonia Zahn-Weber hat sehr viel Wert auf den künstlerischen Aspekt gelegt. So hat sie zum Beispiel jedes Stück mit einem Monogramm versehen, das zur Trägerin passt.

Im Juni hast Du ein neues Event geplant – „Hairstyle und Glamour“. Was passiert da?

Wir planen eine Plattform zum Netz­werken, die ich zusammen mit meinem Partner Marcel Bauer organisiere. Es wird ein Come together geben, eine glamouröse Show und noch einige andere Überraschungen, anschließend ein Barbecue. Eine klassische Modenschau wird es nicht geben, aber natürlich kann man über Mode sprechen, denn diese ist immer ein Thema. Gerade eben solche kleinen Salonmoden­schauen sind dafür gut geeignet. Ich bedauere es sehr, dass sich in Dresden die kommerzielle Mode so be­deckt hält.

Im Gegensatz zu Berlin oder Leipzig tickt Dresden in Sachen Mode wohl etwas anders?

Berlin und Leipzig sind ganz anders aufgestellt. Dresden ruht ein bisschen in sich. Es ist übersichtlich. Dafür hat man einen klaren Vorteil: Wenn man etwas in die Sphäre hineinsprüht, spricht sich das gleich rum. Im Gegensatz zu Berlin geht es in Dresden relativ fix, eine Idee oder eine Marke bekanntzumachen.

Was inspiriert Dich persönlich in Sachen Mode und Stil?

Ideen und Visionen von Menschen. Ich interessiere mich nicht nur für Frisuren, sondern schaue mir die ganze Person an ­– welche Kleidung sie trägt und welche Uhr, welches Auto sie fährt oder welches Parfum sie benutzt. Ich stelle mir selbst immer wieder die Frage, wie bestimmte Trends entstehen. Da gibt es viele Parallelen zu meinem Job, an die ich anknüpfen kann. Ich ermutige meine Kunden auch, eigene Ideen mitzubringen, die wir dann gemeinsam aufarbeiten und umsetzen. Aktuell sind bei Haar­farben pudrige Kaschmir-Nuancen im Kommen. Bei blonden Haaren kennen wir die leichten Grau- oder Rosétöne schon seit zwei, drei Jahren. Um das umzusetzen, muss ich mir zu allererst die Frage stellen, was ich eigentlich unter Kaschmir verstehe. Es sind irisierende, weiche, dezente Effekte, die es jetzt nicht mehr nur für helle Haare gibt, sondern nun auch für dunkle.

Ist es unter anderem die Kreativität, weshalb Du Deinen Beruf liebst?

Holger Knievel: Es gibt Studien, die besagen, dass der Friseur­beruf einer der befriedigendsten Berufe überhaupt ist – dieses Glücks­momentum und die Tatsache, dass man mit Menschen arbeiten kann. Man sieht sofort ein Ergebnis seiner Arbeit. Der Beruf ist anstrengend, man wird gefordert, aber er ist auch sehr bereichernd. Wenn Du gut bist, kannst Du sechs, sieben Mal am Tag einen Menschen glücklich machen, der sagt: „Jetzt bin ich hübsch. Jetzt fühle ich mich gut.“ Und das erfüllt mich ungemein!        

www.friseurstudio-knievel.de

Interview: Ute Nitzsche und Sabine Dittrich

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