GEÄCHTET – Wenn die (scheinbar) heile Welt zerbricht

Ayad Akhtars Dramaerfolg in der Regie von Nicolai Sykosch am Staatsschauspiel Dresden
GEÄCHTET beginnt zunächst als Boulevardkomödie im Kreis der New Yorker Oberschicht: Der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt Amir Kapoor hofft auf eine Partnerschaft in der alteingesessenen jüdischen Kanzlei, für die er seit Jahren arbeitet. Seine pakistanischen Wurzeln und der muslimische Glaube seiner Eltern sind aus seinem Leben ausgeblendet, weit entfernt, scheinbar nicht relevant.
Seine Frau, die aufstrebende Künstlerin Emely, beschäftigt sich neuerdings in ihren Arbeiten statt mit Landschaftssujets mit der Formensprache der islamischen Tradition – ihr Gatte zeigt sich des Themas wegen wenig begeistert. Zudem setzt Emely sich mit Amirs Neffen Abe für einen inhaftierten Iman ein und bittet Amir dabei um Hilfe in Form rechtlichen Beistands. Später wird er in einem Zeitungsbericht als Unterstützer des Angeklagten zitiert. Dies bleibt nicht folgenlos.
Zum gemeinsamen Abendessen sind Amirs schwarze Kollegin Jory und ihr Mann, der Kurator Isaac, geladen. Dieser eröffnet den Abend mit der freudigen Nachricht, dass er einige von Emelys Arbeiten in einer Ausstellung zeigen wird. Doch beim Feiern kippt die Stimmung nach einigen Gläsern. Bald ist der Lack gänzlich ab. Rassistische Klischees werden ausgebreitet, Fragen und Vorwürfe um Identität, Wurzeln und Zugehörigkeit immer hitziger gestellt.

Geächtet von Ayad Akhtar – v.l.: Sabrina Ceesay, Christine Hoppe, Ahmad Mesgarha, Raiko Küster / Foto: Sebastian Hoppe
Kritik und Vorurteile am Islam und der jüdischen Religion brechen aus den Männern heraus. Die Affäre zwischen Emely und Isaac wird aufgedeckt, und Amir erfährt von seiner Kollegin, dass sie seiner statt die Partnerschaft in der Kanzlei erhalten wird. Eifersucht, Wutausbrüche und persönliche Verletzungen verwandeln den Abend in ein Desaster …
Dem 1970 in New York City als Kind pakistanischer Einwanderer geborenen Autor Ayad Akhtar ist mit DISGRACED ein großer Erfolg gelungen, wurde das Stück doch 2013 mit dem renommierten Pulitzer Preis in der Kategorie Drama ausgezeichnet. Auch in Deutschland wurde der Autor mit dem Stück bekannt. Anerkennung der Kritik erhielt GEÄCHTET (GEDEMÜTIGT hätte als Übersetzung besser gepasst) etwa mit der Wahl zum ausländischen Stück des Jahres durch „Theater heute“ im Jahr 2016.
Die Ensembleleistung ist durchweg grandios. Christine Hoppe, Sabrina Ceesay, Raiko Küster und besonders Ahmad Mesgarha beeindrucken, gerade in der Entwicklung des Stückes von der Komödie hin zum scharfen Psychodrama. Regisseur Nicolai Sykosch ist seine erste Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden absolut gelungen. Gehen Sie ins Schauspielhaus und überzeugen Sie sich selbst!

GEÄCHTET von Ayad Akhtar: Ahmad Mesgarha als Amir Kapoor / Foto: Sebastian Hoppe