Filmkritik „Der Hauptmann“: Ein Hochstapler in Uniform

Fotos: Julia M. Müller // info@julia-m-mueller.de
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In „Der Hauptmann“ zeichnet Regisseur Robert Schwendtke die Ereignisse um den Kriegsverbrecher Willi Herold nach, der mit 19 Jahren als selbsternannter Offizier 1945 150 Häftlinge im Emslandlager Aschendorfermoor erschießen lässt.

Es ist ein Film, der eine Geschichte erzählt, die das Grauen des Krieges unmittelbar fassbar macht. „Der Hauptmann“ kann dabei bisweilen durchaus als Verwechslungsklamotte gelesen werden, offenbart aber auch die Unordnung im Staatsapparat des Dritten Reichs. Jeder macht das, was man ihm sagt, solange der Befehlende nur den Anschein einer Autorität erweckt. Chaos hat Hochkonjunktur und im Chaos setzen sich am ehesten die Unmoralischen durch. Willi Herolds Floskel, er „wäre auf Anordnung des Führers persönlich“ unterwegs, reicht, um die meisten zu überzeugen. Soldaten und Offiziere, gezeichnet von der Langeweile, freuen sich darüber, dass „endlich mal was passiert“, wie es der besonders skrupellose Schütte formuliert. Bernd Hölsche spielt den SA-Führer hart an der Grenze zur Karikatur, meint man. Doch dann erinnert man sich wieder, dass das Grauen Realität war in jenen letzten Kriegstagen. Mit überzogener Wahrheit hat das alles nichts zu tun. Figuren wie Schütte oder der von Frederick Lau dargestellte Fallschirmjäger Kipinski waren traurige Realität.

Ein anderer Mensch

Die Zauderer und Zweifler dagegen werden im Unrechtssystem Drittes Reich von ihrer Angst zurückgehalten oder auf Linie gebracht. So wie Milan Peschels versprengter Soldat Freytag, der sich dem Hauptmann in naiver Obrigkeits hörigkeit als Erster anschließt. Willi Herold nutzt die Verhältnisse erbarmungslos für sich aus. Seinen Beinamen „Der Henker vom Emsland“ verdient er sich auf abscheuliche Weise. Der vom Schweizer Schauspieler Max Hubacher dargestellte 19-jährige verändert sich sofort mit dem Anlegen der Uniform. Stolperte er vorher noch als mitleiderregender Deserteur durch die deutsche Provinz hinter der Front, ständig in Angst, entdeckt zu werden, scheint er schon ein anderer Mensch zu sein, wenn er das erste Mal nur für sich übt, Offiziersbefehle auszusprechen. Nach dem ersten Mord sucht er besoffen von der Macht über die Existenz anderer Menschen keinen Ausweg aus der Zwickmühle des Grauens, sondern initiiert es sogar noch.

Reduzierte Inszenierung

Trotzdem streut Regisseur Robert Schwendtke immer wieder Momente ein, die den Anschein wecken, der Kriegsverbrecher Willi Herold würde mit seinem Vorgehen zumindest hadern. Die Bewertung der historischen Figur muss der Zuschauer selbst vornehmen. Ein konkretes eindeutiges psychologisches Profil vermeidet der Regisseur. Robert Schwendtke versteht es dabei, die Geschichte in seinem ersten historischen Film reduziert und ohne Effekthascherei zu inszenieren. Die Entscheidung, den Film in schwarz-weiß zu drehen, begründet er unter anderem damit, dass die Zuschauer die Gewalt dadurch weniger emotional bewerten, was angesichts des Ausmaßes allerdings nur bedingt gelingt.

Der Hauptmann

Erscheinungsdatum DVD/Blu-ray Deutschland: 5. Oktober 2018
Regisseur: Robert Schwendtke

Text: Philipp Demankowski

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