Aus drei mach eins im 30. Jahr: Filmfest Dresden

Still aus: DEER BOY, Katarzyna Gondek (Belgium/Croatia/Poland), internationaler Wettbewerb
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Jedes Jahr im April bringt das Filmfest Dresden an sechs Festivaltagen einige der besten Kurzfilme der Welt nach Dresden. Damit zieht es jährlich rund 20.000 Besucher an. Und das 2018 vom 17. bis 22. April bereits zum 30. Mal.

Im Vorfeld sprachen wir mit Festivaldirektorin Sylke Gottlebe, die das Filmfest bereits von 1997 bis 2001 leitete. Sie löste im Sommer 2017 das Direktorinnentrio Katrin Küchler, Karolin Kramheller und Alexandra Schmidt ab, das mit vielen Dankesworten verabschiedet wurde.

Sylke Gottlebe, Foto: Dada Lin

Wie schätzen Sie den Status Quo des Filmfests bei Ihrer Rückkehr ein, auch im Vergleich zu der Zeit Ende der neunziger Jahre, als Sie das Festival schon einmal leiteten?

Für mich persönlich ist es sehr beeindruckend, wie das Festival in den letzten Jahren gewachsen ist und an internationalem Renommee gewonnen hat. Da kann ich meinen Vorgängern Robin Mallick, der das Festival viele Jahre geleitet hat, und den drei nachfolgenden Direktorinnen Alexandra Schmidt, Katrin Küchler und Karolin Kramheller nur großen Respekt zollen. Die Zuschauerzahlen haben sich verdreifacht, auch die Einreichzahlen für den Wettbewerb sind stetig gestiegen. 1996 konnte das FILMFEST DRESDEN insgesamt 580 Filmeinreichungen verzeichnen, in diesem Jahr erreichten uns 2.300 Filme aus 97 Ländern.

Es gibt eine große Auswahl an Angeboten für Fachbesucher mit Workshops, einer Masterclass und  Podiumsdiskussionen. Das Festival ist inzwischen in der ganzen Stadt angekommen. Bedauerlich ist jedoch, dass im Laufe der Jahre die finanzielle Ausstattung des Festivals nicht so signifikant gewachsen ist wie die Zuschauer- und Einreichzahlen. Zu meinen größten Herausforderungen und Aufgaben für die nächsten Jahre zählt daher, die finanzielle Basis des Festivals zu stärken. Zwar gibt es die institutionelle Förderung durch den Freistaat Sachsen
und die Förderungen von MDM und der Kulturstiftung Sachsen, die alle sehr verlässliche Förderer sind. Aktuell haben wir aber leider keinen Hauptsponsor. Ein Engagement aus der Wirtschaft durch Sponsoring und Kooperationen wäre allerdings dringend notwendig. Da gibt es noch Reserven. Zudem haben wir für dieses Jahr keine Förderung von Creative Europe MEDIA erhalten. Das ist sehr bedauerlich, da wir ein sehr starkes europäisches Festival sind.

Was ist Ihre Vision für das Filmfest? Was wird sich verändern?

Wir werden die Wettbewerbe zukünftig nicht mehr so streng kategorisieren, sondern offener gestalten für alle Spielformen und hybride Formate. In den letzten Jahren gab es immer schon interessante Filmbeispiele, die man nicht in eine Kategorie einordnen konnte. Die Öffnung steht aber nicht für das Jubiläumsjahr, sondern erst für die Zukunft an. Die Grundstruktur des Festivals mit den drei Säulen Wettbewerbsprogramme, Sonderprogramme und Fachangebote hat sich überaus bewährt. Daran werde ich in den nächsten Jahren keine grundlegenden Änderungen vornehmen. Wichtig für mich ist die Profilierung – besser gesagt die „Einmaligkeit“ des Festivals in der gesamten Kurzfilmlandschaft herauszustellen. Das Filmfest Dresden ist vor allem ein Publikumsfestival und hat sich zudem in den letzten Jahren mit zahlreichen Fachangeboten profiliert, die ich gern noch verstärken möchte. Dazu zählen für mich spezielle Formate, die den Wissens transfer und Erfahrungsaustausch innerhalb der internationalen Kurzfilmszene beleben.Wir haben eine gute Mischung aus Internationalität und einer ganz persönlichen und individuellen Betreuung der Filmemacher. Das wird extrem geschätzt.

Der starke nationale Wettbewerb hat sich besonders gut entwickelt und ist inzwischen mit 35.000 Euro Preisgeld dotiert. Insgesamt vergeben wir in diesem Jahr 67.000 Euro Preisgelder. Das ist aus meiner Sicht eine großartige und wichtige Förderung der Kurzfilm schaffenden. Eine weitere Besonderheit ist die Spezialisierung auf den Schwerpunkt Animation, der sich in einem hohen Anteil an Animationsfilmen in den Wettbewerben und den Sonderprogrammen zeigt. Etwas Einmaliges beim Filmfest Dresden sind zudem die kuratierten Retrospektiven, die sich dem DEFA-Filmerbe widmen. Außerdem hat sich die geopolitische Ausrichtung nach Osteuropa in den vergangenen Jahren in verschiedenen Aktivitäten und Projekten niedergeschlagen. Diesen Weg werde ich weiterverfolgen.

Das Filmfestteam freut sich auf die Jubiläumsausgabe vom 17. bis 22. April, Foto: Dada Lin

Inwieweit macht sich die Tatsache im Programm bemerkbar, dass 2018 ein Jubiläumsjahrgang ist?

Besonders freue ich mich über die geplante Chronik zur 30-jährigen Festivalgeschichte, die es sowohl als Printerzeugnis als auch als Online-Ausgabe geben wird. Hier wollen wir mit Interviews, mit redaktionellen Beiträgen und Essays die verschiedenen Facetten der drei vergangenen Dekaden beleuchten. Die Online-Variante wird zudem mit Publikumbeiträgen ergänzt. Dazu werden wir einen öffentlichen Aufruf nach dem kuriosesten Festivalerlebnis, der ersten Festivalbegegnung oder der ersten Inspiration durch den Kurzfilm starten. Außerdem zeigen wir auf der Webseite Filmbeispiele aus den drei letzten Dekaden. Für das Jubiläum planen wir zudem neue Kooperationen, etwa mit den Städtischen Bibliotheken Dresden. Hier sollen die Kurzfilme über das Jahr einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Der filmische Stadtspaziergang „A Wall is a Screen“ am 20. April 2018 folgt in diesem Jahr einer ganz besonderen ‚Jubiläumsroute‘. Wir starten am Rundkino – einer wichtigen Spielstätte der Festivalgeschichte. Die Tour wird am Hygienemuseum ihren Abschluss finden.

Von 2.200 Einreichungen aus über 97 Ländern wurden 250 Wettbewerbsfilme ausgewählt. Gibt es essenzielle Kriterien, die bei der Entscheidung eine Rolle spielen? Wie bewahrt sich die Sichtungskommission einen objektiven Blick trotz möglicher Überbelastung?

Sylke Gottlebe: Wir haben aus den diesjährigen Einreichungen insgesamt 69 Filme für den Nationalen und Internationalen Wettbewerb ausgewählt. Durch die stilistische und thematische Vielfalt im Kurzfilm ist es fast unmöglich, feste Auswahlkriterien zu definieren. Wir wollen einfach die „besten“ Kurzfilme des Jahrgangs in den Wettbewerben zeigen. Es geht weniger um handwerkliche Perfektion als um erzählerische Kraft und emotionale Wirkung der Werke. Jedes Mitglied der Sichtungskommission folgt eigenen Kriterien, ganz abhängig vom beruflichen Hintergrund, Erfahrungen und künstlerischem Anspruch. Die Auswahlprozedur ist ein spannender Prozess, den ich gern mit „Perlentauchen“ vergleiche.

Im Schwerpunkt nimmt sich das Filmfest den Umbrüchen in Europa an. Warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden und wie wird es im Programm umgesetzt?

Mit den eigenen Festivalwurzeln in der ereignisreichen Vorwendezeit, wollen wir mit dem Schwerpunktthema Europa Parallelen zur eigenen Festivalgeschichte ziehen. Wir blicken auf die heutigen „turbulenten Ränder“ Europas sowie die Überschreitung und Neudefinition von Grenzen im cineastischen Kontext und stellen zudem die Frage nach europäischen Zukunftsvisionen.

Auf welche Sonderprogramme und Retrospektiven können sich die Besucher freuen?

Vielversprechend sind die Länderschwerpunkte Georgien und Griechenland. Gezeigt wird beispielsweise, wie eine junge Generation von griechischen Filmemacherinnen und Filmemachern mit neuen ästhetischen Ansätzen und aufrüttelnden Geschichten der wirtschaftlichen Misere des Landes ein immenses künstlerisches Kapital entgegensetzt. Die diesjährige Retrospektive beschäftigt sich in bewährter Weise mit dem Filmschaffen in der DDR. Kuratiert von Dr. Claus Löser geht es um „Die gestohlene Revolte – 1968 in der DDR“. Hochkarätig wird es mit der Sonderausstellung des Deutschen Instituts für Animationsfilm (DIAF), die den polnischen Avantgarde-Künstler Piotr Kamler mit Objekten und Animationsfilmen portraitiert.

Wahrscheinlich eine Herkulesaufgabe für Sie, dies zu beurteilen, aber was sind Höhepunkte, auf die Sie sich besonders freuen und die Sie den Zuschauern ans Herz legen?

Ich freue mich auf den Nationalen Wettbewerb, den ich in diesem Jahr selbst mit ausgewählt habe. Für mich ist es immer wieder ein besonderer Moment, die Filme im Kino zu sehen, die erst auf der großen Leinwand ihre Wirkung richtig entfalten können. Schon heute kann ich versprechen, dass es ein starker Jahrgang ist. Ich empfehle unseren jungen Zuschauern die wunderbaren Kinder- und Jugendprogramme, die wir in diesem Jahr wieder mit dem „Jungen Kuratorium” ausgewählt haben. Eine Gruppe von kurzfilmbegeisterten Kindern und Jugendlichen hat uns bei der altersgerechten Filmauswahl unterstützt.

30. Filmfest Dresden vom 17. bis zum 22. April

verschiedene Spielstätten
www.filmfest-dresden.de

Interview: Philipp Demankowski

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