Theaterkritik „Die Optimierer“: Schwachstellen im System

Foto: Stephan Böhlig
0
Im Societätstheater wird die Dystopie „Die Optimierer“ von Autorin Theresa Hannig als beklemmendes, aber auch schwungvolles Dreipersonenstück inszeniert.

Wenn junge Menschen heute mit narrativen Dystopien konfrontiert werden, denken sie höchstwahrscheinlich nicht mehr an Genreklassiker wie „1984“ oder an „Schöne neue Welt“, sondern an „Black Mirror“. Auch wenn die Spuren in George Orwells und Aldous Huxleys Schlüsselromanen in unserer überwachten Gegenwart nicht weg zu analysieren sind, ist es heute doch vor allem die Netflix‘ Anthologie-Serie, die die Freu den über die technischen Errungenschaften unserer Zeit angesichts der so leicht hervorzurufenden Manipulationen und Einfluss nahmen ins Gegenteil verkehrt. „Die Optimierer“, der Debütroman der Münchner Autorin Theresa Hannig ist so eine Dystopie, auch wenn zunächst alles rosig erscheint im München des Jahres 2052. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eingeführt, Maschinen übernehmen die Arbeiten, die die Menschen nicht mehr machen wollen. Und die Wirtschaft boomt. Doch bald werden Nachrichten laut, die irritieren. An den Außengrenzen des Staatengebildes Bundesrepublik Europa gibt es Unruhen. Bald wird deutlich, dass längst nicht alle von den Vorteilen der sogenannten Optimalwohlökonomie profitieren. Wie diese knacksenden Kerben im System aufgedeckt werden, erinnert durchaus an eine „Black Mirror“-Folge.

Schwung und Spielfreude

In der Inszenierung am Societätstheater, die am 1. Juni uraufgeführt wurde, kommt Regisseur Nicola Bremer mit gerade mal drei Darstellern aus. Zwei Mikros, eine Kleiderstange mit einem ganzen Kostümfundus, ein Tisch und zwei Stühle – mehr braucht es nicht im Szenenbild. Alle Utensilien wechseln mehrmals den Platz, um verschiedene Raumumgebungen zu simulieren. Friederike Pasch und Alexander Ganz schlüpfen auf der Bühne in unzählige Rollen und treiben auch als Erzähler die Handlung voran, was der Inszenierung ordentlich Schwung verleiht. Die beiden Schauspieler agieren mit außerordentlicher Spielfreude. Gerade Alexander Ganz schießt dabei aber auch mal knapp über das Ziel hinaus. Verständlich, schließlich sind Friederike Pasch und Alexander Ganz ständig in Bewegung, müssen sich umziehen und die wenigen Dinge hin und her schieben.

Sozialpunkte ade

Etwas ruhiger kann es Hauke Diekamp angehen, der die Hauptfigur Samson Freitag spielt. Der sogenannte Lebensberater, der anhand digitaler Informationen über die Zuordnung von Personen zu bestimmten Berufen entscheidet, steht klar im Fokus der Inszenierung. Jederzeit ist die Entwicklung Freitags dabei im präzisen Spiel Samson von Hauke Diekamp nachvollziehbar. Denn irgendwann kommen nicht nur erste Zweifel des bis dato regimetreuen Freitags am System auf. Auch sein Sozialpunktekonto, die wesentliche Kennzahl für eine Beförderung in der Bundesrepublik Europa, schmilzt immer mehr. Schließlich muss er sich mit Ercan Böser auseinandersetzen, der bei der anstehenden Bundestagswahl für die Optimierungspartei antritt und dem er einst den Politiker- anstelle des passenderen Schauspielerberufs empfahl. Im Verlauf entwickelt sich zwischen den beiden Figuren ein Katz- und Mausspiel, das die Schwachstellen des Systems immer deutlicher offenbart und dabei auch Parallelen zur Gegen wart zumindest nicht verheimlicht. Ein beklemmendes Gefühl hat sich beim Zuschauer dann schon längst eingestellt.

Die Optimierer

nach dem Roman von Theresa Hannig, Regie: Nicola Bremer

Nächste Vorstellungen: 13. und 14. September, 17. und 18. Oktober, Societätstheater, An der Dreikönigskirche 1a, 01097 Dresden

www.societaetstheater.de

Text: Philipp Demankowski

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X