„Geniale Dilletanten“ im Albertinum: Subkultur im Museum

FM Einheit, Einstürzende Neubauten, Zeche Bochum 1984, Foto: Richard Gleim
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Die Ausstellung Geniale Dilletanten im Albertinum stellt eine der wenigen Strömungen der DDR-Gegenkultur in den Fokus. 

Als am ersten Juniwochenende des Jahres 1985 im alten Ballsaal des Coswiger Klubhauses das Festival „Intermedia I – Klangbild – Farbklang“ begann, traute so mancher Zeitgenosse den eigenen Augen nicht. Das gattungsübergreifende Kunstereignis brachte vierzig Maler, Musiker der Freejazz- und Punkszene, Super-8-Filmer, Performer und Tänzer zusammen, die ihre Werke ausstellten und sich gemeinsam an experimenteller Kunst versuchten. Heute wird das Festival als eines der ganz wenigen Ereignisse in der DDR-Geschichte bewertet, bei dem sich die lose übers Land verstreute, autonome Kunstszene vernetzen konnte. Kaum vorstellbar, dass dieses Kunst-Tohuwabohu von der SED durchgewunken wurde. Tatsächlich wurde Wolfgang Zimmermann, der Leiter des Hauses, zwei Monate nach dem Festival von seinem Posten entbunden, aus der SED ausgeschlossen und mit einem kulturpolitischen Tätigkeitsverbot belegt. Er habe mit Intermedia I, so die Begründung, „den Prinzipien der sozialistischen Kulturpolitik“ widersprochen.

Lust am Experiment

Im Albertinum spürt nun eine neue Ausstellung dem Erbe der Veranstaltung nach. Ausgangspunkt und Namenspate der Schau ist allerdings der Intermedia-Vorläufer und Westberliner Pendant, das Festival Genialer Dilletanten vom 4. September 1981 im Berliner Tempodrom-Zelt. Das Festival gilt vielen experimentellen Künstlern noch heute als Blaupause. Die beteiligten Künstler versuchten sich ohne übergeordnete Direktiven am Zusammenspiel von Musik, Film, bildender Kunst und Geräusch. Das Festival Genialer Dilletanten (der Schreibfehler ist Absicht) war der große Moment des Berliner Untergrunds und vor allem eine Bühne für performativ arbeitende Künstler. Die Liste der auftretenden Bands sprengte die Grenzen zwischen Musik und Performance. Beteiligt waren unter anderem die Einstürzende Neubauten, Die Tödliche Doris oder DIN A Testbild. 1400 Besucher verfolgten das, was da auf der Bühne vor sich ging. Zwischen Chaos und Dadaismus war alles möglich. Die Wirkung, die das Festival aber auf spätere Generationen experimenteller Künstler hat, ist nicht messbar.

Punk auf der Straße, Prenzlauer Berg, Ost-Berlin, 1982, Foto: Ilse Ruppert

Ostdeutsche Szene im Blickpunkt

Das Goethe-Institut, schon immer eine der wichtigen Institutionen im Land, wenn es um kulturhistorische Aufarbeitungen geht, hatte sich bereits 2015 dem Thema angenommen. Konzipiert wurde eine Ausstellung, die teils gemeinsam mit den beteiligten Künstlern und Organisatoren entstand. In einer multimedialen Präsentation erklären die damaligen Protagonisten, warum sie nicht auf Virtuosität, wohl aber auf Selbstorganisation setzten und warum eine ganze Subkultur rund um eigenständige Plattenlabels, Magazine, Galerien und Clubs entstanden ist. Gezeigt wurde die Schau zunächst im Haus der Kunst in München und im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Bei der nächsten Station im Dresdner Albertinum erfährt die Schau nun eine spezifische Ausweitung auf die ostdeutsche Szene. Besonderes Interesse gilt dabei neben dem eingangs umrissenen Festival Intermedia I. den Aktivitäten einiger Kunststudenten an der Hochschule für Bildende Künste Dresden (Cornelia Schleime, Ralf Kerbach und seine Band Zwitschermaschine), die in die Musterlehranstalt des sozialistischen Realismus in den 1980er Jahren progressive Impulse sendeten.

Geniale Dilletanten – Sub-Kultur der 1980er Jahre in Ost- und Westdeutschland
Albertinum
15. Juli bis 19. November 2017
www.skd.museum

Text: Philipp Demankowski

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