Filmkritik „Border“: Schwedische Grenzgänger

Fotos:© Wild Bunch Germany
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Border vermengt auf grandiose Weise skandinavische Folklore mit magischem Realismus.

Tina (Eva Melander) arbeitet beim schwedischen Zoll an einer Fährstation, wobei sie mit ihrem besonderen Geruchssinn Schmuggelgut erschnüffelt. Sie ist eine Außenseiterin, die die Einsamkeit braucht, aber nicht komplett in ihr aufgehen will. Irgendwann tritt der Tramp Vore (Eero Milonoff) in ihr Leben, mit dem sie nicht nur äußerlich Gemeinsamkeiten aufweist. Eine Liebe in ungewohnten Umständen und unter umgekehrten Vorzeichen entbrennt. Sex gehört dazu. Als Fortpflanzung, aber auch als Manifestierung von Leidenschaft. Von Anfang an präsent ist das Äußere der beiden Protagonisten. Durch zahlreiche Nahaufnahmen von Kameramann Nadim Carlsen wird dieser Eindruck zusätzlich verstärkt. Die Maske ist zuerst gewöhnungsbedürftig, da sie ins Groteske überzeichnet scheint. Im Verlauf des Films offenbart sich aber der Sinn dahinter. Weiß man um diesen Umstand, kann man die Arbeit der beiden Maskenbildner Göran Lundström und Pamela Goldammer auch wertschätzen. Das tat auch die Academy, die Border in der Kategorie „Bestes Make-up und beste Frisuren“ nominierte. Vier Stunden verbrachte Hauptdarstellerin Eva Melander jeden Tag in der Maske. Das Ergebnis kann sich wahrlich sehen.

Ungewöhnliche Mischung

Der iranisch-schwedische Regisseur Ali Abbasi liebt es, Außenseiter in Szene zu setzen. Schon in seinem Debütfilm „Shelley“ lotete er Grenzen aus. Sein dritter Film „Border“ wird an vielen Stellen gefeiert. So war er nicht nur beim Europäischen Filmpreis in vier Kategorien nominiert. Er gewann in Cannes 2018 auch den Un Certain Regard Award. Das ist jener Festival-Preis für Filme, die schwammig, aber bedeutungsschwanger als zu ungewöhnlich für den Wettbewerb um die Goldene Palme deklariert werden. Ungewöhnlich ist der Film in jedem Fall, da er Grenzen vermischt, die für viele Filmemacher und -kritiker zumindest im Kopf noch starr existieren. Ali Abbasi vermengt skandinavische Folklore mit magischem Realismus, Fantasy mit Melodram. Die Liebe zur Natur wird den Zwängen der Arbeitswelt entgegengesetzt. Tier- und Menschvorstellungen gehen ineinander über. Hinzu kommt ein Krimi-Subplot, in dem Tinas Geruchsfähigkeiten von der Polizei genutzt wird, um Missbrauchsfälle aufzudecken. Es sind zahlreiche Zutaten, die aber stimmig ausgespielt werden. Wie in den Filmen des norwegischen Regisseurs Joachim Trier gelingt es Ali Abbasi mit viel Empathie auch absurde Charaktere zu zeichnen, die mit nachvollziehbarer Motivation ihren Platz suchen. „Border“ ist ein Ereignis.

Border

Regie: Ali Abbasi
Filmstart: 11. April 2019

Text: Philipp Demankowski

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