Gesichter-Ausstellung im Hygiene-Museum: Von Angesicht zu Angesicht

Kate Cooper: Rigged, Videostill, 2014, © Kate Cooper
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Im Hygiene-Museum zeichnet die Ausstellung „Das Gesicht – eine Spurensuche“ den Siegeszug des menschlichen Antlitzes nach.

Das Gesicht ist der ultimative Ausdruck von Individualität. Mehr noch als Körperbau, Stimme oder Kleidung ist es eines der wesentlichen Unterscheidungskriterien der Spezies Mensch. Seit etwa 800 Jahren ist die Abbildung von Gesichtern eng mit der Geschichte medialer Entwicklungen verknüpft. So haben etwa die Renaissance-Maler das menschliche Gesicht als Ausdruck und Bestätigung von Individualität fest etabliert. Auch die heute möglich gewordene umfassende Erforschung mimischer Aus drücke, ebenso wie das Identifizieren von Passanten oder Verdächtigen im öffentlichen Raum basiert auf Bildern und Videos von Gesichtern. Gleiches gilt für die digitale Selbst darstellung durch Selfies, Profilbilder oder Auf nahmen, die andere vom Gesicht produzieren und online stellen.

Normal gibt es nicht
In der Ausstellung „Das Gesicht. Eine Spurensuche“ versammelt das Hygiene-Museum nun rund 150 Bilder und Objekte, mit denen die soziale, künstlerische und technologische Bedeutung des menschlichen Gesichts vor Augen geführt wird. Die meisten Ausstellungsstücke stammen aus den letzten zweihundert Jahren, einem Zeitraum, in dem insbesondere die Fotografie die Erscheinungs- und Verbreitungsweisen der Darstellung von Gesichtern stark beeinflusst hat und bis heute entscheidend prägt. In vier Kapiteln begibt sich die Ausstellung auf eine Spuren suche nach dem Gesicht, seinem Bild, seiner Vermessung und Vermarktung durch die Jahrhunderte. Zum Auftakt begegnen die Besucherinnen und Besucher 70 idealisierten Köpfen von Schaufensterfiguren aus dem 18. bis 20. Jahrhundert. Ihnen sind Fotografien von Gesichtern gegenübergestellt, die aus dem Raster des Idealtypischen und „Normalen“ herausfallen, weil sie gealtert sind, digital bearbeitet, geschminkt oder anderweitig verändert wurden.

Mienenspiel unter Beobachtung
Das zweite Kapitel geht einer Frage nach, die schon in den Epochen vor der Aufklärung nicht nur die Wissenschaften beschäftigte: Was verraten unsere Gesichtszüge über das, was wir denken oder fühlen? Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen rein kulturhistorischen Exkurs, denn heute werden etwa in der Marktforschung Computerprogramme entwickelt, die auf der Basis mimischer Modelle die Kundenreaktion auf bestimmte Produkte analysieren sollen. Als kritische Gegenposition dazu zeigen spielerische Kunstinstallationen, dass sich das Gesicht in Wirklichkeit einer solchen Dechiffrierung entzieht und nie ganz zu erfassen sein wird. Unter dem Titel „Punkt Punkt Komma Strich“ taucht die dritte Ausstellungsabteilung tiefer in die aktuellen Entwicklungen der technologische Gesichtserkennung ein, wie sie in gängiger Software, aber auch

professionell in der Kriminalistik verwendet werden. Im letzten Kapitel geht es schließlich um „Das Gesicht als Bildnis“. Die Porträts dieses Bereichs zeigen, dass Bilder Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen, die „echte“ Gesichter nicht bieten können. Umgekehrt wird aber gerade anhand dieser Darstellungen auch die zentrale Aussage der Ausstellung deutlich: Das Abbild eines Gesichts kann den Reichtum einer direkten Begegnung zweier Menschen nicht ersetzen.

Das Gesicht – eine Spurensuche
19. August bis 25. Februar 2017
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
www.dhmd.de

Text: Philipp Demankowski

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