Theaterkritik „Sommernachtstraum“: Unstete Liebe

Ein Sommernachtstraum - v.l.: Deleila Piasko, Simon Werdelis und Daniel Séjourné. Foto: Sebastian Hoppe
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Am Schauspielhaus Dresden inszeniert Friederike Heller den „Sommernachtstraum“ werkgetreu als gut gelauntes Possenspiel, das seine Echos ins Jetzt aber trotzdem nicht versteckt.

Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ im Hier und Jetzt spielen zu lassen und damit eine lauwarme Adaption zu riskieren, hat sich Regisseurin Friederike Heller glücklicherweise erspart. Trotzdem kommt die Wahl des Stoffes nicht von ungefähr. Der „Sommernachtstraum“ ist durchaus auch in der Gegen wart relevant. Wer will, kann relativ einfach Anleihen an unsere hypersexualisierte Gesellschaft in Shakespeares Komödie finden. Logik und Verstand sind bei der Partnerinnen- und Partnerwahl eher verpönt. Wer wirklich sicher sein will, sollte möglichst viel ausprobieren, so die gängige Überzeugung. Wäh rend im „Sommernachtstraum“ der schelmische Puck mit seinem Gaukelspiel für Abwechslung sorgt, sind es in der heutigen Liebesökonomie Marketing-Manager und Medien-Plattformen. Das wissen auch die Macher der Neuins zenierung am Dresdner Staatsschauspiel. So viele küssende Paare in den unterschiedlichsten Kombinationen, wie sie auf der Schauspielhaus-Bühne zu sehen sind, hat selbst der umtriebigste Tinder-User an einem Abend noch nicht erlebt.

Ein Esel als Publikumsliebling

Der Schachzug, die Helena mit einem Mann zu besetzen, ist ein gelungener. Die Rolle, die von Simon Werdelis ausgefüllt wird, hat am meisten unter dem für den Shakespeare-Standard so typischen Wechselspiel zu leiden. Die von Elfenkönig Oberon befohlene und von Puck absichtlich missratene Liebestrank-Verzauberung setzt ihr ordentlich zu. Weder das liebeskranke Werben von Lysander (Daniel Séjourné) noch dasjenige von ihrem Schwarm Demetrius (Philipp Grimm) begreift sie wirklich als aufrichtig. Die daraus resultierende Verzweiflung und die Angst vor der Häme wird von Simon Werdelis hervorragend verdeutlicht. Der Publikumsliebling des Abends ist aber Viktor Tremmel als Handwerker Zettel, der als Teil der vierköpfigen Handwerker-Crew für die Hochzeit von Theseus und Hyppolyta ein Stück im Stück vorbereitet und dabei in das Durcheinander im Wald gerät. Als verwandelter und herrlich kostümierter Esel wird er später zum Objekt der Begierde von Elfenkönigin Titania, die von Anja Lais stimmgewaltig, aber seltsam blass gespielt wird. Den rechten Schalk im Nacken kann man bei Yassin Trabels als Puck dagegen absolut nachempfinden. Stark ist auch Deleila Piasko als Hermia, die ihre geringe Körpergröße mit pointierter Präsenz und Spielfreude jederzeit wettmacht.

Zwischen Indierock und Musical

An Synthesizer und Computer sitzt im Hintergrund der Bühne der als Tastenelf ins Stück geschriebene und trotzdem leicht wie ein Fremdkörper wirkende Peter Thiessen, der auch die Musik zur Inszenierung komponiert hat. Der Sänger der Band Kante hat seine aktive Indierock-Vergangenheit inzwischen offenbar hinter sich gelassen, spürbar ist sie aber auch noch in den Harmonien fürs Theater. Mit Regisseurin Friederike Heller verbindet das ehemalige Blumfeld-Mitglied inzwischen eine lange Arbeitsbeziehung. Die Arbeit am Sommernachtstraum gehört zu den gelungenen Projekten. Gerade die Musical- Ausflüge machen dem Publikum viel Spaß, auch wenn die gedoppelten Gesangs stimmen oft nicht ganz synchron laufen geraten. Auf Mendelssohns „Hochzeitsmarsch“ muss aber nicht verzichtet werden. Überhaupt springt der Funke schnell aufs Publikum über. Schon beim Eröffnungsmonolog von Theseus‘ schüchternem Sekretär Philostrat, der ebenfalls von Yassin Trabels gespielt wird, gibt es Szenenapplaus, zwischendrin immer wieder laute Lacher. Am Ende liegt ein Theatererlebnis hinter dem Publikum, das Trubel und Heiterkeit wörtlich nimmt, die Grenze zur übertriebenen Albernheit aber nie übersteigt.

Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare

Regie: Friederike Heller
Schauspielhaus Dresden
nächste Termine: 27. und 31. Dezember
www.staatsschauspiel-dresden.de

Text: Philipp Demankowski

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