Filmkritik „Jean Seberg – Against all Enemies“: Panorama der Paranoia

Fotos: © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH
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Im biografischen Thriller „Jean Seberg – Against all Enemies“ wird die amerikanische Schauspielerin von systematischer Überwachung geplagt. Mit fatalen Folgen.

Die Handlung des Films ist schnell erzählt: Jean Seberg (Kristen Stewart) sucht die Nähe zu den Black Panthers und gerät dadurch ins Visier des FBI, das mit Überwachung und systematischen Schmutzkampagnen agiert, mit dem Ziel, die Bürgerrechtsaktivisten zu diskreditieren. Der Druck führt schließlich zu einer gesteigerten Depression, einer Alkoholabhängigkeit und einem Selbstmordversuch Sebergs. Parallel wird die Geschichte des FBI-Tontechnikers Jack Solomon (Jack O’Connell) gezeigt, der erst mit Ehrgeiz an die Observation herangeht, später aber ein Unrechtsbewusstsein entwickelt und schließlich die Nähe zu der amerikanischen Schauspielerin sucht. Der Fokus des Films liegt eindeutig auf der Thriller-Handlung. Regisseur Benedict Andrews bezieht sich auf die Paranoia-Thriller des New Hollywood-Kinos der Siebziger Jahre. Francis Ford Coppolas Genreklassiker „Der Dialog“ wird in einer Szene sogar direkt kopiert. Inhaltlich ein nachvollziehbarer Ansatz, schließlich gibt es deutliche Bezüge zu den Überwachungsdebatten der Gegenwart.

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Konservative Bildsprache

Dem Mythos Jean Seberg wird sich hingegen kaum genähert. Die amerikanische Schauspielerin, die im Laufe ihrer Karriere zwischen europäischem Arthouse-Kino und Hollywood wechselte, wurde durch ihre Rolle in Godards „Außer Atem“ an der Seite von Jean-Pierre Belmondo zur intellektuellen Stilikone der Sechziger Jahre und zum Liebling der Nouvelle Vague. Lei – der wird auch die Motivation ihres Einsatzes für die Black Panther nie wirklich herausgearbeitet. Letztlich bleibt dem Zuschauer nur die Interpretation, dass eine unsichere Schau spielerin ein Helfersyndrom entwickelt, was durch die Beziehung zum Aktivisten (Hakim Jamal) noch eine zusätzliche persönliche Dimension gewinnt. Der australische Regisseur Benedict Andrews, der von Haus aus eher am Theater inszeniert, erzählt in seinem Biopic eine stringente Geschichte, die sich einer relativ konventionellen Bildsprache bedient und ohne visuelle Spielereien auskommt. Kirsten Stewart interpretiert die Labilität Jean Sebergs angemessen verhalten und ordnet sich dem Film zugunsten eines homogenen Gesamteindrucks unter. Dadurch bleibt die emotionale Wucht allerdings etwas auf der Strecke. Zudem verpufft die Empörung beim Zuschauer über das illegale Überwachungsprogramm COINTELPRO aufgrund der Gewissensbisse des FBI-Manns Jack Solomon, den es als Identifikationsfigur vielleicht nicht wirklich gebraucht hätte. Nichts destotrotz ist „Jean Seberg – Against all Enemies“ spannend erzählt und ein im besten Sinne des Wortes herkömmlicher Thriller.

Jean Seberg – Against all Enemies

Regie: Benedict Andrews
Filmstart: 17. September 2020

Text: Philipp Demankowsi

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