Vorkämpfer gegen den Krebs

Fotos: © Cyril Bailleu
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Auf kaum einem medizinischen Feld wurden in den vergangenen Jahren so große Fortschritte erzielt wie in der Onkologie. Einer der wesentlichen Innovatoren im Fachgebiet ist der französische Arzt Prof. David Khayat, der seit 1990 die Abteilung für medizinische Onkologie am Krankenhaus Pitié-Salpêtrière in Paris leitet. Zudem ist er Professor für Onkologie an der Universität Pierre und Marie Curie sowie am MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas.

Jährlich veranstaltet Prof. Khayat die Benefizveranstaltung „Soirée de la Charte de Paris contre le cancer“ zugunsten des Kampfs gegen den Krebs im Schloss Versailles, zu deren 20. Auflage im Februar auch das Top Magazin Dresden/Ostsachsen eingeladen wurde. Wir berichten in der Rubrik Events in diesem Magazin ausführlich über den glamourösen Abend. Sehr haben wir uns darüber gefreut, dass Prof. Khayat in diesem Zusammenhang die Zeit gefunden hat, unsere Fragen zum aktuellen Forschungsstand und dem rasanten Fortschritt in den letzten Jahrzehnten zu beantworten.

Top: Sie sind seit über 30 Jahren im Kampf gegen den Krebs aktiv. In dieser Zeit haben sich Krebsforschung und -therapie rapide entwickelt. Wie war der Status Quo, als Sie angefangen haben?

Prof. David Khayat: In der Tat waren die Errungenschaften der letzten 40 bis 50 Jahre auf dem Gebiet des Krebstherapie von enormer Bedeutung. Als ich Ende der siebziger Jahre meine Karriere in der medizinischen Onkologie begann, wussten wir fast nichts über Krebs. Wir hatten keine Ahnung von dem Mechanismus, durch den normale Zellen bösartig werden können, und auch nicht von den möglichen Aktivitäten irgendeiner Art von Behandlung. Zu dieser Zeit waren die Operationen sehr umfangreich und führten zu schweren Verstümmelungen. Die Strahlentherapie war nicht effizient und nicht kontrollierbar wie heute, und leider wurden viele normale Organe vollständig verbrannt, weil die Bestrahlungsfelder nicht genau definiert waren. Als wir zur systemischen Behandlung kamen, hatten wir nur vier oder fünf Krebsmedikamente, die alle sehr aggressiv und wenig aktiv waren.

Top: Sie sind seit 1990 Leiter der Abteilung für medizinische Onkologie am Krankenhaus Pitié-Salpetrière. Was sind wichtige Entwicklungen in der Onkologie, bei denen Sie beteiligt waren?

Prof. David Khayat: Es wurden mehrere Fortschritte erzielt: Die Chirurgie ist viel konservativer geworden und respektiert die Ästhetik, die Funktionen und den Willen der Patienten. Die Bestrahlung hat dank der Entwicklung der Computerwissenschaften eine bessere Ballistik, die zu einer effizienteren und weniger toxischen Bestrahlung führte. Schließlich hat die Entwicklung neuer Medikamente, zum Beispiel in jüngster Zeit im Bereich der gezielten Therapien und der Immun therapie, die Ergebnisse unserer Krebspatienten völlig verändert.

Top: Welche Rolle spielte die genaue Definition der medizinischen Onkologie?

Prof. David Khayat: Eine große. Davor wurde der Krebspatient in der Regel in der so genannten „organspezifischen Abteilung“ behandelt. Damit meine ich, dass Brustkrebs von einem Gynäkologen, Lungenkrebs von einem Pneumologen und Magen krebs von einem Gastroenterologen behandelt wurde, Aber diese Fachärzte waren sich, abgesehen von einigen seltenen Fällen, der letzten Entwicklungen im Bereich der Medizinischen Onkologie nicht wirklich bewusst. Wir haben das Fachgebiet der Medizinischen Onkologie Ende der 1980er Jahre gegründet. Von diesem Zeitpunkt an wurde die große Mehrheit der Krebspatienten von echten Krebsspezialisten behandelt. Kurz nach dem Jahrtausendwechsel begannen wir, an einer besseren Anerkennung der Persönlichkeit der Patienten zu arbeiten, an deren Teilnahme an den wichtigsten Entscheidungen über ihre Gesundheit und ihr Leben sowie an der Möglichkeit, dass sie auch nach einer Krebsbehandlung weiterhin ein normales Leben führen können.

Top: Sehen Sie Unterschiede in der Onkologie zwischen Deutschland und Frankreich? Inwieweit kann man voneinander lernen?

Prof. David Khayat: Es ist schwierig, den Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich zu erklären, da ich nicht sehr viel darüber weiß, was in Deutschland vor sich geht. Wir lernen voneinander seit den Anfängen der Onkologie, und die Kommunikation zwischen allen Onkologen der Welt sowohl im Bereich der Forschung als auch im Bereich der medizinischen Behandlungen ist völlig flüssig und massiv wichtig.

Top: Im Oktober 2014 veröffentlichten Sie ein Buch mit dem Titel „Prévenir le cancer, ça dépend aussi de vous!“ (Krebsvorbeugung, es hängt auch von Ihnen ab!). Inwieweit kann man durch sein eigenes Handeln vorbeugen, dass man keinen Krebs bekommt? Welche Rolle spielt die Ernährung dabei?

Prof. David Khayat: Jeder kann versuchen, das Krebsrisiko durch sehr einfache Verhaltensweisen zu verringern: Kontrolle der Ernährung, des Gewichts, körperliche Übungen, der Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören und Alkohol sehr mäßig zu trinken, vermeiden, dass die Kinder in den heißesten Stunden der Sonne ausgesetzt sind. Die Ernährung ist für etwa 20 Prozent aller Krebserkrankungen verantwortlich. Daher ist es wichtig, sich um eine bessere Ernährung zu bemühen.

Top: Warum kann der Kampf gegen den Krebs nur gewonnen werden, wenn Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Patienten partnerschaftlich zusammenarbeiten?

Prof. David Khayat: In der Tat kann man nicht daran denken, gegen den Krebs zu gewinnen, wenn wir keine unbesiegbare Allianz zwischen Politik, Wirtschaftsakteuren, Wissenschaftlern, Ärzten und Patienten bilden. Wir müssen eine Partnerschaft aufbauen, die uns stark genug macht, um diese komplexe Krankheit zu bekämpfen und zu besiegen.

Top: Was bedeutet Ihnen die „Soirée de la Charte de Paris contre le cancer“ heute? Inwieweit hat sich die Veranstaltung im Laufe der Jahre geändert?

Prof. David Khayat: Es bedeutet mit sehr viel, weil die Veranstaltung neben den finanziellen Hilfen für den Kampf gegen den Krebs auch eine starke Symbolkraft hat. Immerhin feiern wir mit der Veranstaltung seit zwanzig Jahren jedes Jahr den Jahrestag der Unterzeichnung der Charta von Paris, einer Charta, die die Verpflichtungen der Unterzeichner bei der Entwicklung einer nationalen Politik gegen den Krebs impliziert.

Interview: Philipp Demankowski

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