„Architektur soll begeistern!“

Foto: Victoria Braunschweig
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Es ist ein beeindruckendes Projekt, das Gerd Priebe auf dem Gelände der ehemaligen Nordmannvilla umsetzt. Für unsere Reihe „Lieblingsdings“ besuchten wir den Dresdner Architekten im früheren Kutscherhaus, um mit ihm über das für Dresdner Verhältnisse wirklich einmalige Haus-im-Haus-Projekt zu sprechen, das gleichzeitig ein Beispiel für modernes Wohnen ist.

Bereits entstanden ist ein Würfelgeflecht aus Baubuche, das in die Hülle der alten Bausubstanz integriert wurde. Nach einem ersten Rundgang begrüßte uns der gebürtige Sinziger in seinem aktuellen Wohnstudio, in dem er nur vorübergehend lebt. Denn bis zum Jahr 2022 soll direkt neben dem Kutscher­haus noch auf demselben Grundstück die Villa Priebe entstehen. Das 18 Meter breite Gebäude wird eine außergewöhnliche Form haben. Es ähnelt in seiner ellipsoiden Form einem Mentos oder einem Smartie. Auch die UFO-Analogie ist nicht zu weit hergeholt. Im Inneren entsteht ein durch Möbel unterteilter Raum, der dann vom Ehepaar Priebe bewohnt wird. Ein fünf Meter breites Modell steht bereits jetzt auf dem Grundstück. Ge­wisser­maßen als Vorbote und Demonstrations­objekt. Wie der noch im Entstehen begriffene große Bruder besteht das Modell komplett aus dem innovativen Werkstoff Carbonbeton. Das Objekt ist bereits jetzt ein Publikumsmagnet. Autofahrer und Fußgänger, die auf der Bautzner Straße unterwegs sind, halten immer mal wieder an, um das markante Ge­bäu­de in Augen­schein zu nehmen.

Top: Warum ist das Kutscherhaus Ihr ,,Lieblingsdings”?

Gerd Priebe: Es liegt ja nahe, dass man sich gerne dort aufhält, wo man viel Zeit verbringt. Im Falle des Kutscherhauses kommt der glückliche Umstand hinzu, dass ich hier Arbeiten und Wohnen miteinander verbinden kann. Da kann man schon von einem ,,lieb­lingsdings” sprechen. Zudem entspricht das Projekt absolut meiner Philosophie als Architekt. Architektur soll begeistern und auch überraschen. Das kommt übrigens auch bei den Besuchern an. Beim Tag der Architektur, zu dem wir das Haus jedes Jahr für die Öffentlichkeit öffnen, bekommen wir immer wunderbares Feedback. Gleichzeitig favorisiere ich ressourcenkritische Konzep­te, die nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit und der Effizienz funktionieren. Und das Kutscherhaus entspricht diesen Prinzipien. 

Architekt Gerd Priebe / Foto: Victoria Braunschweig
­Top: Inwiefern macht sich diese Philosophie auch in Ihrem Alltagsleben bemerkbar?

Gerd Priebe:  Ich fahre seit Jahren kein Auto. Wir sind hier hervorragend an den Nahverkehr angebunden. Und wenn ich doch mal ein Auto brauche, leihe ich mir eins. Ein eigenes Auto ist zumindest für uns überhaupt nicht nötig. Zudem werden alle Anschaf­fungen, die meine Frau und ich tätigen, konsequent auf ihren Nutzen hin überprüft.

Top: Was passiert mit dem Haus, wenn es nicht mehr als Wohnraum genutzt wird?

Gerd Priebe: Das Kutscherhaus soll ein Ort der Begegnung sein. Wenn die Villa Priebe einmal fertig ist und wir umgezogen sind, soll das Gebäude der Beherbergung von Kollegen und Gästen dienen. Gleichzeitig ist das Kutscherhaus ein Kreativraum. Hier soll zukünftiges Wohnen im Rahmen von Wissensgemeinschaf­ten gedacht und diskutiert werden. Zudem soll das Haus auch als Ort für interkulturellen Austausch dienen. Bereits jetzt trifft sich die Dresdner Regionalgruppe des Vereins „Cradle to Cradle“ hier regelmäßig, eine Initiative, deren Mission es ist, einen Denk­umschwung angesichts der kulturellen und gesellschaftlichen Herausforderun­gen anzustoßen. Dabei setzt der Verein auf ein Menschenbild, bei dem wir uns als Nützlinge auf der Erde sehen. Natürlich spielt Ressourcenkritik dabei eine große Rolle.  

Top: Macht sich dieser Anspruch auch in den verwendeten Materialien des Hauses bemerkbar? 

Gerd Priebe: Wir haben im Kutscherhaus komplett die sogenannte Baubuche verbaut, die sich gegenüber der normalen, schon recht stabilen Buche noch einmal dadurch unterscheidet, dass sie über eine höhere Tragfähigkeit verfügt. Durch diese außergewöhnlich hohe Festigkeit ermöglicht die Baubuche wesentlich schlankere Bauteile als die sonst so oft verwendeten Nadelholzwerkstoffe. Die Außenwände des würfelförmigen Holzbaus sind nur 40 Millimeter dick. Dadurch gewinnen wir viel Raum und Bewegungsfreiheit. Zudem hat das Material auch in ästhetischer Hinsicht viele Qualitäten. Für die ellipsoid-förmigen „Smarties“-Häuser auf dem Grundstück verwenden wir wiederum Carbonbeton, einen innovativen Werkstoff, der sich in mehrfacher Hinsicht für das Objekt anbietet. Er ist sehr leicht, ermöglicht einen geringen Material­einsatz, lässt sich gut verarbeiten und eignet sich hervorragend für Freiformen. Im Inneren wird die Schale nicht wie sonst üblich von einem Stahlgeflecht, sondern von einem Carbongelege stabilisiert. 

Foto: www.kenwagner.de
­Top: Inwieweit ist das Kutscherhaus bereits ein Beispiel für zukünftiges Wohnen?

Gerd Priebe: Tatsächlich hat das Haus in gewisser Weise Labor­charakter und soll als Beispiel für eine Vision davon dienen, wie wir in naher Zukunft wohnen werden. So gibt es keine Licht­schal­ter. Alle Lichtquellen werden per Smartphone gesteuert. Zudem haben wir das KNX-System verbaut, welches die Gebäu­de­­automation von Heizung über Beleuchtung, Warm­wasser, Schließ­systeme, Be- und Entlüftungen, Türsprech­anlagen bis hin zu Küchen- und Entertainmentsystemen ermöglicht. Auf dem Grundstück befindet sich außerdem eine Photovoltaik-Anlage, über die zusätzlicher Ökostrom in die Energie­versor­gung des Kutscherhauses eingespeist wird. An einem sogenannten Energie­cockpit kann der Verbrauch dabei jederzeit überprüft und analysiert werden.             PDn

Interview: Philipp Demankowski

Das Gebäude wurde 2018 vom German Design Council mit dem ICONIC AWARD für Innovative Materialien ausgezeichnet.

www.gpac.de

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