Filmkritik „Booksmart“: Märchen vom Erwachsenwerden

Credit: Francois Duhamel / Annapurna Pictures
0
„Booksmart“ wird getragen von zwei hinreißenden Schauspielerinnen und einem unbeirrbaren Humor. Der Debütfilm von Olivia Wilde ist die Coming-Of-Age-Komödie des Jahres. Man wünscht jedem Teenager zumindest eine Sichtung.

Seit gut einem halben Jahrzehnt kommt jedes Jahr verlässlich mindestens eine gute Coming-Of-Age-Komödie aus Hollywood, die dem Wust an biederen, klischeebeladenen Highschool-Klamotten den Stinkefinger zeigt. Was 2016 mit „The Edge Of Seventeen begann“ und 2017 mit „Lady Bird“ gar zu Oscar-Ehren kam, wurde im letzten Jahr mit dem hierzulande sträflich missachteten „Eighth Grade“ fortgesetzt. 2019 steht nun „Booksmart“ bereit, die Herzen im Sturm zu erobern. Und zwar nicht nur von reflektierten Jugendlichen, sondern unbedingt auch von älteren Generationen. Das gelingt dem Film mit Bravour. Das Debüt von Regisseurin Olivia Wilde, deren Schauspielerinnenkarriere („Her“, „Rush“, „Tron: Legacy“) jüngst etwas ins Stocken geriet, bedient sich eigentlich der bekannten Zutaten in ihrer Version des Märchens vom Erwachsenwerden. Es geht um den ersten Sex, die erste Liebe, die ungewisse Zukunft nach der Schule, exzessives Feiern und vor allem um Freundschaft. Gegenüber der gesammelten Konkurrenz hat „Booksmart“ aber einen wesentlichen Trumpf. Und das sind die beiden Hauptdarstellerinnen.

Credit: Francois Duhamel / Annapurna Pictures
Vier Jahre Party in einer Nacht

Molly (Beanie Feldstein) ist Jahrgangssprecherin und hat sich mit ihrer Freundin Amy (Kaitlyn Dever) während ihrer High – school-Zeit voll auf die Schule konzentriert. Als die beiden unzertrennlichen Freundinnen feststellen, dass sie sich dadurch zwar beste Karrierechancen fürs College erarbeitet haben, aber ihre feiernden Mitschüler genau die gleichen Optionen haben, entscheiden sie sich am Vorabend ihres High-School- Abschlusses, vier Jahre Party in einer Nacht nachzuholen. Es versteht sich von selbst, dass die beiden nun verschiedene Erfahrungen machen, die nicht nur unterhaltsam für die Zuschauerschaft sind, sondern auch zur Erwachsenwerdung von Molly und Amy beitragen.

Credit: Francois Duhamel / Annapurna Pictures
Felsenfester Humor

Genauso furchtlos wie zumindest Molly am Anfang ist, führt Olivia Wilde Regie. So scheut sie sich nicht, auch Stop-Motion- Szenen und eine Tanzsequenz miteinzubauen. Trotz der Vielzahl der filmischen Ideen und dem doch recht rasanten Tempo, in dem Molly und Amy ihre Stationen abklappern, verwässert der Film nie. Jederzeit fiebert man mit den beiden Freundinnen mit und nimmt ihre Manierismen dabei gerne in Kauf. Zumal die doch recht eigentümlichen Angewohnheiten, die die beiden im Umgang miteinander kultiviert haben, oft die Auslöser für die besten Gags des Films sind. Und das muss man festhalten: Der Humor sitzt felsenfest. Selten wurde im Kino so viel und ausdauernd gelacht. Auch die durch die Bank weg erstklassig gecasteten Nebendarsteller sorgen für großartige Lacher, wobei sie nie vorgeführt werden. Überhaupt gelingt es „Booksmart“ weitgehend Klischees wie die des minderbemittelten und fiesen Sportlers zu umschiffen. Dadurch fühlt sich der Film genau richtig im Jetzt junger Menschen an, auch weil Diversität, die in Hollywood nach MeToo gerne einmal zum Selbstzweck verkommt, nie herausgestellt werden muss, sondern einfach existiert.

Text: Philipp Demankowski
Booksmart

Regie: Olivia Wilde
Kinostart: 14. November 2019

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X