Der Traum von Europa: Dresdens Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025

Bunte Republik Neustadt, Galerie in der Louisenstraße, Stadtteilfest im Szeneviertel Äußere Neustadt, Foto: Sven Döring / Agentur Focus
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Seit 1985 wird jährlich der Titel „Kulturhauptstadt Europas” vergeben. Die Initiative geht auf eine Idee der damaligen griechischen Kulturministerin Melina Mercouri zurück und zielt auf die Stärkung der Vielfalt, aber auch der Gemeinsamkeiten der Kulturen Europas. Um die bei der EU-Erweiterung 2004 und 2007 hinzugekommenen neuen EU-Mitglieder möglichst schnell in die Aktion einzubinden, wurden seit 2009 jeweils zwei Kulturhauptstädte ernannt. Nach Westberlin 1988, Weimar 1999 sowie Essen und dem Ruhrgebiet 2010 will sich 2025 auch Dresden in die Liste der europäischen Kulturhauptstädte einreihen. Die sächsische Landeshauptstadt konkurriert im deutschen Bewerberfeld mit Chemnitz, Gera, Hannover, Hildesheim, Magdeburg, Nürnberg und Zittau. Die zweite Kulturhauptstadt kommt 2025 aus Slowenien.

Bevor der Jury im ersten Auswahlprozess im Herbst die Bewerbungsmappe, das sogenannte Bidbook, vorgelegt wird, sprachen wir mit Dr. David Klein, dem Leiter des Kulturhauptstadtbüros Dresden 2025, über die Chancen und Schwerpunkte der Dresdner Bewerbung.

Leiter des Kulturhaupstadtbueros Dresden, David Klein. Foto: Maximilian Helm
Top: Warum ist Dresden ein aussichtsreicher Kandidat für die Kulturhauptstadt 2025?

Dr. David Klein: Ich schätze das deutsche Bewerberfeld generell als sehr ausgeglichen ein. Deshalb gibt es schon eine relativ harte Konkurrenz zwischen den Bewerberstädten. Es wird für die Jury eine schwierige Entscheidung, zumal die Städte in ihren Bewerbungen unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Davon abgesehen denke ich aber schon, dass Dresden eine Geschichte erzählen kann, die zu den Ursprungsgedanken der Kulturhauptstadt Europas sehr gut passt. Es geht ja grundlegend darum, die Vielfalt der europäischen Kulturen in einer Stadt abzubilden. Gleichzeitig aber soll die Frage gestellt werden, wie diese Idee in die Zukunft übersetzt wird. Eine traditionsreiche europäische Kulturstadt, die ihre Stadtgesellschaft mit Kultur zukunftsfähig machen möchte, das ist das Thema der Dresdner Bewerbung.

im Hintergrund Brühlsche Terrasse, v.re.: Georgentor, Ständehaus, Sekundogenitur, Frauenkirche, Hochschule für bildende Künste, Oktagon mit Fama, Kunsthalle Lipsiusbau der Staatlichen Kunstsammlungen. Foto: Sven Döring
Top: Welche Lehren ziehen Sie aus erfolgreichen Bewerbungen vergangener Kulturhauptstädte?

Dr. David Klein: Schaut man auf die Kulturhauptstädte der letzten zehn Jahre, dann haben sich nicht die Städte durchgesetzt, die schon vor der Bewerbung über eine besonders ausdifferenzierte Kulturinfrastruktur verfügten. Stattdessen sind es Städte, die eine kulturelle Entwicklungsgeschichte zu erzählen hatten. Schauen wir auf das Beispiel Liverpool 2008, das eine Transformation von einer Industriestadt zu einer Stadt mit einer starken Creative Class durchlebt hat. Mit Essen und dem Ruhrgebiet, 2010 die letzte deutsche Kulturhauptstadt, wurde eine Region gewählt, die wie wenige andere in Europa von einem Strukturwandel geprägt ist und dabei auch von einer kulturellen Ausdifferenzierung begleitet wurde. In jüngerer Zeit wurden jedoch auch Kulturhauptstädte ausgewählt, die sehr individuelle Konzepte haben.

Die Dresdner Banda Internationale spielt zum Straßenfest Bunte Republik Neustadt. Foto: Moritz Schlieb
Top: Lässt sich die Dresdner Bewerbung in dieser Tradition begreifen?

Dr. David Klein: Nein, denn in Dresden ist Kultur bereits sehr stark in verschiedenen Facetten vorhanden. Wir sind schon eine europäische Kulturstadt von hohem Rang, aber dadurch nicht automatisch Kulturhauptstadt. Deswegen müssen wir andere Schwerpunkte setzen. Es wäre schlichtweg nicht überzeugend, wenn wir der Stadt einen harten strukturellen Wandel in einem bestimmten Feld, egal ob Wirtschaft, Stadtentwicklung oder Kultur, andichten würden. Wir stellen uns stattdessen die Frage, welchen Wandel wir mit und innerhalb unserer hochentwickelten Kulturszene anstreben wollen, und wie Kultur mit europäischen und globalen Metatrends umgeht. In diesem Zusammen hang ist auch unser Leitmotiv „Neue Heimat – Dresden 2025“ zu verstehen. Dieser Ansatz ist sicher in gewisser Weise ein Risiko, da wir von einer vermeintlich tradierten Erzählung der Kulturhauptstadtbewerbungen abweichen.

Dresden feiert die Bunte Republik Neustadt. Jeder Straßenzug gleicht einer Party-Meile. Foto: Moritz Schlieb
Top: Wenn es diesen bestimmenden Strukturwandel wie im Ruhrgebiet nicht gibt – was sind dann stattdessen Elemente des Transformationsprozesses in der Stadt?

Dr. David Klein: Dresden ist ein Beispiel für die Probleme, die in der europäischen Stadtgesellschaft verhandelt werden: Migration, Globalisierung, Umbruch durch Digitalisierung, Urbanisierung, schnelle Veränderung von Lebenswelten. Vor dem Hintergrund ist eine Polarisierung zu beobachten zwischen Einwohnern, die sich stark über ihr Heimatgefühl definieren, und jenen, die eher kosmopolitisch denken, zwischen zukunftsängstlichen und fortschrittsgläubigen Dresdnern. An dem Punkt stellen wir uns die Frage, wie eine Kulturhauptstadt mit ihrem kulturellen Angebot zwischen diesen Positionen vermitteln und im Idealfall zur Entpolarisierung beitragen kann.

Ballettaufführung im Großen Garten. Foto: Sven Döring
Top: Mit welchen Überlegungen will man im Rahmen der Bewerbung gegen diese Spaltung angehen?

Dr. David Klein: Wir stellen die These auf, dass das öffentlich finanzierte Kulturangebot der Stadt durchaus für große und repräsentative Teile der Stadtgesellschaft entwickelt wird, aber eben nicht für alle. Was nicht heißt, dass diese doch recht ausdifferenzierte Kulturszene nicht prinzipiell für alle Einwohner offen ist, sie wird aber nicht von allen genutzt und erreicht nicht alle Teile der Stadtgesellschaft. Die Frage nach dem Warum dieser ungleichen Beteiligung beschäftigt uns im Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung. Deshalb geht es natürlich auch darum, Zugänge zu schaffen. Um das zu unterstützen, haben wir verschiedene Beteiligungsverfahren entwickelt, etwa die Projektentwicklungsrunden unter dem Titel „Plattform“ und die Aktion „Na dann mach doch mit!“, die im letzten August an verschiedenen „Orten des Miteinanders“ Dresdnerinnen und Dresdner zusammenführte und die 2019 fortgesetzt wird.

Party im Schauspielhaus / Foto: © Michael R. Hennig
Top: Ein wichtiges Element der Initiative ist auch der innereuropäische Dialog. Inwieweit wird das in der Bewerbung berücksichtigt?

Dr. David Klein: Da spielen zwei Grundsatzfragen hinein. Einerseits, was wir an Dresdner Kultur in Europa zeigen wollen. Und andererseits, welche Beispiele europäischer Kultur wir in unser Programm vor Ort integrieren wollen. Deshalb stehen wir bereits in engem Kontakt zu allen Mitgliedern der Kulturhauptstadtfamilie, also jenen Städten, die den Titel bereits führten und den zukünftigen Kulturhauptstädten, die bereits feststehen. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Zusammenarbeit mit den Partnerstädten Dresdens. Wir planen jeweils mit einer westlich und einer östlich von Dresden liegenden Partnerstadt ein Sonderprogramm. Das sind St. Petersburg und Coventry. Ohnehin stehen gemeinsame Projekte mit europäischen Partnern und Fragen des Künstleraustauschs ganz oben auf unserer Tagesordnung. Übrigens auch mit Partnern, die über den europäischen Referenzrahmen hinausgehen.

Foto: Michael R. Hennig
Top: An welchem Punkt befinden Sie sich gerade im Bewerbungsprozess?

Dr. David Klein: Das Verfahren ist zweistufig. Derzeit befinden wir uns in der Voraus wahlphase, die am 30. September mit der Abgabe des ersten Bewerbungsbuchs bei der Kulturstiftung der Länder endet, die in Deutschland das Auswahl verfahren leitet. Im Dezember folgt dann eine Präsentation vor der Jury. Unmittelbar danach erfolgt eine Eingrenzung des nationalen Kandidatenfeldes über eine sogenannte „shortlist“. In der Endauswahlphase, die sich über das Jahr 2020 streckt, schreiben die verbliebenen Kandidatenstädte ein zweites Bewerbungsbuch, das sich detaillierter und präziser mit dem konkreten Programm beschäftigt. Nachdem eine Delegation der Jury die Kandidatenstädte besichtigt hat, fällt die endgültige Entscheidung dann Ende 2020.

www.dresden.de/de/kultur/kulturhauptstadt.php

Interview: Philipp Demankowski

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