„Zurück zu mehr Gelassenheit!“

Modedesignerin, Stylistin und Autorin Miyabi Kawai / Foto: sheego
0

Wir trafen Modedesignerin, Stylistin und Autorin Miyabi Kawai in Dresden zum Exklusiv-Interview und sprachen darüber, worauf es beim Tragen von Mode wirklich ankommt – ein Plädoyer für mehr Selbst­be­wusst­sein und Gelassenheit jenseits des Selbstoptimie­rungs­­wahns.

Seit Anfang des Jahres ist Miyabi Kawai ein wichtiges Gesicht der Markenkampagne ,,nobodyisthesame” von sheego. Das Credo des Plus Size Labels, das für Individualität und Vielfalt steht, ist es, die Weiblichkeit in all ihren Facetten zu feiern. Die Fashion-Expertin Miyabi Kawai, die vor allem durch das Fernsehformat ,,Schrankalarm” bekannt geworden ist, ist kein Branchen-Neuling, sondern arbeitete viele Jahre im Kreativ Team für TV-Shows wie ,,X-Factor” und ,,Got to Dance”. 2018 veröffentlichte sie zusammen mit Manuel Cortez ihr erstes Buch ,,Finde deinen Style!”. Erst kürzlich folgte ein zweites mit dem schönen Titel ,,Dem Meer ist es egal, ob du eine Bikinifigur hast”, das sie am 1. Juni im Haus des Buches vorstellte – gemeinsam mit ihrer neuen sheego Kollektion. Special Guest bei der Lesung war die deutsche Sängerin und Songwriterin Alina, die am Vorabend ihr Konzert im Rahmen der „Akustik Tour 2019 powered by sheego“ in der Schauburg gab. Top Magazin Dresden verloste jeweils zwei Karten für ein Meet & Greet mit Miyabi inklusive Umstyling und gemeinsamen Konzert­besuch sowie einen Brunch mit Alina und anschließendem Besuch der Lesung von Miyabi Kawai. Die glücklichen Gewinnerinnen durften ihre Outfits aus der brandneuen sheego Kollektion Wilderness natürlich behalten. Wir trafen eine sehr entspannte Miyabi zum lockeren Gespräch bei einer Tasse Kaffee in der Villa Baumgarten…

Foto: Jens Kirchschläger

Du wurdest Anfang letzten Jahres als Markenbotschafterin für die Marke sheego auserkoren. Wie kam denn diese Koope­ration zustande?

M. Kawai: Ich kooperiere nun schon seit einigen Jahren erfolgreich mit der Marke sheego. Wir haben bereits einige Gewinnspiele, Umstylings und Meet & Greets gemeinsam umgesetzt. Mittlerweile verbindet uns ein freundschaftliches Verhältnis. Seit Anfang diesen Jahres wurde die Kooperation erweitert. Ich darf nun auch designen, es kamen auch schon zwei gemeinsame Kollektionen heraus – sheego by Miyabi Kawai. Zwei weitere sind schon in Planung.

­Du sagst, du hast ein freundschaftliches Verhältnis zur Marke sheego, aber es muss ja auch auf professioneller Ebene harmonieren. Inwiefern kannst du dich mit dieser Marke identifizieren?

Egal, wovon wir sprechen, wir sprechen immer über Menschen. Auf dieser Ebene muss es einfach funktionieren – und das tut es! Wir sind uns auch sehr ähnlich, was unsere Visionen anbelangt. Unser gemeinsames Ziel ist es, Plus Size Mode attraktiver zu machen. Ich habe in drei Jahren ,,Schrankalarm” viele Frauen stylen dürfen und da ist mir etwas aufgefallen: Es gibt ab Größe 44 zwar Bekleidung, aber kaum Mode. Das ist ein feiner, aber extrem wichtiger Unterschied, denn diese Frauen sind es gewohnt, zu kaschieren, um so schlank wie möglich zu erscheinen oder (noch schlimmer!) sich hinter ihren Kleidern zu verstecken.

Und da kommst du als Modedesignerin und Stylistin ins Spiel….

Ja, denn das gemeinsam erklärte Ziel von sheego und mir ist es, Frauen mit großen Größen wieder sichtbar zu machen, und zu zeigen, dass Schönheit keine Kleidergröße braucht. Das erfordert, dass man Sachen kreiert, die nicht dem gängigen Angebot entsprechen. Die meisten Sachen in großen Größen bekommt man in eher gedeckten, unscheinbaren Farben wie dunkelblau, grau, schwarz oder bordeaux – das allein spricht schon eine eigene Sprache. Damit sich eine Frau schön fühlen kann, braucht sie Mode, die sie unterstützt. Wenn sie allerdings nichts in ihrer Größe findet, kann sie sich nicht wohl, geschweige denn attraktiv fühlen. Wir brauchen die mutigen Frauen, die sich zeigen und auffallen wollen, obwohl sie vielleicht nicht dem gängigen Schönheits­ideal entsprechen. Das motiviert dann auch die schüchternen Frauen, unsere Mode zu tragen. Das ist eine große Aufgabe, die sehr viel Freude macht.

Ein Herz und eine Seele: Miyabi Kawai und Alina, deutsche Sängerin und Songschreiberin, deren Debütalbum 2017 auf Anhieb die Top 100 der deutschen Charts erreichte / Foto: Tiffany La

Also ist deiner Meinung nach Mode auch die Art und Weise, wie man in die Welt hinausgeht?

Absolut! Mode ist mehr als nur Klamotte. Das wird oft unterschätzt. Man sagt, es sei nur Oberfläche, aber es steckt viel mehr dahinter. Es ist eine psychologische Tatsache, dass Mode sehr viel Kraft geben und unser Selbstwertgefühl pushen kann. Mode kann uns dabei unterstützen, uns schön zu fühlen, auch jenseits der Norm. Dafür braucht es natürlich auch Produkte, die man tragen kann, denn ohne funktioniert es nicht.

Nach deinem ersten Buch „Finde deinen Style!“ ist nun das zweite mit dem schönen Titel „Dem Meer ist es egal, ob du eine Bikinifigur hast“ im Rowohlt-Verlag erschienen. Können deine Leserinnen neue Erkenntnisse aus dem Bereich Mode und selbstbewussten Auftreten erwarten?

Mein erstes Buch war im Wesentlichen von der Sendung ,,Schrankalarm” geprägt und von der Philosophie, alle Veränderungen zuerst in der Denkweise vorzunehmen. Man muss lernen, sich anzunehmen – erst dann können wir über Klamotte reden. Das erste Buch war sehr praxisorientiert. Es war eine logische Konsequenz, ein zweites herauszugeben, dass sich mit der Thematik des selbstbewussten Auftretens befasst. Tat­säch­lich ist das Buch ein Plädoyer für mehr Selbstliebe. Ich denke, dass sich jede Frau (egal welchen Alters oder welcher Kleidergröße) zwangsläufig schon einmal mit diesem Thema auseinandersetzen musste.

­Interessant sind deine deutsch-japanischen Wurzeln. Haben diese in irgendeiner Form Einfluss auf dein Modebewusstsein?

Ich liebe den japanischen Style – er lebt vom Mini­ma­lismus und hat viel mit moderner Architektur gemeinsam, die meist sehr monochrom, mit klaren Linien und klaren Aussagen daherkommt – ganz im Gegensatz übrigens zur Streetkultur, die eher bunt und schrill ist. Es ist beides wahnsinnig spannend und ich lasse mich natürlich auch gern inspirieren, aber das ist nicht mein Schwerpunkt. Der Reichtum, den man schöpfen kann, wenn man mit zwei Kulturen aufgewachsen ist und diese auch schätzt und annimmt, ist ein großes Privileg und lässt mich offen für Neues bleiben. Ich selbst begreife mich als Europäerin und liebe diese Vielfalt, die wir schon allein in Europa haben. Bei mir kommen zusätzlich asiatische Einflüsse hinzu. Ich bin eine Welten­bürge­rin – im Herzen und auch in der Wahrnehmung. Ich schöpfe aus der Vielfalt und möchte zeigen, dass jede Frau schön ist.

Dein Lebensweg von der Modedesignerin zur Fashion-Ikone ist wirklich beeindruckend. Du bist vor allem jedoch durch deine jahrelange Arbeit als Moderatorin bei VOX (Styling-Doku ,,Schrank­­alarm”) bekannt geworden. War das ein Sprung­brett für deine Karriere?

Das war ein Sprungbrett für meine öffentliche Karriere – das auf jeden Fall. Aber ich bin auch sehr stolz auf die zwanzig Jahre, die ich bereits vorher in der Branche gearbeitet habe. Meine Expertise ziehe ich vor allem aus meiner langjährigen Erfahrung als Mode­designerin. Ich habe in der Branche viele Jobs machen dürfen und sehr erfolgreich an Fernsehformaten wie ,,Got to dance” oder ,,X-Faktor” als Head of Styling gearbeitet. ,,Schrank­alarm” hat mir durch den Fakt, dass ich selbst vor die Kamera gegangen bin, erstmalig öffentliche Aufmerksamkeit beschert. Mir geht es weniger um den Ruhm, vielmehr darum, eine Stimme zu bekommen, die gehört wird. Mit dem zusätzlichen Push in den sozialen Medien habe ich eine gewisse Popularität erreicht und kann meine Stimme sinnvoll nutzen. Es haben sich tolle neue Wege aufgetan und ich bin sehr dankbar dafür. Meine Bücher würde es ohne diesen Weg nicht geben.

Was ist deiner Meinung nach die größte Herausforderung für ein gutes Styling?

Die größte Herausforderung ist der Kampf mit sich selbst. Dabei geht es nicht um einen bestimmten Schnitt oder einen Stoff oder eine Farbe. Es geht vor allem um die Selbst­wahr­nehmung. Ich stehe manchmal vor wunderschönen Frauen, die mir sagen, was sie angeblich alles nicht tragen könnten. Dann stellt sich mir sofort die Frage ,Warum eigentlich nicht?’, was wiederum zur Selbstwahr­nehmung führt. Ich höre Antworten wie ,das ist viel zu laut, da falle ich noch auf’ und ich frage, was eigentlich das Problem daran ist, wahrgenommen zu werden. Die Antworten reichen von ,in meinem Alter kann man keine grellen Farben tragen’ bis ,ich habe doch Kleidergröße 46’. Diesen Schalter umzulegen, ist die größte Herausforderung und übrigens auch die Aufgabe meines neuen Buches. Denn du kannst alles tragen, was du willst – macht euch von den ,No gos’ frei! Wir haben in unserer Gesellschaft gelernt, zu richten und zu bewerten. Es ist eine richtige Kultur da­raus entstanden. Tat­sache ist – es gibt keine Regeln, es gibt nur persönlichen Ge­schmack. Wichtig ist Authentizität. ,Vorteilhaft’ ist ein Synonym für ,so schlank wie möglich’ und das schafft sofort Grenzen in den Köpfen der Frauen. Die größte Herausforderung beim Styling ist, dass sich die Frau vor allem sicher fühlt mit dem, was sie trägt und sich traut, zu zeigen, wer sie ist.

Fünf glückliche Dresdner Gewinnerinnen des Meet & Greets mit Miyabi Kawai und den Mitarbeitern von sheego und Wundercurves. Foto: Judit Lesti

Das entspricht auch dem neuen gesellschaftlichen Be­wusst­­­sein, authentisch zu sein und nicht etwas vorzugeben, was man nicht ist. Es freut mich zu hören, das diese Einstellung auch in der Modewelt angekommen ist…

Die sogenannten Ideale, die wir haben oder das Gefühl, nicht zu genügen, wird gefüttert von einer Milliarden­industrie, die uns Produkte verkauft. Wir können ja Mode und Make-up benutzen, um uns schön zu fühlen und Kraft zu geben. Sobald aber das Gefühl aufkommt, wir müssten bestimmte Cremes benutzen oder Diäten machen, dann sind wir Opfer dieser Industrie. Diese Denk­weise müssen wir durchbrechen. Das ist eine Frage des Mindsets, aus dem sich tatsächlich ein Trend entwickelt hat, der letztlich eine logische Konsequenz aus dem ewigen Druck ist, perfekt sein zu müssen. Dieser Druck ist mittlerweile auch auf die Männerwelt übergeschwappt. Männer von heute müssen nicht nur stark, erfolgreich und beschützend sein, sondern auch noch ein Sixpack haben. Das ist eine wahnsinnige Last, um die ich keinen Mann beneide. Ich glaube, wir haben den Zenit erreicht, einfach nur eine glänzende Hülle zu sein. Wir sind erschöpft von diesem Rennen um Perfektion mit dem einzigen Ziel, geschätzt zu werden. Wir sollten uns alle von diesem Dauerstress befreien und einfach mal entspannen. Wir müssen nichts tun, um anderen zu gefallen oder weil andere es sagen. Wir dürfen wir selbst sein und uns auch gut dabei fühlen.

Dein gemeinsames Projekt mit deinem Mann Manuel Cortez, der Youtube-Channel ,,Style Alarm”, ist ein weiterer logischer Baustein in deiner Karriere. Seid ihr ein harmonisches Team, was die Mode betrifft?

,,Style Alarm” ist zwischen den Drehpausen von ,,Schrankalarm” entstanden. Wir wollten für unsere Fans präsent bleiben und haben diesen YouTube-Kanal gegründet. Ich glaube, ,,Schrankalarm” und ,,Style Alarm” funktionieren deshalb so gut, gerade weil wir Mann und Frau sind. Wir haben oft unterschiedliche Sichtweisen, aber wir gehen gemeinsam in eine Richtung. Was die Mode anbelangt, suchen wir keine Harmonie. Wir sind beide sehr starke Persönlichkeiten und empfinden uns trotzdem als harmonisches Paar, weil wir uns gegenseitig viel Raum zur Entfaltung lassen. Das betrifft ebenso die Mode. Mir gefällt nicht alles, was Manuel trägt und umgekehrt ist es genauso. Ich möchte auch keinen Mann haben, der nur das trägt, was ich ihm sage. Mein Partner ist nicht dazu da, um mir zu gefallen. Wir sind zwei Men­schen, die freiwillig und glücklich gemeinsam in eine Richtung gehen, ohne zu verschmelzen.

Gibt es abschließend einen praktischen Tipp, den du gern allen mode­bewussten Frauen mit auf dem Weg geben möchtest?

Macht Euch frei und vertraut Eurem eigenen Ge­schmack! Folgt Eurem ersten Impuls, denn der ist der beste Indikator für das, was richtig für Euch ist. Traut Euch – wenn euch etwas gefällt, tragt es einfach!

www.sheego.de

Interview: Sabine Dittrich

Sie interessieren Sich möglichweise auch für:

X