Filmkritik „Das melancholische Mädchen“: Filmische Pastellkritik

Foto :© Salzgeber & Co. Medien GmbH
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In Das melancholische Mädchen von Schriftstellerin und Regisseurin Susanne Heinrich analysiert die Titelfigur in 15 absurden Situationen die Phänomene unserer Zeit.

Wenn in der Postmoderne alle Zutaten gegenwärtigen Zusammenlebens in einen Topf geschmissen werden, liefert „Das melancholische Mädchen“ verlässlich ab. Die als Film getarnte Aphorismensammlung verarbeitet populäre Insignien moderner westlicher Gesellschaften: Sex, Selbstverwirklichung, Familienplanung, soziale Ungleichheit, Glaubens suche oder Meditation. An Themen fehlt es nicht. Eine grundlegende Handlung gibt es eigentlich nur in Ansätzen. Das titelgebende melancholische Mädchen hat gerade keine Wohnung. Auf der Suche nach einem Schlafplatz begegnet sie allerhand Menschen, mit denen sie Gespräche über das Jetzt und die eigene Verortung darin führt. In 15 starren, voneinander separierten Versuchsanordnungen, deren Kulissen minutiös geplant aussehen, in Wirklichkeit aber wahrscheinlich zufällig zusammengewürfelt wurden, lässt Susanne Heinrich ihre Figuren wie in Trickfilmen aufeinanderprallen. Optisch taucht die Regisseurin ihre Szenerien dabei in ein Pastellkleid, wobei es dem Zuschauer überlassen bleibt, ob er das Dargebotene als Traum oder als Albtraum wahrnimmt.

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Humor trotz Entrücktheit

Albtraumhaft ist jedenfalls, wie die Figuren miteinander sprechen. Nicht inhaltlich, sondern rhythmisch. Das kommt rüber wie eine Mischung aus Roboterakzent und der ikonischen Rückwärtssprache aus David Lynchs „Twin Peaks“. Bei aller Entrücktheit entsteht durch diese Sprache aber auch ein eigentümlicher Humor, den das melancholische Mädchen auch in den absurdesten Situationen zu retten vermag. Dass sie Humor hat, wird ihr von ihren Gesprächspartnern jedenfalls auffallend oft attestiert. Vielleicht ein Rettungsanker aus der systemisch verursachten Depression. Ihre eigenen schriftstellerischen Ambitionen stecken in der Sackgasse und die Wohnungssituation war eben auch schon mal eine bessere. Immerhin weiß sie zum Schluss auf was sie eigentlich wartet. Nicht auf das Ende des Kapitalismus, wie vorher vermutet, sondern auf die Wut. Das alles ist befremdlich. Manchmal wirkt die Titelfigur, als wäre sie mit der Zeitmaschine zu Besuch gekommen.


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Glücksversprechen, nicht eingelöst

Letztlich ist der Film eine literarische Spiegelung der uns moderierenden Zeitphänomene, nur eben mit filmischen Mitteln. Kein Wunder, schließlich ist Susanne Heinrich auch Schriftstellerin. Wer filmisches Handwerk in Perfektion sehen will, ist mit anderen Entwürfen besser beraten. Die Stärken des Films liegen woanders. „Das melancholische Mädchen“ ist in der Analyse so treffend, dass der Film den Max Ophüls Preis für den Besten Spielfilm mitnehmen konnte. In der Jurybegründung hieß es: „Eine junge Frau wird zur Symptomträgerin einer Gesellschaft, die ihre Glücksversprechen nicht einlöst.“ Kann man durchaus so sehen.

Das melancholische Mädchen

Regie: Susanne Heinrich
Filmstart: 27. Juni 2019

Text: Philipp Demankowski

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