Alles Bauhaus, oder was?

Bauhausgebäude von Südwesten, Walter Gropius, Dessau, 1926, Foto: Tillmann Franzen, 2018 / © Tillmann Franzen, tillmannfranzen.com/ © VG Bild-Kunst
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2019 ist das Bauhaus-Jubiläum in allen kulturellen Zusammenhängen zu spüren. Auch in Dresden. Doch was wird eigentlich gefeiert? Wir geben einen Überblick.

Als der Berliner Architekt Walter Gropius am 12. April 1919 den Vertrag als Direktor des Bauhauses, vormals Groß­her­zoglich Sächsische Hochschule für bildende Kunst in Weimar, unterschrieb, ahnt niemand, welche Wirkmächtigkeit die Denk­schule einmal entwickeln würde. Verehrt werden das Bauhaus und seine Protagonisten heute landauf, landab von Amsterdam bis Zagreb. Ihre Ideen werden immer wieder gern zitiert, neue Überlegungen werden ins Verhältnis zu Bau­haus-Paradigmen gestellt. In Ermangelung korrekter Ter­mi­ni wird funktionale, entschlackte Kunst aller Richtungen gerne als Bauhaus-inspiriert bezeichnet, und zwar überproportional häufig zur tatsächlichen Anzahl an Bauhaus-Kunst­werken. Gerade für Design und Architektur scheint es sich beim Bau­haus fast schon um so etwas wie den heiligen Gral zu handeln. Es ist bemerkenswert, welchen Einfluss die Bewe­gung hat, obwohl sie doch eigentlich nur 14 Jahre existierte. Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass das Bauhaus seinen Siegeszug zum Teil auch durch eine beispielhafte Früh­form des Marketings antreten konnte. Eines ist sicher: An Erklärungspapieren mangelte es schon zu Beginn des kurzlebigen Daseins nicht. 

Hauptgebäude der ehemaligen Kunstschule (1904–11), Architekt: Henry van de Velde / Foto: © Tillmann Franzen, tillmannfranzen.com, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Bauhaus-Grundlagen

Doch was ist eigentlich die Essenz vom Bauhaus? Grund­sätz­lich wollte Walter Gropius mit seinen Anstrengungen per se keinen neuen Kunststil entwickeln, so wie es heute vielerorts missverstanden wird. Stattdessen bestand sein Ideal darin, Kunst und Handwerk im Sinne des Umgangs mit natürlichen Materialien zu vereinen. Als Vorbild identifizierte er die mittelalterlichen Bauhütten, eine Umgebung, in denen Künstler und Handwerker direkt miteinander arbeiteten. Ein zweites tragendes Kriterium war der Funktionalismus. Ästhetik und Effizienz bilden eine Einheit. Nützlichkeit ist Trumpf. Daher kommt der auch noch heute verbreitete Eindruck, dass alle Produkte, die auf ihr Wesentliches reduziert sind, automatisch mit Bauhaus assoziiert werden. Diese Ideen waren damals durch­aus ein Affront gegenüber dem vorherrschenden Kunst­verständnis, dominierten Anfang des 20. Jahrhunderts doch verspielte Kunstströmungen wie der in europäischen Groß­städten allgegenwärtige Jugendstil. Ornamentik und Maske­ra­de wurden von den Bauhaus-Apologeten jedoch eine konsequente Absage erteilt. Die neuen Ideen brachten der Bewe­gung bald den Ruf als Wiege der europäischen Avantgarde ein. Doch ein vermeintlich freigeistiges, vorwärts gewandtes und experimentelles Künstlerleben, das man gemeinhin mit einer avantgardistischen Strömung verbindet, wurde am Bauhaus nicht wirklich gelebt. Vielmehr unterlagen sowohl Lehre als auch Kunstpraxis einem rigiden Regelwerk. 

Frau im Clubsessel B3 von Marcel Breuer, Maske von Oskar Schlemmer, Kleid von Lis Beyer / Foto: Erich Consemüller, um 1927/ © Klassik Stiftung Weimar / © Stephan Consemüller (Erich Consemüller)
Startschuss in Weimar

Entsprechend der Forderung, Handwerk und Kunst zu vereinen, installierte Walter Gropius 1919 beim Amtsantritt als Di­rek­tor der Großherzoglich-Sächsischen Hochschule Weimar, die fortan Staatliches Bauhaus in Weimar hieß, die sogenannten Werkstätten. Diese wurden zu gleichen Teilen von Künst­lern, die sich Meister der Form nannten, und Handwerks­meis­tern geleitet. Walter Gopius gelang es schnell populäre Künstler für sein Projekt zu begeistern. So stand in Dessau etwa Lyonel Feininger der Druckerei vor, während Gerhard Marcks die Töpferei und Georg Munch die Weberei leitete. Wassily Kan­dinsky und Paul Klee übernahmen Wand- und Glasmalerei. Oskar Schlemmer führte die beiden Bildhauerklassen für Holz und Stein. Als einzige weibliche Meisterin übernahm Gertrud Grunow den Kurs Harmonisierungslehre, in dem sie die Reak­tion auf Töne, Farben und andere synästhetische Stimuli mit bestimmten Körperhaltungen verband. 

Meisterhäuser Dessau (1925–26), Architekt Walter Gropius, Photo: © Tillmann Franzen, tillmannfranzen.com, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Neue Meisterhäuser (Haus Gropius) Dessau, Architekten: Bruno Fioretti Marquez Architekten (2010–2014), Photo: © Tillmann Franzen, tillmannfranzen.com © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Umzug nach Dessau

Von Anfang an lehnten Politiker und Unterstützer konservativer Kräfte das Bauhaus ab. Als sich 1924 die Mehrheits­ver­hältnisse im Thüringer Landtag änderten und der Etat um 50% gekürzt wurde, beschloss der Meisterrat 1925 den Umzug ins sozialdemokratische Dessau. Zudem lockte hier eine För­derung des Flugzeugbauers Hugo Junkers. Der Anfang einer ausgedehnten Partnerschaft mit der Industrie. 1926 wurde das neue, von Walter Gropius entworfene Bauhausgebäude in Des­sau eingeweiht. Von den Nazis teilweise zerstört, wurde es 1976 rekonstruiert und lässt auch heute noch Architektur­stu­den­ten aus aller Welt nach Dessau pilgern. Die nicht weniger ikonischen Meisterhäuser als Musterhäuser für mo­dernes Woh­nen entstanden in unmittelbarer Nachbar­schaft. 1931 ge­wann die NSDAP die Gemeindewahl in Dessau und erwirkte die Schließung des staatlichen Bauhauses. Mies van der Rohe, der nach Walter Gropius und dem Schweizer Hannes Meyer, dritte und letzte Direktor, verlegte das Bauhaus 1932 als private Einrichtung nach Berlin-Lankwitz, doch schon ein Jahr später wurde es durch Repressalien wie Hausdurchsuchungen und Verhaftung von Studenten zur Selbstauflösung gezwungen.

Zeche Zollverein Fördergerüst Schacht XII (1928–1932), Architekten: Fritz Schupp, Martin Kremmer / Photo: © Tillmann Franzen, tillmannfranzen.com
Weiße Stadt Berlin (1929–31), Architekten: Martin Wagner, Otto Rudolf Salvisberg, Bruno Ahrends, Wilhelm Büning / Photo: © Tillmann Franzen, tillmannfranzen.com
Bauhaus 100

Im Jahr 2019 zelebrieren wir nun in ganz Deutschland das 100-jähige Jubiläum im großen Stil. In der ganzen Republik wird gemäß den Bauhaus-Vorgaben „experimentell, vielgestal­tig, transnational und radikal zeitgemäß“ gefeiert. Das Orga­ni­sationskomitee hat sich nicht nur viel vorgenommen, es hat auch viel erreicht, wenn man sich die Resonanz in den Medien anschaut. Wie gutes Marketing geht, konnten die Party­planer schließlich aus erster Hand recherchieren. Das Er­öff­nungs­festival vom 16. bis zum 24. Januar in der Aka­de­mie der Küns­te in Berlin liegt bereits hinter uns und verzeichnete Rekord­besucherzahlen. Die Ausstellungs- und Veranstal­tungs­­reihe „bauhaus imaginista“ hinterfragt weltweit die Rezep­tions­ge­schichte und das Potenzial für unser heutiges Kunst­ver­ständnis. Zudem gibt es in den drei Bauhaus-Städten in Berlin, Dessau und Weimar jeweils große Ausstellungen mit bislang nie gezeigten Sammlungsschätzen, Design-Klassikern und Form-Experimenten. Jeder Standort bekommt sogar ein eigenes Museum. Und auch in vielen anderen deutschen Städten gibt es Sonderausstellungen. Man muss also keine Angst haben. Auch zum 101. Geburtstag dürfen wir uns noch an vielen Orten von den Bauhaus-Ideen begeistern lassen.        

Die Bauhaus-Kapelle (T. Lux Feininger: Klarinette, Waldemar Alder: Trompete, Ernst Egeler: Schlagzeug, Clemens Röseler: Posaune, Friedhelm Strenger: Klavier), Dessau 1930 / Foto: unbekannt/ © Bauhaus-Archiv Berlin

Weitere Informationen unter: www.bauhaus100.de
Text: Philipp Demankowski

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