Alles Bauhaus, oder was?

2019 ist das Bauhaus-Jubiläum in allen kulturellen Zusammenhängen zu spüren. Auch in Dresden. Doch was wird eigentlich gefeiert? Wir geben einen Überblick.
Als der Berliner Architekt Walter Gropius am 12. April 1919 den Vertrag als Direktor des Bauhauses, vormals Großherzoglich Sächsische Hochschule für bildende Kunst in Weimar, unterschrieb, ahnt niemand, welche Wirkmächtigkeit die Denkschule einmal entwickeln würde. Verehrt werden das Bauhaus und seine Protagonisten heute landauf, landab von Amsterdam bis Zagreb. Ihre Ideen werden immer wieder gern zitiert, neue Überlegungen werden ins Verhältnis zu Bauhaus-Paradigmen gestellt. In Ermangelung korrekter Termini wird funktionale, entschlackte Kunst aller Richtungen gerne als Bauhaus-inspiriert bezeichnet, und zwar überproportional häufig zur tatsächlichen Anzahl an Bauhaus-Kunstwerken. Gerade für Design und Architektur scheint es sich beim Bauhaus fast schon um so etwas wie den heiligen Gral zu handeln. Es ist bemerkenswert, welchen Einfluss die Bewegung hat, obwohl sie doch eigentlich nur 14 Jahre existierte. Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass das Bauhaus seinen Siegeszug zum Teil auch durch eine beispielhafte Frühform des Marketings antreten konnte. Eines ist sicher: An Erklärungspapieren mangelte es schon zu Beginn des kurzlebigen Daseins nicht.

Bauhaus-Grundlagen
Doch was ist eigentlich die Essenz vom Bauhaus? Grundsätzlich wollte Walter Gropius mit seinen Anstrengungen per se keinen neuen Kunststil entwickeln, so wie es heute vielerorts missverstanden wird. Stattdessen bestand sein Ideal darin, Kunst und Handwerk im Sinne des Umgangs mit natürlichen Materialien zu vereinen. Als Vorbild identifizierte er die mittelalterlichen Bauhütten, eine Umgebung, in denen Künstler und Handwerker direkt miteinander arbeiteten. Ein zweites tragendes Kriterium war der Funktionalismus. Ästhetik und Effizienz bilden eine Einheit. Nützlichkeit ist Trumpf. Daher kommt der auch noch heute verbreitete Eindruck, dass alle Produkte, die auf ihr Wesentliches reduziert sind, automatisch mit Bauhaus assoziiert werden. Diese Ideen waren damals durchaus ein Affront gegenüber dem vorherrschenden Kunstverständnis, dominierten Anfang des 20. Jahrhunderts doch verspielte Kunstströmungen wie der in europäischen Großstädten allgegenwärtige Jugendstil. Ornamentik und Maskerade wurden von den Bauhaus-Apologeten jedoch eine konsequente Absage erteilt. Die neuen Ideen brachten der Bewegung bald den Ruf als Wiege der europäischen Avantgarde ein. Doch ein vermeintlich freigeistiges, vorwärts gewandtes und experimentelles Künstlerleben, das man gemeinhin mit einer avantgardistischen Strömung verbindet, wurde am Bauhaus nicht wirklich gelebt. Vielmehr unterlagen sowohl Lehre als auch Kunstpraxis einem rigiden Regelwerk.

Startschuss in Weimar
Entsprechend der Forderung, Handwerk und Kunst zu vereinen, installierte Walter Gropius 1919 beim Amtsantritt als Direktor der Großherzoglich-Sächsischen Hochschule Weimar, die fortan Staatliches Bauhaus in Weimar hieß, die sogenannten Werkstätten. Diese wurden zu gleichen Teilen von Künstlern, die sich Meister der Form nannten, und Handwerksmeistern geleitet. Walter Gopius gelang es schnell populäre Künstler für sein Projekt zu begeistern. So stand in Dessau etwa Lyonel Feininger der Druckerei vor, während Gerhard Marcks die Töpferei und Georg Munch die Weberei leitete. Wassily Kandinsky und Paul Klee übernahmen Wand- und Glasmalerei. Oskar Schlemmer führte die beiden Bildhauerklassen für Holz und Stein. Als einzige weibliche Meisterin übernahm Gertrud Grunow den Kurs Harmonisierungslehre, in dem sie die Reaktion auf Töne, Farben und andere synästhetische Stimuli mit bestimmten Körperhaltungen verband.


Umzug nach Dessau
Von Anfang an lehnten Politiker und Unterstützer konservativer Kräfte das Bauhaus ab. Als sich 1924 die Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag änderten und der Etat um 50% gekürzt wurde, beschloss der Meisterrat 1925 den Umzug ins sozialdemokratische Dessau. Zudem lockte hier eine Förderung des Flugzeugbauers Hugo Junkers. Der Anfang einer ausgedehnten Partnerschaft mit der Industrie. 1926 wurde das neue, von Walter Gropius entworfene Bauhausgebäude in Dessau eingeweiht. Von den Nazis teilweise zerstört, wurde es 1976 rekonstruiert und lässt auch heute noch Architekturstudenten aus aller Welt nach Dessau pilgern. Die nicht weniger ikonischen Meisterhäuser als Musterhäuser für modernes Wohnen entstanden in unmittelbarer Nachbarschaft. 1931 gewann die NSDAP die Gemeindewahl in Dessau und erwirkte die Schließung des staatlichen Bauhauses. Mies van der Rohe, der nach Walter Gropius und dem Schweizer Hannes Meyer, dritte und letzte Direktor, verlegte das Bauhaus 1932 als private Einrichtung nach Berlin-Lankwitz, doch schon ein Jahr später wurde es durch Repressalien wie Hausdurchsuchungen und Verhaftung von Studenten zur Selbstauflösung gezwungen.


Bauhaus 100
Im Jahr 2019 zelebrieren wir nun in ganz Deutschland das 100-jähige Jubiläum im großen Stil. In der ganzen Republik wird gemäß den Bauhaus-Vorgaben „experimentell, vielgestaltig, transnational und radikal zeitgemäß“ gefeiert. Das Organisationskomitee hat sich nicht nur viel vorgenommen, es hat auch viel erreicht, wenn man sich die Resonanz in den Medien anschaut. Wie gutes Marketing geht, konnten die Partyplaner schließlich aus erster Hand recherchieren. Das Eröffnungsfestival vom 16. bis zum 24. Januar in der Akademie der Künste in Berlin liegt bereits hinter uns und verzeichnete Rekordbesucherzahlen. Die Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe „bauhaus imaginista“ hinterfragt weltweit die Rezeptionsgeschichte und das Potenzial für unser heutiges Kunstverständnis. Zudem gibt es in den drei Bauhaus-Städten in Berlin, Dessau und Weimar jeweils große Ausstellungen mit bislang nie gezeigten Sammlungsschätzen, Design-Klassikern und Form-Experimenten. Jeder Standort bekommt sogar ein eigenes Museum. Und auch in vielen anderen deutschen Städten gibt es Sonderausstellungen. Man muss also keine Angst haben. Auch zum 101. Geburtstag dürfen wir uns noch an vielen Orten von den Bauhaus-Ideen begeistern lassen.
