Ein Hamburger in Bischofswerda

Ausschnitt aus: Carl Lohse, Kleine Stadt, 1920 Mischtechnik auf Leinwand, 98 x 98 cm, Albertinum, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, © VG Bild-Kunst
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Eine Ausstellung im Dresdner Albertinum setzt das Frühwerk des Expressionisten Carl Lohse in Szene.

Kunsthistoriker sind sich einig: Carl Lohse (1895–1965) schuf ein fulminantes expressionistisches OEuvre. Im künstlerischen Aufbruch nach dem Ersten Weltkrieg war seine Art zu malen eine der kompromisslosesten. Entlassen aus der Gefangenschaft fand der gebürtige Hamburger in Bischofswerda bei Dresden die finanzielle Unterstützung, um künstlerisch tätig zu sein. Der Armaturenfabrikant Karl Hebenstreit hatte den Maler eingeladen. Im Hause des Kolonialwarengroßhändlers Alfred Scheumann fand er nicht nur optimale Arbeitsbedingungen, sondern auch die Liebe. Scheumanns Tochter Johanna heiratete Carl Lohse 1925. Schon vorher in der Zeit zwischen Herbst 1919 und Frühjahr 1921 erlebt der Maler einen wahren Schaffensrausch. Initiiert wurde diese produktive Phase auch durch verschiedene Dresdner Künstlerfreunde, darunter Erich Ponto, Ludwig Renn, Hildebrand Gurlitt, Erna Lincke und Hans Christoph, die im Scheumannschen Haus ein- und ausgingen. Im Kreise der Künstlerkollegen fühlte er sich respektiert. Der expressionistische Weg schien der richtige zu sein.

Carl Lohse, Roter Klang, Bildnis Ludwig Renn, 1919, Öl auf Pappe, 71,5 x 45,5 cm, Albertinum | Galerie Neue Meister, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Virtuose Farbkaskaden

Der junge Maler dringt in dieser Phase zu bemerkenswerter Eigenständigkeit vor. Er malt virtuos und vehement, zeigt Rhythmusgefühl und koloristischen Wagemut. Schockierend sind die Farbklänge der Bildnisköpfe und Landschaftsgemälde. Kühn ist in den monumentalen Gipsbüsten und Zeichnungen die Form aufgebrochen. Es ist das emotional aufgeladene Werk eines Künstlers, der bereits mit 25 Jahren eine kraftvolle eigene Sprache fand. Ein Künstler, der die Stimmungslage der krisengeschüttelten Nachkriegszeit anhand seiner Bilder erfahrbar machte. Seit 15. Dezember ist dieses Frühwerk im Dresdner Albertinum in einer gemeinsam mit dem Ernst Barlach Haus Hamburg konzipierten Ausstellung zu sehen. Die Schau „Carl Lohse. Expressionist“ vereint dabei erstmals in diesem Umfang die Hauptwerke des Künstlers aus öffentlichen und privaten Sammlungen in Ost- und Westdeutschland. Wer sich für den weiteren Werdegang von Carl Lohse interessiert, kann sich in einem die Ausstellung begleitenden Exkurs über sein Spätwerk informieren, das in der DDR entstand.

Carl Lohse. Expressionist

bis 15. April 2018
Albertinum Dresden
www.albertinum.skd.museum

Text: Philipp Demankowski

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