Auf der Suche nach den Wurzeln

Wladimir Kaminer, Foto: Jan Kopetzky
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Die 21. Jüdische Musik- und Theaterwoche beschäftigt sich in diesem Jahr verstärkt mit dem Neustart des deutschen Judentums nach der Wende.

Der Schriftsteller Wladimir Kaminer beschrieb in seinem vielzitierten Buch „Russendisko“, wie die Zuwanderung von Juden aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nach der Wiedervereinigung begann. Bis Ende 1998 kamen etwa 45.000 Juden in die Bundesrepublik. Heute stammen 70 bis 90 Prozent der jüdischen Gemeindemitglieder in Deutschland aus den ehemaligen GUS-Staaten. Auch direkt nach Israel und in die USA sind viele russische und ukrainische Juden ausgewandert.

Russisch-jüdisch-deutsche Zwischenwelt

Die 21. Jüdische Musik- und Theaterwoche trägt dieser Entwicklung in diesem Jahr Rechnung. Denn so wie türkische, italienische oder griechische Einwanderer in den Wirtschaftswunderjahren die westdeutsche Kultur bereicherten, brachten die aschkenasischen Juden ebenfalls ihre jahrhundertealten Traditionen mit. Wie spannend diese Entwicklung ist und bleibt, zeigen die Gäste der Jüdischen Woche: So wird etwa Wladimir Kaminer in einer Lesung auf seine typische, scheinbar naive und dennoch zutiefst hintergründige Art aus der russisch-jüdisch-deutschen Zwischenwelt berichten. Sein „Goodbye Moskau“ ist trotz der typischen Pointen nachdenklicher als sonst. Es ist ein Blick auf das heutige Russland, das gerade von den Deutschen immer wieder erklärt werden will.

Das Duo Sveta Kundish und Patrick Farrell. Foto: Manuel Miethe

Biografische Brüche

Das Duo Sveta Kundish und Patrick Farrell bringt zur Eröffnung in einem Erzählkonzert die Geschichte von Kundishs Familie auf die Bühne. Diese Geschichte steht symbolisch für die verschiedenen Stationen und biografischen Brüche, die das Ostjudentum seit den 1980ern über die verschiedenen Erdteile führt und die die 21. Jüdischen Musik- und Theaterwoche in diesem Jahr vorstellen möchte. Auch das Food Festival „Gefilte Fest“ findet mittlerweile zum dritten Mal im Rahmen der Jüdischen Woche statt und wird wieder mit zahlreichen Workshops, Koch-Shows und dem Besonderen Schabbat die heimische Küche mit leckeren Rezepten zum Thema wostok/goes/
west bereichern.

Itay Novik, Foto: Kfir Harbi

Abschiedsblues

Mit The Disorientalists kommen außerdem zwei der derzeit kreativsten jüdischen Songschreiber, Yuriy Gurzhy & Daniel Kahn, gemeinsam mit Sängerin Marina Frenk, als Gastspiel des Maxim-Gorki-Theaters auf die Bühne. Die Band feierte mit ihrem aberwitzigen Cabaret, Klezmer, Oriental Swing, Ragtime und Reggae vor zwei Jahren Premiere im Studio Я des berühmten Berliner Theaters. Porträtiert wird das Leben des deutschen
Schriftstellers Essad Bey, der 1905 als Lev Nussimbaum in Aserbaidschan zur Welt gekommen und seine jüdische Herkunft stets bestritt. Eher noch wollte er sich als persischer Prinz inszenieren. Zum Finale bestreiten dann die legendären Apparatschik mit Balalaika und ihrem Mix aus Balkanpop, Sowjet-Rock und melancholischen Texten den großen russisch-ukrainischen Abschiedsblues.

21. Jüdische Musik- und Theaterwoche Dresden
vom 15. bis 29. Oktober 2017
www.juedische-woche-dresden.de

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